Was ist digitale Reife? Ingenieurbüro Aurecon wagt die Transformation

Als digitaler Vorreiter stärkt Aurecon Nachhaltigkeit und Innovation durch KI und Automatisierung, erschließt Geschäftsmodelle und fördert Digitalkompetenz.

Ein Mann sitzt an einem Arbeitsplatz mit Fenster im Hintergrund und zeigt auf einen Computermonitor. Doch wie misst man digitale Reife?

Shawn Radcliffe

13. Februar 2025

Min. Lesedauer
  • Seit sieben Jahren geht Aurecon, ein internationales Ingenieur- und Beratungsunternehmen, den Weg der digitalen Transformation. Durch die richtungsweisende Umgestaltung seiner Prozesse konnte es seine digitale Reife ausbauen und nimmt im Bereich AECO damit eine Vorreiterrolle ein

  • Mit einem eigens entwickelten Framework für den digitalen Reifegrad setzt Aurecon Schwerpunkte in Schlüsselbereichen, die zur Maximierung des Kundenmehrwerts beitragen. Der Ansatz ermöglicht fundierte Entscheidungen über Investitionen in Technologien, mit denen das Unternehmen neue Geschäftsmodelle und Arbeitsweisen erschließen kann

  • Durch die digitale Transformation haben sich für Aurecon zudem neue Geschäftsmöglichkeiten im Hinblick auf klima- und energiebezogene Nachhaltigkeitsziele ergeben

Seit sieben Jahren geht Aurecon, ein internationales Ingenieur- und Beratungsunternehmen, den Weg der digitalen Transformation. Nun nähert es sich seinem nächsten wichtigen Meilenstein: der Integration generativer Künstlicher Intelligenz (KI) in seine Prozesse zur Planungsautomatisierung.

Anhand verschiedener Strategien rund um Softwareentwicklung, Automatisierung und Computational Design konnte Aurecon sein digitales Potenzial ausbauen und bei umfangreichen Projekten in Australien, Neuseeland und Asien ganz konkret davon profitieren. Zu diesen Projekten gehören etwa die Photovoltaikanlagen Dầu Tiếng 1 und 2, die den größten Solarpark Südostasiens bilden, sowie das Massivholzbauprojekt Boola Katitjin, das auf dem Gelände der Murdoch University in Perth errichtet wurde und in Westaustralien das erste dieser Art ist.

Vergangenes Jahr erreichte die digitale Transformation für Unternehmen auf der ganzen Welt einen Kipppunkt. Im 2024 State of Design & Make-Report, einer von Autodesk weltweit durchgeführten Studie unter Fach- und Führungskräften aus den Bereichen Planung und Fertigung, attestieren 64 % der Befragten ihrem Unternehmen einen hohen digitalen Reifegrad. Dieser Wert markiert einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr, in dem noch 38 % ihren Reifegrad als hoch eingeschätzt hatten.

Die Unternehmen ernten nun die Früchte ihrer Digitalisierungsinitiativen und investieren weiter in entsprechende Maßnahmen, um innerhalb der Branche mit ihren Wettbewerbern Schritt zu halten. Im Bereich Architektur, Ingenieurwesen, Bauwesen und Gebäudebetrieb (AECO) kann das etwa bedeuten, dass Unternehmen verstärkt auf Building Information Modeling (BIM), digitale Projektabwicklung oder Cloud-Dienste und -Plattformen wie Autodesk Construction Cloud setzen.

Ein Foto des Massivholzbauprojekts Westaustraliens, das Boola Katitjin auf dem Campus der Murdoch University in Perth im Sonnenschein. Ein Ergebnis digitaler Reife?
Aurecon übernahm Hoch- und Tiefbauarbeiten, Fußgängersimulationen und Verkehrsaudits und realisierte Robotikanwendungen für das erste Massivholzbauprojekt Westaustraliens, das Boola Katitjin auf dem Campus der Murdoch University in Perth. Credit: Aurecon.

Solche Bemühungen um die digitale Reife zahlen sich aus: Wie aus dem State of Design & Make-Report hervorgeht, zeigen Unternehmen, die die digitale Transformation vorantreiben, im Vergleich eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und Mitarbeitendenproduktivität sowie insgesamt stärkere Geschäftsergebnisse.

Messbare Standards für die digitale Reife

Dave Mackenzie, Managing Principal, Digital bei Aurecon, steht an der Spitze des Teams, das für die digitale Unternehmensstrategie verantwortlich zeichnet. Dessen Zuständigkeitsbereich umfasst Softwareentwicklung, Automatisierung, Computational Design sowie seit Kurzem generative KI.

Um den Fortschritt auf dem Weg der Transformation zu messen, habe man „unternehmensweite systemische Leistungskennzahlen“ festgelegt, so Mackenzie: „Damit erfassen wir den Erwerb digitaler Kompetenzen, die Umsetzung digitaler Standards und die Einführung digitaler Plattformen. Unser Ziel ist es, dass jede einzelne Person im Unternehmen umfangreiche Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien besitzt. Am Anfang der Initiative galt das für 50 % der Belegschaft, jetzt sind wir bei 100 % – einschließlich des Enterprise-Teams.“

Insbesondere im hart umkämpften AECO-Umfeld gilt: Ohne entsprechende Schulung der Mitarbeitenden kann das Potenzial digitaler Transformation nicht vollständig ausgeschöpft werden. Laut den Befragten des State of Design & Make werden die vorhandenen Kompetenzen in den Bereichen KI, digitale Planung und digitales Projektmanagement darüber entscheiden, ob AECO-Unternehmen zukunftsweisende Technologien nicht nur verwenden, sondern auch in tatsächliche Wettbewerbsvorteile umwandeln können.

Ein Mann arbeitet am Computer. Vor dem Monitor sind Bilder in einer Fotomontage überlagert, die digitale Technologien darstellen.
Um die Vorteile der digitalen Transformation zu erschließen, muss Fachkräften die entsprechende Digitalkompetenz vermittelt werden.

Die Wertschöpfung aus den erworbenen Fähigkeiten erfordert kontinuierlichen Einsatz. „Indem wir uns den Ist- und den Soll-Zustand vor Augen führten, konnten wir die Grundlage für einen kontinuierlichen Umgestaltungsprozess legen – tatsächlich beschleunigten wir ihn sogar“, erklärt Mackenzie.

Aus den anfangs formulierten globalen Zielen für die Ausbildung digitaler Kompetenzen formte sich im Laufe der Zeit ein neuer Ansatz, der die flächendeckende Erfassung des digitalen Reifegrads auf Praxisebene vorsah.

„Wir haben ein Framework für die digitale Reife mit sechs oder sieben Schwerpunkten entwickelt, die wir als wesentlich für unser Geschäft erachten“, führt Mackenzie aus. „Jede Komponente dieses Frameworks ist wiederum mit dem entsprechenden Kundenmehrwert verknüpft.“ Die Mühe hat sich ausgezahlt: „Mittlerweile reden wir nicht mehr nur über die Digitalisierung konkreter Bereiche, sondern haben Taten folgen lassen. Auf dem Weg an die Spitze unseres digitalen Reifeschemas institutionalisieren wir die neuen Arbeitsweisen und verankern sie fest in unserer Unternehmensstruktur.“

Strategische Erfolge dank digitaler Tools

Aurecon verfolgt einen systemorientierten Ansatz und konzentriert sich auf die Verknüpfung von Daten und die Schaffung einer einheitlichen Methode zu deren Handhabung, Beschreibung und Verwaltung. „Der Wert der Daten besteht in ihrem Informationsgehalt – das ist letztendlich das Produkt, für das unsere Kunden uns bezahlen,“ so Mackenzie. „Wir liefern Ergebnisse in Form von Informationen, sei es ein Entwurf, Bericht oder Ähnliches.“

Der nächste Schritt ist die Einbindung der neuesten Technologie, um innovative Geschäftsmodelle und Vorgehensweisen zu erschließen. Bei Entscheidungen über vielversprechende Investitionen – etwa fortschrittliche Automatisierungslösungen für interne sowie Kundensysteme – können Verantwortliche bei Aurecon sich an Lageberichten orientieren, die wiederum anhand des unternehmenseigenen Reifegradmodells erstellt wurden. „Auf diese Weise holen wir alle Beteiligten ins Boot und können Maßnahmen schneller umsetzen“, erklärt Mackenzie.

Aurecon hat seine Unternehmensstrategie im Laufe der Zeit immer wieder angepasst und konnte den Fokus speziell im letzten Jahr noch einmal präzisieren. „Mittlerweile verfolgen wir einen enger abgesteckten Ansatz und haben einige praktische Entscheidungen zum Bereitstellungsprozess getroffen“, erläutert Mackenzie. Diese betreffen demnach unter anderem die Liefereffizienz und die Frage der Automatisierung. „Auch KI und ihre gezielte Einführung zur Planungsautomatisierung war Gegenstand unserer strategischen Entscheidungen.“

Der digitale Evolutionsprozess des Unternehmens sei laut Mackenzie auch eine „Zusammenführung verschiedener Technologien“. Und er ergänzt: „Noch wichtiger ist aber, dass in ihm verschiedene digitale Kompetenzen zusammenkommen, die sich optimal ergänzen. Wenn wir es richtig und systematisch angehen, ebnen wir uns damit den Weg zu digitaler Reife und zu unserem Ziel, ein in dieser Hinsicht wettbewerbsfähiges Unternehmen zu werden.“

KI als Treiber digitaler Reife

Mehrere Symbole, die verschiedene Aspekte von KI zeigen, sind als Fotomontage vor einem Laptop angeordnet.
Aurecon investiert massiv in KI, um Fachkräfte durch maschinelles Lernen und Large Language Models zu unterstützen.

Die Ergebnisse des 2024 State of Design & Make-Reports zeigen, dass Unternehmen bedeutende Fortschritte bei der Einführung von KI machen. 78 % der befragten Führungskräfte sehen KI als Bereicherung für ihr Geschäft; 66 % sind überzeugt, dass die Technologie innerhalb von zwei bis drei Jahren bereichsübergreifend unentbehrlich sein wird.

Aurecon ist diesem Trend lange voraus: Bereits sechs Jahre zuvor hat das Unternehmen sich zur strategischen Integration von maschinellem Lernen entschlossen. Gerade für das Ingenieurwesen mit seiner Fülle an Daten birgt KI besonderen Mehrwert. „Bei jeder Planungsentscheidung müssen Informationen aus verschiedensten Berichten, Bohrungsdarstellungen und sonstigen Ressourcen zusammengetragen werden“, so Mackenzie. „Mithilfe von KI befähigen wir unsere Mitarbeitenden, solche Entscheidungen kurzfristig zu treffen.“

Langfristig möchte das Unternehmen auch generative KI in die Planung einbinden und hat bereits damit begonnen, Large Language Models zur Orchestrierung von Prozessen einzusetzen. „Auf diese Weise wollen wir den iterativen Zyklus straffen“, erläutert Mackenzie. „Ein Zeitaufwand von einer Woche für einen Vorgang lässt sich so womöglich auf einen Tag oder sogar wenige Minute reduzieren. Die Tragweite einer solchen Umstellung ist kaum zu überschätzen.“

Nachhaltigkeit im Fokus

Auch mit Blick auf seine Nachhaltigkeitsbemühungen profitiert Aurecon von der digitalen Transformation. Zu den Zielen des Unternehmens, das Teil der Initiative United Nations Global Compact ist, zählen das Erreichen betrieblicher Netto-Null-Emissionen bis 2025, die Umstellung auf eine elektrische Fahrzeugflotte, die weitestgehende Vermeidung von Flugreisen, die Nutzung nachhaltiger Finanzierung durch grüne Kredite und Investitionen in umweltverträgliche Projekte.

„Mit unserer derzeitigen Marktposition sind wir gut aufgestellt, um unsere Kunden dem Netto-Null-Ziel näherzubringen und einen Beitrag zur Energie- und Klimawende zu leisten“, so die Einschätzung von Mackenzie. „Wir möchten mit gutem Beispiel vorangehen, statt hinterherzulaufen. Unsere Initiativen sollen zeigen, in welche Richtung es gehen kann. Damit das gelingt, braucht es Entschlossenheit, Rechenschaftsfähigkeit und Zuverlässigkeit bei der Umsetzung unserer Ziele.“

„Von den Folgen des Klimawandels bleibt niemand verschont“, fährt Mackenzie fort. „Die Motivation für Nachhaltigkeit ergibt sich aus unserer Unternehmensphilosophie: Ideen in die Wirklichkeit umzusetzen, der Nachwelt ein Vermächtnis zu hinterlassen und unsere Lebenswelt zu verbessern. Das Ganze hat mittlerweile eine wirtschaftliche Dimension bekommen, denn auch aus geschäftlicher Sicht lohnt es sich, diesem Anspruch gerecht zu werden.“

Hindernisse auf dem Weg zu digitaler Reife

Dave Mackenzie von Aurecon in einem karierten Blazer.
Dave Mackenzie steht an der Spitze des Teams, das für die digitale Strategie von Aurecon verantwortlich zeichnet.

Neben all den Fortschritten und Meilensteinen gibt es auch Faktoren, die Aurecon die digitale Transformation erschweren. „Die größte Herausforderung besteht darin, das Tempo des Wandels mitzugehen“, stellt Mackenzie fest. „Im Allgemeinen kommen wir damit gut zurecht. Aber nach sieben Jahren zeigt sich durchaus vereinzelt Veränderungsmüdigkeit im Unternehmen.“

Sein Team sorgt dafür, dass das Unternehmen agil genug bleibt, um mit dem Wandel Schritt zu halten. Dazu gehört zum Beispiel, sich im einen Moment als Wegbereiter an die Spitze des Marktes zu setzen und im nächsten andere das Tempo vorgeben zu lassen. Bei der Umsetzung neuer Initiativen müssen Risiken abgewogen und das Timing genau abgepasst werden.

Eine weitere Herausforderung der digitalen Transformation ist die Gewinnung qualifizierter Fachkräfte. „Die anfallende Ingenieurarbeit ist immens, aber es fehlt an entsprechend ausgebildeten Leuten und insbesondere an solchen mit echter Branchenkenntnis“, so Mackenzie. „Die Frage ist also: Wie bauen wir einen qualifizierten Personalbestand auf und vermitteln Beschäftigten die nötigen Fähigkeiten, damit sie gute Arbeit leisten können?“

Entscheidender Ansatzpunkt ist der Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt. „Wir erleben derzeit die einzigartige Konstellation, dass die Themen, die Ingenieurunternehmen beschäftigen – Klimawandel und Energiewende – mit den Prioritäten junger Erwerbstätiger übereinstimmen“, erklärt Mackenzie. „Diese Chance sollten wir nutzen, Zielgruppe direkt ansprechen und ihr zeigen, dass sie solche Probleme bei uns ganz konkret angehen kann.“

Impulse für zukunftsfähigen Wandel

Im Vergleich zum Vorjahr äußern sich Führungskräfte im 2024 State of Design & Make-Report wesentlich optimistischer in Bezug auf Resilienz und Leistungsfähigkeit ihrer Unternehmen.

Aurecon teilt diese Zuversicht. „Bei uns ist viel passiert und wir hatten ein wirklich gutes Jahr“, zieht Mackenzie Bilanz. „Die digitale Transformation begleitet uns nun schon seit vielen Jahren und immer ging es um die Restrukturierung unserer Daten. Was das tatsächlich bedeutet, ist gerade in den vergangenen zwölf Monaten greifbar geworden. Das hat dem Unternehmen Aufschwung gegeben – wie ein Trojanisches Pferd haben die Eingriffe in unsere Strukturen auch andere Veränderungsprozesse angestoßen.“

Doch damit nicht genug: „Auch auf Kundenseite bemerken wir in diversen Märkten schnelle Verbesserungen bei der digitalen Reife. Unser Mindestanspruch ist es, den Marktanforderungen gerecht zu werden. Idealerweise möchten wir dem Markt aber um 20 % voraus sein. Das ist unser Leistungsversprechen an die Kunden. Mit diesem Ziel schaffen wir die Voraussetzungen für flächendeckende digitale Transformation.“

Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen bei all seinen Leistungskennzahlen überzeugen. „Wir wussten, dass wir einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht hatten“, so Mackenzie. „Jetzt geht es darum, dranzubleiben.“

Shawn Radcliffe

Zur Person: Shawn Radcliffe

Shawn Radcliffe (ShawnRadcliffe.com) lebt und arbeitet im kanadischen Ontario als freiberuflicher Journalist und Yoga-Lehrer. Sein besonderes Interesse gilt Themen aus den Bereichen Gesundheit, Medizin, Wissenschaft, Architektur, Ingenieur- und Bauwesen sowie Yoga und Meditation.

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