Additive Fertigung in Deutschland – fünf 3D-Druck Firmen, von denen man gehört haben sollte
- Ob in der Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik, im Werkzeugbau oder im Bereich von Lifestyle-Produkten – 3D-Druck hat sich als Fertigungsverfahren durchgesetzt und sich einen Namen gemacht
- Unter Fachleuten wird der 3D-Druck bevorzugt als Additive Fertigung bezeichnet
- Deutschland kann dabei als führender Produktionsstandort und Technologieentwickler gesehen werden und ist Heimat für so manches spannende 3D-Druck Unternehmen
3D-Druck war als Wort nie angemessen für das, was es eigentlich bedeutet. Laien kennen den Begriff überwiegend von spielerischen Geschenk-Dienstleistungen, von Angeboten wie zum Beispiel YouLittle, ein Start-up, das Menschen auf Nachfrage dreidimensional scannt und darauf basierend eine Miniatur-Version ihrerselbst kreiert. Dass hinter der Technologie des 3D-Druckens mehr steckt, zeigt die Industrie der Additiven Fertigung. „Additiv“ ist dabei das Stichwort. Anders als bislang entstehen Modelle oder Produkte nicht mehr, indem Material von Rohstoffen abgetragen, sondern indem Material hinzugefügt wird. Schicht für Schicht arbeiten sich intelligente Maschinen nach vorgefertigtem Fahrplan zu einem dreidimensionalen Objekt vor, mit geschmolzenem Metall, Plastilin oder Kunststoffen wie Polyurethan.
Laut einer Befragung der Wirtschaftsberatung Ernst & Young zählt Deutschland dabei zur führenden Nation im weltweiten Vergleich. Hier sitzen 3D-Druck Firmen wie EOS, Kolb Design Technology, FIT AG, SLM Solutions und BASF, die mit hochwertigen Maschinen und Profi-Software wie Netfabb arbeiten, sowie die Start-ups One Click Metal und Laser Melting Innovations. Letztere wollen mit einfach zu bedienender Software wie Fusion 360 und kostengünstigeren Metall-3D-Druckern die Technik für den Massenmarkt bereitstellen.
1. FIT AG
Für Firmenchef Carl Fruth, der die FIT AG, damals noch „Fruth Innovative Technologien“, 1995 in seiner Garage gründete, liegt in der Additiven Fertigung der Schlüssel zur individualisierten digitalen Serienfertigung, was einem ähnlich revolutionären Schritt gleich käme wie die von Henry Ford Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführte Fließbandproduktion – allerdings mit wesentlich mehr Spielraum und Möglichkeiten. Die FIT AG zählt heute zu den zentralen Industriepartnern für Unternehmen weltweit. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit Turkish Aerospace Industries: Die beiden Unternehmen haben eine Satellitenhalterung aus Titan entwickelt. Durch das additiv optimierte Design ist die Halterung um die Hälfte leichter als zuvor und weniger komplex, sie besteht nicht mehr länger aus 56 verschiedenen und insgesamt 360 Einzelteilen.
Das bringt auf den Punkt, was sich Entwickler von der Technologie erhoffen: Zeit sparen, Gewicht reduzieren, Komplexität und Materialverbrauch minimieren. Der Erfolg eines Produkts aus dem 3D-Drucker hänge dabei vor allem mit der Beherrschung der Technologie zusammen, sagt Dr. Elisabeth Bauer, Marketing-Managerin der Firma FIT AG. Der eigentliche Investitionsaufwand seien nicht Maschinen oder Material, sondern er läge darin, „das Denken der Konstrukteure auf die Möglichkeiten der Additiven Fertigung anzupassen“, so Bauer. Dass die FIT AG damit eine nicht ganz unerfolgreiche Strategie fährt, zeigt das Interesse potentieller Partner an der AG und ihrer einstigen Tochterfirma Netfabb: Die Tochter ging 2015 an Autodesk. Netfabb ist eine Software mit Funktionen zur 3D-Druckvorbereitung und bietet Werkzeuge für die additive Konstruktion, Bauraumaufbereitung und die Simulation für Lasersinterprozesse.
2. BASF 3D Printing Solutions
Die 3D-Druck Firma BASF 3D Printing Solutions mit Sitz in Heidelberg ist die 100-prozentige Tochtergesellschaft von BASF New Businesses und baut das Geschäft mit Materialien, Systemlösungen, Bauteilen und Serviceleistungen aus. BASF steht für Basische Anilin- und Sodafabrik, ist vor allem also ein Chemieunternehmen, das Material für unter anderem 3D-Druckverfahren anbietet. Auf der Fachmesse für Kunststoffe K 2019 in Düsseldorf zeigte das Unternehmen unter anderem seine Expertise in der Automobilbranche. Vor dem Messestand ragte ein Caravan Konzeptfahrzeug auf, das 3D-gefertigte Bauteile innen und außen demonstrierte. Zugleich präsentierte BASF einen 3D-gedruckten Motorträger für Daimler. Seit 2020 liefert dessen Tochterfirma, das Omnibusunternehmen EvoBus GmbH, individualisierte Dekorteile nach Kundenwunsch: Griffeinleger oder seitliche Abdeckungen für den Reisebussitz.
3. EOS
2019 feierte das 3D-Druck Unternehmen sein 30-jähriges Firmenjubiläum, CEO Hans Langer erhielt im selben Jahr den German Leadership Award. Für EOS ist Additive Fertigung der zentrale Treiber der Digitalisierung. „Hier wird es in den nächsten Jahren vor allem um einen durchgängigen Daten- und Produktfluss gehen und um die Integration der Technologie nicht nur in Fabriken für Additive Fertigung, sondern auch in gemischten, existierenden Fertigungsumgebungen“, so Claudia Jordan, Sprecherin von EOS. Das Wissenslevel der Kunden sei in den letzten Jahren gestiegen, man spräche mittlerweile über konkrete industriespezifische Anwendungen und Produktionsmöglichkeiten, „nicht mehr nur über Prototypen wie in den ersten 20 Jahren.“
Die treibenden Industrien seien hierbei die Luft- und Raumfahrt sowie die Medizinbranche, so Jordan. Für den Airbus A380 hat Liebherr mit Technologie von EOS einen konventionellen Hydraulikblock der primären Flugsteuerung durch einen additiv gefertigten Ventilblock ersetzt. Zusammen mit Airbus und einem Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz hatte Liebherr das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mitfinanzierte Projekt lanciert.
„In der EOS M 290 werden Bauteile Schicht für Schicht aufgeschmolzen bzw. ‚gedruckt‘ – jede nur zwischen 30 und 60 μm dick. Selbst komplexe Geometrien sind so möglich“, erklärt Alexander Altmann, Lead Engineer Additive Manufacturing in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Liebherr-Aerospace Lindenberg GmbH. In Zeiten von „Flugscham“ und „Autoscham“ birgt gerade die Technologie der Additiven Fertigung das Potential, Flugzeug- und Automobilindustrie zu optimieren und umweltfreundlicher zu machen – indem Bauteile zum Beispiel leichter werden und das Fahrzeug oder Flugzeug weniger Energie verbraucht. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte EOS-Geschäftsführer Hans Langer, dass vor allem die Autobranche wegen des Dieselskandals unter Druck stehe. Aber: „Meiner Ansicht nach ist der Verbrennungsmotor nicht am Ende, er wird in ein paar Jahren ganz anders aussehen.“
4. Kolb Design Technology
So sehen das auch Erwin Nutz und Markus Weiß, die Geschäftsführer von Kolb Design Technology. Seit 2001 entwickeln sie Fräsmaschinen für Designstudios der Automobilindustrie. Trotz digitaler Simulationsmöglichkeiten haben sie sich mit ihren physischen Modellen aus Plastilin – den „Clay-Modellen“ – eine Nische in der Automobilbranche erarbeitet. Damit Kunden beispielsweise einen Jaguar Land Rover noch vor Produktionsstart im 1:1-Modell anfassen können.
Die Clay-Modelle von Kolb werden nicht mehr ausschließlich per Hand geformt und bearbeitet, sondern mit Modellier- und Layoutmaschinen konstruiert und gefräst – was einiges an Zeit erspart, dauerte es früher laut Erwin Nutz immerhin bis zu mehreren Wochen, bis ein 1:1-Modell fertig war. „Die Hälfte des Clays wird gefräst, die Strukturen und Oberflächen von unseren Modellierern ausgewertet und manuell angepasst“, sagt Erwin Nutz. „Die Anpassungen scannen wir, speisen die Daten in eine Autodesk Powermill CNC-Datei, auf deren Basis die andere Hälfte des Modells gefräst wird. Teile wie Spiegel, Türklinken, Front- und Rücklichter oder Reifen werden 3D-gedruckt.“
5. SLM Solutions
Mit Additiver Fertigung Zeit sparen und zugleich die Produktionskosten senken wollen auch SLM Solutions in Lübeck. Das Unternehmen entwickelt auf Basis von Metallen Bauteile, montiert sie und vertreibt Maschinen und integrierte Systemlösungen im Bereich des Selektiven Laserschmelzens, einem Strahlschmelzverfahren, bei dem Laserstrahlen den Werkstoff in seiner Pulverform vollständig schmelzen. Nachdem der Stoff erstarrt ist, bildet er eine feste Materialschicht.
Eine der neuen Entwicklungen bei SLM Solutions betrifft den Rennradsport. Zusammen mit dem dänischen Technologieinstitut und Maschinen von SLM hat das Radsportunternehmen CeramicSpeed eine Riemenscheibe aus Titan entwickelt, die so leicht ist, dass sie Rennradprofis bei Langstreckenrennen wie der Tour de France schneller machen soll. Bei einer Wandstärke von 0,4 Millimetern liegt der Durchmesser der Scheibe bei lediglich 2 Millimetern. Das Gesamtgewicht des Kettenrads reduziert sich damit auf 8,4 Gramm. Erste Tests unter Live-Bedingungen wurden 2019 durchgeführt. Die mit dem selektiven Laserschmelzen hergestellten Riemenscheiben erwiesen sich als langlebiger und korrosionsbeständiger im Vergleich zu herkömmlichen Aluminiumteilen.
Dieser Artikel wurde aktualisiert. Er wurde ursprünglich im Januar 2020 veröffentlicht.