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Gezeitenwechsel in der additiven Fertigung: Eine Welle neuer Technologien rollt heran

In der additiven Fertigung mit Metallwerkstoffen werden seit über 20 Jahren die gleichen grundlegenden Verfahren eingesetzt, doch jetzt erscheinen eine Vielzahl von Innovationen am Horizont. Kostengünstigere und sicherere Fertigungsprozesse ermöglichen ganz neue Werkstoffeigenschaften in puncto Auflösung, Oberflächenbeschaffenheit und Gestaltungsfreiheit.

Zunächst ein kurzer Rückblick: Seit der Erfindung des selektiven Laserschmelzens (SLM) am Fraunhofer-Institut im Jahr 1995 stützt sich die additive Fertigung mit Metallwerkstoffen in erster Linie auf drei Verfahren: Beim ersten, dem am häufigsten eingesetzten Prozess wird ein Metallpulver gezielt schichtweise mit einem Laser- oder Elektronenstrahl aufgeschmolzen, um aus unterschiedlichen Metalllegierungen ein Objekt aufzubauen.

Das zweite, sogenannte LENS-Verfahren (Laser Engineered Net Shaping) arbeitet mit gebündelter thermischer Energie. Bei dieser Methode wird das Metallpulver in den Laserstrahl geblasen.

Bei einem dritten Prozess werden Metallpulver mithilfe eines Binders in einem Pulverbett zusammengehalten und dann gesintert, um metallähnliche Eigenschaften zu erhalten.

Der Drucker von Desktop Metal arbeitet mit der Sintermethode. Mit freundlicher Genehmigung von Desktop Metal.

Auch wenn mit diesen bahnbrechenden Verfahren komplexe Sonderanfertigungen möglich sind, sind sie noch nicht perfekt: Metallpulver sind als Werkstoff im Umgang potenziell gefährlich und während des Prozesses können Bauteilverformungen auftreten, sodass manch ein Fertigungsprodukt in der Tonne landet.

XJet, Desktop Metal, NanoCore Technologies (heute Mantle), Markforged, 3DEO, Digital Alloys und Vader Systems sind alle Teil einer neuen Strömung im 3D-Metalldruck. Diese Firmen kehren dem pulverbasierten Ansatz den Rücken zugunsten eines Verfahrens, bei dem das Metallpulver entweder in eine Trägerflüssigkeit oder ein Filament eingebunden ist, als instabiler „Grünkörper“ gedruckt und dann in einem Ofen gesintert wird, um zum Endprodukt zu gelangen.

Das Gründungsteam von XJet entwickelte „Objet“, den ersten 3D-Drucker, der eine Vielzahl verschiedener Polymerwerkstoffe verarbeiten kann (Objet Geometries fusionierte 2012 mit Stratasys). Eine weitere XJet-Erfindung war übrigens der erste großformatige Tintenstrahldrucker, der danach von HP erworben wurde. „Nanoparticle Jetting“ – so taufte man die Technologie bei XJet, bei der ein nach höchsten Qualitätsstandards entwickelter Tintenstrahldrucker mit Tausenden von Düsen Nanopartikel aus Metall (oder Keramik) mittels einer Trägerflüssigkeit aufträgt, die beim Aufprall auf die Materialauflage oder die darunterliegende Werkstoffschicht verdampft. Diese Nanopartikel ermöglichen eine sehr viel feinere Auflösung sowie den Einsatz eines sekundären Trägermaterials und machen lästige Stützstrukturen überflüssig. Außerdem werden Restspannung und thermische Verformung vermieden, die in Pulverbettprozessen auftreten können. Das Resultat hat ein enormes Potenzial für den Metall-3D-Druck mit vielfältigen Werkstoffen und komplexen Materialübergängen.

Flexibilität bei der Auswahl des Trägermaterials

Die Methoden von Digital Alloys und Vader Systems ähneln eher der von Stratasys entwickelten FDM-Technologie (Fused Deposition Modeling), bei der ein in einem Filament eingebundener Werkstoff auf das Druckbett eines 3D-Druckers extrudiert wird. Ein Hauptvorteil des FDM-Verfahrens ist die Flexibilität bei der Auswahl des Trägermaterials: Das Metall kann in ein polymerbeschichtetes Filament, eine Paste, einen Metallstab oder einen Schweißdraht eingebunden werden. Die Abwendung von pulverbasierten Verfahren eröffnet darüber hinaus eine größere Bandbreite an Werkstoffen, die bereits in großen Mengen für den Metallspritzguss (MIM) oder beispielsweise als Draht für die Schweißindustrie verfügbar sind.

Der 3D-Drucker Metal X von Markforged arbeitet mit der ADAM-Technologie (Atomic Diffusion Additive Manufacturing) und herkömmlichen Metallspritzguss-Pulvern. Diese sind in ein Polymer eingebunden, das sich während des sekundären Sinterprozesses auflöst. Der Prozess erzeugt Bauteile mit einer außergewöhnlichen Dichte von 99,7 Prozent. Der Metal X ist mit einem Lasersensor ausgestattet, der Daten an die cloudbasierte Software Eiger von Markforged zurückgibt und so für Maßgenauigkeit während des Druckvorgangs sorgt.

Desktop Metal's Studio System. 
Das Studiosystem von Desktop Metal. Mit freundlicher Genehmigung von Desktop Metal.

Durch ein solches Echtzeit-Feedback von einer Maschine ließe sich ein Versagen von Bauteilen und andere Problemen mit hoher Zuverlässigkeit vorhersagen und dadurch sowohl Material als auch Zeit einsparen. Man könnte die Daten beispielsweise in Tools für Generatives Design eingeben, sodass die Software speziell für diesen Fertigungsprozess Bauteilentwürfe erstellt, die nicht versagen.

Darüber hinaus bietet Desktop Metal Hardware-as-a-Service (HaaS) an, wobei Kunden für nur wenige Tausend Euro pro Monat eine Maschine nutzen können. Bei vielen pulverbettbasierten Metallschmelzprozessen kostet schon ein einziger Aufbau so viel. Aufgrund der geringeren Kosten wird die additive Fertigung mit Metallwerkstoffen für viele Branchen rentabler werden und Anwendungsbereiche eröffnen, die mit den derzeitigen pulverbasierten Verfahren noch nicht denkbar sind.

Der 3D-Drucker Vader Mark 1 von Vader Systems extrudiert ein Filament auf ein Druckbett. Mit freundlicher Genehmigung von Vader Systems.

Maschinen zum Laserschmelzen von Metall sind nämlich sehr teuer. Die Kosten für eine Laserschmelzmaschine reichen von umgerechnet rund 500.000 Euro bis hin zu mehreren Millionen, die Kosten für die notwendige Nachbearbeitung noch nicht mitgerechnet. Die neue Generation von Metall-3D-Druckern ist bereits für unter 100.000 Euro erhältlich – einschließlich der Ausrüstung für die Nachbearbeitung. Das ist ein weiterer Pluspunkt für die Newcomer im 3D-Druck mit Metall.

Dennoch haben pulverbasierte Verfahren in vielen Anwendungsbereichen nach wie vor ihre Berechtigung. Nämlich dort, wo eine laserfokussierte Auflösung sowie die strukturierten Materialeigenschaften und die Planungskomplexität benötigt werden, die mit vielen der neuen generativen Fertigungstechnologien noch nicht realisierbar sind. Materialeigenschaften, Auflösung, Gestaltungsfreiheit, Produktionszeit und Preis bestimmen den für die jeweilige Anwendung am besten geeigneten Ansatz. Unterdessen geben die neuen Verfahren Planern und Ingenieuren mehr Optionen.

Dieser Artikel wurde aktualisiert. Die ursprüngliche Veröffentlichung war im November 2017.