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Indonesien nutzt 5D-BIM, um einen kühnen Infrastrukturplan umzusetzen

Indonesien investiert 350 Milliarden Euro in neue Infrastruktur wie den Temef-Staudamm, der mithilfe von 5D-BIM für Bewässerung und Hochwasserschutz sorgen soll. Die BIM-Dimension 5D brachte dem Bauunternehmen wertvolle Vorteile.

Der Temef-Staudamm in Ost-Nusa Tenggara, der südlichsten Provinz Indonesiens, ist eines der womöglich wichtigsten Projekte eines Infrastrukturplans Indonesiens, in dessen Rahmen zahlreiche Projekte – von Straßen, Brücken, Autobahnen und Dämmen bis hin zu Häfen, Flughäfen, Kraftwerken und Wohnhäusern – umgesetzt werden sollen. Waskita Karya, ein staatliches Bauunternehmen, wurde mit dessen Bau beauftragt. Der Staudamm soll der Wasserversorgung dienen und zum Hochwasserschutz sowie zur Bewässerung im Regierungsbezirk Südzentraltimor und den angrenzenden Bezirken beitragen. Bei Waskita weiß man, dass die Digitalisierung der Schlüssel zu den Infrastrukturplänen Indonesiens ist – deshalb rüstet die Firma für das Projekt ihren Bauprozess vom derzeitigen 2D-BIM (Building Information Modeling) auf 5D-BIM auf.

Der Staudamm wird mit einer Länge von 550 Metern und einer Höhe von 55 Metern der bisher größte in Ost-Nusa Tenggara sein. Er wird sich über eine Landfläche von 450.000 Quadratmetern erstrecken und bis zu 45 Millionen Kubikmeter Wasser fassen. Die Bauarbeiten begannen 2018 und sollen bis 2022 abgeschlossen werden.

Luftaufnahme des Temef-Staudamms in der indonesischen Provinz Ost-Nusa Tenggara. Credit: Waskita.

Arbeiten in der Cloud

Waskita machte sich einen Namen mit dem Bau von Staudämmen und Wasserwerken– mittlerweile liegt der Fokus des Unternehmens auch auf anderen Großprojekten wie Flughäfen, Brücken, Häfen und Mautstraßen. Das Temef-Staudammprojekt stellt das Waskita-Team vor mehrere Herausforderungen – eine davon ist der abgelegene Standort. „Wegen der Abgeschiedenheit des Gebiets mussten wir eine Lösung finden, wie wir unsere Daten ohne Netzabdeckung verwalten konnten“, sagt Kharis Alfi, BIM-Manager für Forschung und Innovation bei Waskita. „Also richteten wir eine lokale Umgebung für die Datenverwaltung ein.“

Die Teammitglieder von Waskita können über CDE-Plattformen, also gemeinsame Datenaustausch- und Arbeitsplattformen wie Autodesk BIM 360 zusammenarbeiten, um auf Daten zuzugreifen, Informationen und Hinweise auszutauschen sowie Pläne und Zeichnungen zu prüfen und zu genehmigen. Alles kann nahezu in Echtzeit überwacht werden, und die Teammitglieder können den Aktionsverlauf überwachen und Vorgänge nachverfolgen.

Das Team vor Ort fährt jede Woche in die Stadt, um die Daten in der Cloud zu synchronisieren, sodass das Ingenieurteam im Büro von Waskita den Projektfortschritt und Planänderungen überprüfen kann. Da sich alle erforderlichen Informationen in der Cloud befanden, war man bei Waskita gut vorbereitet, als COVID-19 Indonesien erreichte. „Wir waren mithilfe von Microsoft Teams in der Lage, Telemeetings durchzuführen, und mehr Mitarbeiter konnten von zu Hause aus auf die Cloud zugreifen“, erzählt Gildam Satria, BIM-Experte und Koordinator bei Waskita.

Eine weitere Herausforderung ist der Aufbau des Teams vor Ort. Waskita beschäftigt Einheimische aus dem Regierungsbezirk Südzentraltimor, die durch das Team in BIM geschult werden mussten. Die Ausbildung der Einwohner brachte dem Team den zusätzlichen Nutzen, die eigenen Fähigkeiten zu erweitern und die Prozesse bei Waskita effizienter zu gestalten.

„Die Mitarbeiter vor Ort führen die Modellierung zwar nicht selbst durch, arbeiten aber mit BIM. Deshalb müssen sie das Bausystem, die Ausschreibungsvorgaben sowie Arbeitsmethoden und Zeitpläne verstehen, um auf der Baustelle fundierte Entscheidungen zu treffen“, sagt Alfi. „Jeder Mitarbeiter trägt zum Aufbau unserer BIM-Datenbank und zur Verbesserung unseres BIM-Prozesses bei.”

Eine zusätzliche Schwierigkeit beim Temef-Dammprojekt ist das Gelände. „Bei Staudammprojekten hat man es mit unterschiedlichen Terrains und aufgrund des Böschungsprofils mit verschiedensten Erdarbeiten zu tun, was es für die Vermessungsingenieure schwierig macht, das Gebiet schnell zu erfassen”, sagt Alfi. „Da ist es hilfreich, von einzelnen Bereichen schnelle Querschnitte oder Profile zu erzeugen.“ Das Team verwendet terrestrische Laserscanner und mit LiDar-Sensoren ausgestattete Drohnen, um millimetergenaue 3D-Scans von Landschaften und schwierigem Gelände, wie etwa Hügeln oder Sümpfen zu erstellen. Diese Tools verkürzen die mit herkömmlichen Geräten wie Roboter-Totalstationen benötigte Zeit zur Erstellung von Querschnitten von vier Tagen auf gerade mal zwei Stunden.

Um ein möglichst vollständiges und genaues Bild über den Fortschritt auf der Baustelle zu erhalten, nutzt das Waskita-Team Fotogrammetrie mithilfe von Drohnen. „Drohnen sind aus unserem Arbeitsprozess nicht mehr wegzudenken“, erklärt Alfi. „Bei Staudammprojekten setzen wir sowohl Starrflügler als auch Multirotor-Drohnen ein.”

Von 2D zu 5D-BIM

Um den Sprung zu 5D zu schaffen, wandelte das Team die Luftaufnahmen mithilfe von Fotogrammetrie-Software in ein Topografiemodell um. Landbedeckungsdaten wurden in GIS verarbeitet und als 3D-Modelle des Damms, des umliegenden Geländes und der umliegenden Gebäude umgesetzt. Die Baustelle wurde mithilfe von Autodesk Civil 3D und Revit modelliert.

„In einem 4D-BIM-Verfahren erstellen wir Projekt- und Aktionspläne”, schildert Taufiq Imam, BIM-Experte für Infrastruktur bei Waskita. „Wir animieren unsere 3D-Modelle, indem wir schrittweise Bausequenzen hinzufügen, um den zeitlichen Verlauf des Projekts zu simulieren.”

Um Entscheidungen zu erleichtern und die Zusammenarbeit zu verbessern, kreiert die Firma virtuelle Erlebnisse in Augmented Reality (AR) und Virtueller Realität (VR). Damit lassen sich Entwürfe und Fortschritte besser kommunizieren und aufzeigen. „Die meisten unserer Interessenvertreter sind weder Ingenieure, noch haben sie einen technischen Hintergrund“, sagt Satria. „VR und AR helfen ihnen dabei, unsere Entwürfe und Lösungsvorschläge besser zu verstehen.”

5D BIM Model Temef-Staudamm
Bei 5D-BIM wird das Modell um Materialmenge und Kosteninformation erweitert. Credit: Waskita.

Darüber hinaus werden bei Waskita Kosteninformationen für das 5D-BIM eingepflegt. „Die Projektverantwortlichen liefern die Stückliste, die schon Mengendaten enthält”, so Alfi. „In naher Zukunft werden Bauherren und Berater den Bauunternehmen BIM-Modelle bereits mit den erforderlichen Daten übergeben. Unsere Aufgabe als Bauunternehmen besteht darin, diese Daten aus dem Modell zu extrahieren und jeder Einheit einen Preis zuzuordnen. Wir verwenden 5D-BIM zur Projektkontrolle und um sicherzustellen, dass die gefertigten Objekte den Anforderungen entsprechen.

Indessen geht es Waskita bei diesem Aspekt des Bauprozesses um mehr als nur um die Verwaltung von Stückzahlen und Kosten. „Beim 5D-BIM-Prozess nutzen wir Mengeninformationen außerdem zur Planung des Arbeitsaufwands“, erläutert Satria. „Wenn Sie die Mengen verwalten, können Sie auch den Kostenfluss und den Arbeitsaufwand managen.“

BIM ist nicht nur Technologie, sondern eine Bewegung

Für kommende Arbeitsphasen am Temef-Staudamm und für künftige Projekte hofft man bei Waskita, die Prozesse mithilfe von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz noch weiter automatisieren zu können. Doch vorerst geht es darum, das digitale Know-how der Menschen hinter diesen Prozessen zu verbessern.

„Zunächst müssen die Kenntnisse der Mitarbeiter erweitert werden, damit sie die Anforderungen an erfolgreiche Ergebnisse verstehen und eine begründete Entscheidung hinsichtlich der Technologie treffen können, die diesen Erfolg ermöglicht“, sagt Alfi. „BIM ist nicht nur eine Technologie, es ist eine Einstellung, es ist Prozessbildung – für uns ist es eine Bewegung. Und der Erfolg dieser Bewegung hängt von den Menschen ab, die dahinterstehen“.

Über den Autor

Rina Diane Caballar lebt als Autorin in Neuseeland und schreibt Texte, die verschiedene Berührungspunkte zwischen Wissenschaft, Technologie, Gesellschaft und Umwelt thematisieren.

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