Die Weiterentwicklung heutiger KI-gestützter Technologien stellt nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für die Neubearbeitung und Wiederverwendung vorhandener Inhalte in Aussicht.
Der Gründer der Gaming-Bibliothek Game Clubz, Vlad Susanu, sieht eine Parallele zu den laufenden Einnahmen, die sich mit Spielen erzielen lassen. „Diese Tools stellen überzeugende neue Möglichkeiten bereit, mehr Gewinn aus den Studioarchiven herauszuholen, ähnlich wie herunterladbare Inhalte (DLC) und Erweiterungen die Lebensdauer von Spielen verlängern“, sagt er. „Kolorierte und digitalisierte Fassungen zeitloser Filmklassiker könnten die Nachfrage nach Streaming-Abonnements oder Pay-per-View-Käufen ankurbeln, vor allem bei einem jüngeren Publikum, das mit den alten Schwarzweiß-Fassungen wenig anfangen kann.“
Denkbar wären etwa spezialisierte Filmfestivals oder Streaming-Dienste mit KI-gestützten Produktionen, die das gesamte Werk der Marx Brothers in realistischen Farben zeigen oder beliebte Filmreihen aus der Sicht einer Nebenfigur neu erzählen – vielleicht Hagrid aus den „Harry-Potter“-Filmen oder C-3PO aus dem „Star Wars“-Universum.
Die nächste Frage lautet, inwieweit das technisch Machbare auch tatsächlich wünschenswert ist. Neben urheberrechtlichen Bedenken steht auch die Sorge um die Wahrung der künstlerischen Integrität im Brennpunkt der Diskussion. Kunst gilt seit Jahrtausenden als alleinige Domäne des Menschen. Erfordert eine zeitgemäße Betrachtung, den Begriff auf Werke auszuweiten, die von Computern geschaffen wurden? Und hat die Bearbeitung eines von Menschen geschaffenen Kunstwerks durch KI negative Folgen für den Künstler und seine ursprüngliche Schöpfung?
Da Streaming-Dienste noch ein relativ neues Ertragsmodell sind und nach den sechsmonatigen Streiks ein eklatantes Loch im Kinokalender für 2024 klafft, könnte die künstlerische Integrität für die Studios derzeit zweitrangig sein: Sie werden kaum bereit sein, die riesigen unerschlossenen Märkte, die die KI verspricht, kampflos aufzugeben.
„Einen Markt gibt es dafür auf jeden Fall“, so Fraser. „Insbesondere für Anwendungsfälle wie die Neubearbeitung alter Filmklassiker, die vielleicht nicht mehr für IMAX oder große Bildschirme geeignet sind, weil die Qualität der Negative einfach nicht ausreicht. Das ist leider die Realität, und obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Marx-Brothers-Film eine Milliarde Dollar einspielt oder ein alter Elvis-Film monatelang in den Kinos läuft, ist durchaus denkbar, dass sich hier potenzielle Einkommensquellen erschließen.“
Wie Jeremy Toeman, CEO des KI-Start-ups Aug X Labs und ehemaliger Vice President von WarnerMedia/Sling/CBS Interactive, betont, geht es hier um Unternehmen, die auf riesigen Beständen an wirtschaftlich verwertbarem Archivmaterial sitzen, die sich im Laufe eines ganzen Jahrhunderts angesammelt haben.
„Wenn ich in meiner Zeit bei WarnerMedia etwas gelernt habe, dann, dass Traditionsunternehmen aus der Medienbranche über riesige Bibliotheken mit visuellen Inhalten verfügen“, erläutert er. „Die Mehrheit davon wird nicht genutzt und nicht vermarktet. KI wird es den Rechteinhabern ermöglichen, ihre Objekte aus der Versenkung zu holen und sie einem neuen Publikum zugänglich zu machen – entweder durch Trainieren neuer Modelle oder die Neubearbeitung mithilfe generativer KI. Für jeden, der einen Katalog von geistigem Eigentum besitzt, eröffnen sich hier riesige Chancen, die die Medienunternehmen unbedingt wahrnehmen sollten, um ihre Reichweite zu vergrößern.“