Buckles fügt hinzu, dass sich Regolith im Vergleich zu anderen in der additiven Fertigung verwendeten Materialien „schlicht und einfach merkwürdig verhält“. Er fließt nicht wie Sand in einer Sanduhr, sondern neigt zu Pfropfen-, Klumpen-, Brücken- und Schachtbildung. Um die für den 3D-Druck mit Regolith notwendigen Fließeigenschaften zu erzeugen, mussten sich die NASA-Ingenieure daher allerhand kreative Lösungen einfallen lassen. Dennoch besteht für dieselben Ingenieure kein Zweifel, dass die additive Fertigung mit Regolith funktionieren wird. Wer jedoch in extraterrestrischen Gefilden Infrastruktur bauen möchte, muss zunächst bestehende Infrastrukturkonzepte auf den Kopf stellen.
„Auf der Erde ist alles extrem schwer“, so Gelino. „Wir verwenden Stahl und Beton – diese Baustoffe bringen Tonnen auf die Waage. Wenn man 40 Säcke Beton auf den Mond schießen will, sind das mit Sicherheit die teuersten 40 Säcke Beton aller Zeiten. Hinzu kommt, dass die Nutzlastkapazität unserer Raketen begrenzt ist.“
Folglich muss sich das NASA-Team auf die „Verwendung von vor Ort verfügbaren Ressourcen“ konzentrieren und Weltraumforscher in die Lage versetzen, sich die natürlichen Bestände der jeweiligen Himmelskörper zunutze zu machen. Für die Ingenieure der NASA ist jeder Haufen Schmutz im Weltall eine wertvolle Ressource, aus der potenziell Wasserstoff und Sauerstoff für die Wasserherstellung oder gar die Grundelemente für die Produktion von Eisen-Silicium-basiertem Stahl gewonnen werden können. „Hat man sich einmal angewöhnt, alles durch diese Brille zu sehen, fallen einem plötzlich Tausende Verwendungsmöglichkeiten für einen Regolithhaufen ein, auf die man auf der Erde nie gekommen wäre“, merkt Gelino an.
Jeder, der schon einmal eine Sandburg gebaut oder mit Beton gearbeitet hat, mag sich an dieser Stelle eine grundlegende Frage stellen: Braucht man für 3D-Druck im Weltraum nicht Wasser?
Ja und Nein, wie Gelino zu verstehen gibt. Für bestimmte Betonarten ist Wasser tatsächlich unerlässlich. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang lautet, dass Wasser außerhalb der Erde keineswegs eine derart seltene Ressource darstellt wie gemeinhin angenommen. Sowohl auf dem Mars als auch im Schatten der tiefen Krater des Mondes gibt es Wassereis. Wasser kann außerdem chemisch hergestellt werden, indem man Wasserstoff und Sauerstoff miteinander reagieren lässt – und diese beiden Elemente gibt es in den hydratisierten Mineralien des Marsregoliths im Überfluss.
Auf der anderen Seite gibt es, wie Gelino anmerkt, jedoch auch Betonarten, die ohne Wasser auskommen. „Bei unseren Experimenten mit additiven Fertigungsverfahren haben wir Regolith mit Polymeren gemischt, die anderswo als Abfallprodukt angefallen waren“, erläutert er. „Polymere lassen sich zum Beispiel aus den Abfällen gewinnen, die Astronauten zurücklassen, oder auch aus Transportcontainern. Zusätzlich kann man sie auch synthetisch herstellen. Man kann sie als Bindemittel für Regolith verwenden, wobei die benötigte Menge im Verhältnis zum Regolith relativ gering ist. Der daraus gewonnene Stoff weist eine ähnliche Dichte wie Portlandzement und eine zwanzigmal größere Zugfestigkeit auf.“
Ingenieure der NASA haben Regolith außerdem gesintert, um daraus verschiedene Pflastersteine und Mauerziegel herzustellen. Der Prozess umfasst das Formgießen des Materials bei hoher Hitze und liefert ein Endprodukt, dessen Konsistenz Gelino zufolge an Sandstein erinnert. Um die dafür nötige Hitze zu erzeugen (etwa 1.200 Grad Celsius), muss eine Menge Energie aufgewendet werden – nach Gelinos Auffassung zwar eine Einschränkung, aber kein unüberwindbares Hindernis.
Letztlich wird es von der Nutzlastkapazität der Trägerraketen abhängen, in welchem Umfang Ausrüstung zum Mond oder Mars geschickt werden kann. Der 3D-Drucker, mit dem Gelinos Team derzeit arbeitet, besteht aus einem Extruder, der am Arm eines Industrieroboters befestigt ist – damit lassen sich Strukturen von bis zu 1,8 Meter Höhe und ca. 2,5 Meter Breite errichten. Das System steckt zurzeit noch in den Kinderschuhen: Zwar ist der Machbarkeitsnachweis bereits erbracht, zur Einsatzfähigkeit bedarf es jedoch zunächst eines leichteren Modells, das den Betrieb in extremer Kälte, bei Strahlung und im Vakuum ermöglicht.