Kengo Kuma, der nächste Star-Architekt. Was ihn auszeichnet ist die architektonische Visualisierung

In Tokio wird das Olympiastadion von Kengo Kuma der Öffentlichkeit präsentiert. Er selbst ist im Begriff, in den Olymp der Architekten einzuziehen. Sein Erfolgsgeheimnis: ein Designteam aus 3D-Visualisierungsexperten, die seine Arbeiten zum Leben erwecken.


Das schottische V&A Dundee-Museum ist ein charakteristisches Design von Kengo Kuma.

Credit: Ross Fraser McLean.

V&A Dundee museum in Scotland Kengo Kuma architectural visualization

Megumi Yoshida

25. Februar 2020

Min. Lesedauer
  • Das Olympiastadion von Kengo Kuma für die Sommerspiele 2020 in Tokio ist eine Naturholzkonstruktion, die von traditionellen japanischen Designs inspiriert ist und den Fokus auf Natur, Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit legt.

  • Kengo Kuma & Associates umfasst ein CG-Team, das eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Designkonzepte Kumas spielt.

  • Das CG-Team verwendet Autodesk AutoCAD, Revit, 3ds Max und V-Ray, um umfassende 3D-Modelle zu erstellen, Entwürfe zu rendern, die Beleuchtung zu simulieren und das Aussehen der Gebäude aus verschiedenen Blickwinkeln zu visualisieren.

In Japan ist Kengo Kuma bereits eine etablierte Größe, doch erst sein prominentes Olympiastadion für die Sommerspiele 2020 in Tokio sollte ihn weltweit bekannt machen.

Der ursprüngliche Entwurf stammt von der verstorbenen Zaha Hadid (und wurde in einer umstrittenen Entscheidung verworfen). Die Version von Kuma ist ein Wunderwerk aus Naturholz, inspiriert von traditionellem japanischen Design, und stellt Natur, Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt. Das Holz der Fassade stammt aus allen 47 Präfekturen Japans, und rund um das Stadion wurden zudem 47.000 Bäume gepflanzt. Kuma entwarf das Gebäude als „lebenden Baum“, ganz im Sinne seiner Vision, dass sich die Branche hin zu einer „weichen, warmen und menschlichen Architektur“ bewegen sollte.

Kengo Kuma & Associates ist ein großes Unternehmen mit Niederlassungen in Tokio, Peking, Schanghai und Paris. Allein das Büro in Tokio beschäftigt 200 Mitarbeitende aus der ganzen Welt. Aktuell befinden sich mehr als 300 Projekte in Entwicklung, und das Computergrafik-Team (CG-Team) des Unternehmens, welches architektonische 3D-Visualisierungen erstellt, spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der materialorientierten Entwurfskonzepte.

Die Designteams der einzelnen Projekte bestehen aus je einem Projektmanager, Planungsmitarbeitenden und einem CG-Künstler. Die Planungsmitarbeitenden erstellen mit Autodesk AutoCAD und Revit umfassende 3D-Modelle für Planung und Bauausführung. Die CG-Künstler sind allein für alle Aspekte der Visualisierung verantwortlich. Sie verwenden 3ds Max zum Rendern und Studieren von Entwürfen und zur Erstellung von 3D-Daten für Beleuchtungsstudien, einschließlich der Simulation der Sonnenbahn über Tage und Jahreszeiten hinweg. „Die Architektur von Kengo Kuma ist für Gewebestrukturen und Abschirmungen wie Holzgitter bekannt, daher liegt der Schwerpunkt der Visualisierungen auf Licht und Schatten“, erklärt Kimio Suzuki, Design Department Manager des Büros in Tokio.

Sunny Hills pineapple cake shop in Minami-Aoyama
Die Ananas-Konditorei Sunny Hills in Minami-Aoyama, Tokio, tagsüber und nachts. Credit: Kengo Kuma & Associates.

Das Büro in Tokio entwarf die Ananas-Konditorei Sunny Hills in Minami-Aoyama, in Tokios Luxus-Einkaufsviertel Omotesando. Das Bauwerk ist ganz im Stile Kumas in ein spektakuläres Holzgitter gehüllt, das neben Dekoration auch eine wichtige strukturelle Stütze für das Gebäude darstellt.

„Das Holzfachwerk trägt auf jedem Stockwerk des Gebäudes einen Teil der Last. Die Fassade fungiert als eine Anordnung externer Säulen“, erklärt Suzuki. „Das Gerüst muss sowohl vertikale Lasten als auch Dehnung ausreichend unterstützen. Wir haben mithilfe von 3D-Computergrafiken visualisiert, wie das Holzgerüst aus verschiedenen Blickwinkeln aussehen würde, und simuliert, wie Licht von der Sonne und anderen Lichtquellen durch das Gerüst in das Gebäude eindringen würde.“

Interior of Sunny Hills pineapple cake shop in Minami-Aoyama, Tokyo
Das Innere des Verkaufsraums von Sunny Hills. Credit: Edward Caruso.

Die Künstler entwickelten auch innenarchitektonische Elemente wie die Größe und Winkel der Gitterstruktur und die Gestaltung der holzgerahmten Beschilderung. Für die finalen Planungsphasen wurden CG-Beleuchtungssimulationen mit mehr als 20 Mustern durchgeführt, um Tag- und Abendansichten des Gebäudes zu erstellen, und zwar während und außerhalb der Öffnungszeiten.

CG für kleinste Details

3D rendering of the V&A Dundee Museum’s facade
Ein Renderbild der Fassade des V&A Dundee-Museums. Credit: Kengo Kuma & Associates.

2011 begannen im Büro in Tokio die Arbeiten an dem Werk, das eines seiner Markenzeichen werden sollte: dem V&A Dundee, Schottlands erstem Museum für Design. Das Gebäude liegt direkt am Wasser und stellt als neuer kultureller Mittelpunkt und Wahrzeichen die besten Kunstwerke und Designs der Welt aus.

„Das Gebäude liegt direkt am Flussufer. Im finalen Entwurf ragt das Museum auf den Fluss hinaus. Eine abgeschnittene Fläche an der Oberseite vermittelt ein einzigartiges Gefühl der Offenheit“, erklärt Suzuki. Kuma hatte sich von den malerischen Steilküsten Schottlands zu einem Design inspirieren lassen, das diese natürliche, unregelmäßige Schönheit nachahmt. Für die Umsetzung seines Konzepts verwendeten die Designer in verschiedenen Winkeln geschichtete Betonfertigteile, um ein den Klippen ähnelndes Erscheinungsbild zu erzeugen. Die Fassade wurde weiter verfeinert, um die Dynamik der Natur einzufangen.

Die Anordnung der Betonfertigteile wurde mithilfe der parametrischen Entwurfsmethode getestet und geplant. Das Modell des Designteams wurde dann in 3ds Max importiert, sodass ungefähre Renderings und Visualisierungen erstellt werden konnten. So konnte das Team die Darstellung der Außenteile überprüfen und dem CG-Team Feedback geben, das dann schnell Anpassungen in 3ds Max vornehmen konnte.

A section of the completed facade of the V&A Dundee being installed
Ein Teil der fertiggestellten Fassade des V&A Dundee wird montiert. Credit: Ross Fraser McLean.

Das Team nutzte Visualisierungen, um Variationen der Größe und Textur von Teilen der Außenwände sowie der Eingänge und Öffnungen zu entwickeln. „Bei den Gesprächen mit dem Kunden haben wir Teil-Renderings verwendet“, erklärt Suzuki. „So konnten wir sicherstellen, dass unsere Vorstellungen für die Verwendung von Betonfertigteilen und Metallhalterungen für den Kunden nachvollziehbar waren.“

Das CG-Team entwickelte auch CG-Studien oder Beispiele. „CG-Studien kamen bei Besprechungen mit Kengo Kuma, bei Kundenpräsentationen, bei Einreichungen für Wettbewerbe, bei Pressemitteilungen und für andere Zwecke zum Einsatz“, erklärt Suzuki. „Visuelle Beispiele helfen, wenn Blaupausen und Beschreibungen nicht ausreichen. Mit den Studien können wir Ideen reibungslos und effizient vermitteln und direkt weiterarbeiten. Sie sind für den Fortschritt unserer Projekte unerlässlich.“

Geschichte einer mehrfachen Sanierung

Views of the Ace Hotel Kyoto’s facade architectural visualization
Blick auf die Fassade des Ace Hotel Kyoto. Credit: Kengo Kuma & Associates.

Beim Projekt des Ace Hotel Kyoto, das im Frühjahr 2020 eröffnet werden sollte, ging es um die Sanierung eines historischen Gebäudes: das in der Taisho-Ära im frühen 20. Jahrhundert errichtete Gebäude war das erste, das als Kulturgut der Stadt Kyoto registriert wurde. Einst befand sich hier die Telefonzentrale von Kyoto, dann wurde es im Rahmen einer Sanierung zum Einkaufszentrum Shinpukan umfunktioniert. Nun wird es unter der Leitung von Kuma erneut saniert.

„Kengo Kuma hat einige grobe Skizzen angefertigt, die von unseren Architekten ausgearbeitet und dann in 3D modelliert wurden“, erläutert Suzuki. „Bei einer firmeninternen Besprechung für das weitere Vorgehen meinte er: ‘Ich würde gerne traditionelle Dachziegel verwenden.’ Davon ausgehend studierten wir verschiedene Designmuster für das Gebäude.“

Schließlich reichte das Team einen Entwurf mit Holzgittern und Dachziegeln ein. „Der untere Teil in der Nähe des Eingangs besteht aus überkreuz geführten Drähten, an denen einzelne Ziegel befestigt wurden, um den Anschein zu erwecken, sie würden frei im Raum schweben“, erklärt Suzuki. „Die Holzgitter wurden so konzipiert, dass die Winkel der einzelnen Elemente frei verändert werden können.“ Die Gästeetagen wurden mit Dachziegeln und Putz so gestaltet, dass sie in ihrer geschichteten Bauweise an ein Mille-Feuille erinnern und die Querschnitte der Fliesen freiliegen. Kengo Kuma beschreibt das Design als eines, das „Geschichte, Architektur und Menschen verbindet, auf dass sie miteinander in Einklang kommen.“

Die ungefähren 3D-Daten des Planungsteams wurden an den CG-Künstler weitergeleitet, der Materialien und Beleuchtung hinzufügte, um das Erscheinungsbild des Renderings auszuarbeiten. Beinahe täglich wurden Luftaufnahmen, 3D-Studien mit Hintergründen und Bilder von umliegenden Gebäuden erstellt.

Laut Suzuki führte die enge Zusammenarbeit zwischen Planungsteam und CG-Team schnell zu Ergebnissen: „Wir produzierten viele 3D-Studien, nicht nur für die anfänglichen äußeren Visualisierungen, sondern während des gesamten Projekts. Das Pressematerial des Hotels enthielt Studien des Gebäudes aus der Perspektive des Innenhofs sowie bei Tag und bei Nacht.“

CG-Studien sind auch nach Baubeginn weiterhin nützlich. Das Team verwendet sie auch, um bei der Weitergabe von Plänen an Bauunternehmer Bilder des fertigen Gebäudes als Referenz bereitzustellen. Dank CG kann das Team auch Ansichten präsentieren, die normalerweise nicht möglich wären, aus Perspektiven, die in der realen Welt nicht erreichbar sind. Das talentierte Team von Kuma nutzt CG für jeden Schritt des Designprozesses, bis ein Gebäude – und somit die Vision – fertiggestellt ist.

Megumi Yoshida

Zur Person: Megumi Yoshida

Megumi Yoshida ist eine freiberufliche Autorin, die sich auf digitale, kulturelle und unterhaltende Inhalte für Zeitschriften, Bücher und Webartikel spezialisiert hat. Sie ist außerdem festangestellte Autorin für Cocokala, eine kostenlose Zeitschrift in Japan.

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