Ausgangssperre: Wie sich Architektur- und Planungsbüros organisieren
Im Zuge der Eindämmungsmaßnahmen zur COVID-19-Pandemie warten die gesamte Architekturbranche sowie der Bausektor in einigen Ländern noch immer auf die Wiederaufnahme der Bauarbeiten. Doch nicht für jeden ist die Ausgangssperre auch gleichbedeutend mit einem Arbeitsstopp. Unternehmen, die den digitalen Wandel aktiv vorangetrieben und in BIM investiert haben, profitieren von den Möglichkeiten zur virtuellen Zusammenarbeit. Architektur-, BIM-Beratungs- und Planungsbüros verraten uns ihre Strategien.
Beim Architekturbüro it’s favorisiert man seit der Gründung die Digitalisierung der Arbeitsmethoden, sowohl für die Abstimmung mit Bauherren und Partnern als auch intern, und sorgt damit für eine ausgewogene Verteilung der Arbeitsaufgaben zwischen den Filialen in Rom, Paris und Genf. Der in Paris ansässige Francesco Marinelli, einer der drei Mitbegründer, ergänzt lächelnd: „Es ist schon paradox, dass sich in dieser Krise die Telearbeit mit Kollegen innerhalb einer Filiale schwieriger gestaltet als mit Kollegen, die schon immer an anderen Standorten gearbeitet haben“.
Die Vorbereitungsphase ist für eine effektive Online-Zusammenarbeit entscheidend
Bei it‘s nutzt man seit vielen Jahren die Kooperationsplattform BIM 360 von Autodesk Revit und organisiert regelmäßig Videokonferenzen mit den Auftraggebern, um gemeinsam die laufenden Projekte voranzubringen. „Da keine Präsenzveranstaltungen möglich sind, ist eine gründlichere Vorbereitung auf die e-Meetings erforderlich. Zum Beispiel, indem wir Unterlagen, die wir besprechen wollen, vorab auf dem Bildschirm öffnen, um keine Sitzungszeit zu verschwenden und einen reibungslosen Austausch zu ermöglichen“, sagt Marco Teofili, BIM-Manager des Architekturbüros in Rom. „Diese Vorgehensweise ähnelt der Phase, die der Erstellung eines Modells mit dem BIM-Prozess vorangeht. Damit alles funktioniert, ist es notwendig, Unwägbarkeiten durch eine besonders sorgfältige Vorbereitung der Gespräche vorzubeugen“, ergänzt Paolo Mezzalama, Partner und Mitbegründer des Architekturbüros.
Zahlreiche Auftraggeber und Projektpartner von it‘s standen bisher der Digitalisierung sämtlicher Prozesse skeptisch gegenüber. Doch die am 9. März zunächst in Italien eingeführte Ausgangssperre konnten sie von den Vorteilen einer solchen Arbeitsorganisation überzeugen. „Die digitale Zusammenarbeit ist besonders im Hinblick auf die Datenübertragung effektiv und wird weiter optimiert werden. Andererseits ist es vor allem bei Projektbeginn schwierig, sich ohne persönlichen Kontakt zu beraten und zu arbeiten. Das Brainstorming in einem gemeinsamen Raum wird noch lange kein Auslaufmodell sein“, glaubt Marinelli. Für ihn ist diese Krise auch eine Gelegenheit, sich weiter mit der Digitalisierung an Bauvorhaben vor Ort zu beschäftigen, die in manchen Ländern wegen der Infektionsschutzmaßnahmen gerade ruhen. Sowohl der 3D-Druck als auch die Fertigbauweise bieten dafür noch erhebliche Entwicklungsmöglichkeiten.
Die Einführung von BIM-Lösungen vereinfacht das Projektmanagement
Auch die Arbeitsweise der BIM-Manager ändert sich. Rafik Remal betreibt sein Unternehmen R-BIM zwar allein, betrachtet den Austausch über Best Practices aber als eine seiner Kernaufgaben. Er übernimmt in erster Linie die Rolle des Beraters bei der Umsetzung von BIM-Lösungen für Architektur- und Ingenieurbüros sowie für den Bauherrn. „Ich stelle heute fest, dass das Dokumentenmanagement BIM 360 DOCS verstärkt eingesetzt wird. Einige Anwender, vor allem Ingenieure, die nicht am Modellierungsprozess beteiligt sind, waren möglicherweise nicht vom Nutzen dieser Plattform überzeugt. Aufgrund der Ausgangs- und Kontaktsperre waren sie jedoch gezwungen, ihre Nutzungsrechte zu aktivieren, um Dokumente online abrufen und damit arbeiten zu können.“
Andere Unternehmen, die in ihrer digitalen Transformation fortgeschritten sind, haben bereits die letzten Hindernisse für die Telearbeit beseitigt. Damit können die Gewerke, die über die Planungsplattform BIM 360 Design koordiniert werden, gemeinsam an einem oder mehreren Modellen arbeiten. „Das war für alle selbstverständlich, und ich glaube, dass die benutzerfreundliche Handhabung nach der Krise automatisch zu einer weiteren Verbreitung beitragen wird“, resümiert der BIM-Manager.
Der Einsatz der Plattform erfordert jedoch Vorbereitung und eine entsprechende Vorgehensweise. „Natürlich können wir damit nicht intuitiv arbeiten. Aber diese Lösung vereinfacht die Telearbeit, sodass wir sie bei fast allen unseren Projekten und zur Unterstützung der Autodesk-Teams einsetzen. Inzwischen arbeiten nun mehr als 77 % unserer Mitarbeiter per Remote-Verbindung“, sagt Laetitia Laquais, Gründerin von CEBATEC, einem BIM-Planungsbüro für Haustechnik. Sie fügt hinzu „diese Technologie erlaubt uns eine kontinuierliche Weiterarbeit an unseren Projekten.“
Diese durch die Ausgangssperre hervorgerufene Ausnahmesituation beschleunigt sogar manche Prozesse. „Bisher mussten wir mit der Lösung von Konflikten auf die Abschlussbesprechungen warten. Jetzt stellen wir fest, dass die Plattform eine direkte und leichtere Zusammenarbeit mit den anderen Gewerken ermöglicht, zumal hier alle auf dem gleichen Informationsstand und mit demselben Dokument arbeiten“, erklärt Laquais. Wenn die Krise vorbei ist, will sie solche Projekte von Beginn an mit dieser Methode der Zusammenarbeit umsetzen.
Ausgangssperre ohne Arbeitsstopp mit digitalem Wandel als Wachstumsfaktor
Die zur Eindämmung der Pandemie ergriffenen Maßnahmen werden zudem die internen Arbeitsabläufe und Gewohnheiten im Unternehmen dauerhaft verändern. „Wir hatten befürchtet, dass die Telearbeit unserem Zusammenhalt schaden würde, aber es herrscht ein toller Teamgeist“, gesteht die Geschäftsführerin von CEBATEC und ergänzt: „Diese neuen Prozesse und Instrumente, deren Möglichkeiten wir noch nicht in vollem Umfang ausschöpfen können, zeigen, dass uns die Telearbeit auf andere Weise voranbringt.“ Die Arbeit im gemeinsamen virtuellen Raum beeinflusst ebenfalls die Personalpolitik des Unternehmens, das nun neue Fachkräfte außerhalb der Städte Lyon, Clermont-Ferrand und Saint-Etienne, in denen CEBATEC bereits präsent ist, anwerben will. Damit bietet sich auch eine interessante Alternative zur Lösung der Probleme, die ein Ortswechsel gerade für Mitarbeiter mit Familie mit sich bringt. Laquais spricht aus eigener Erfahrung, wenn sie sagt: „Es ist schon bemerkenswert, welche neuen Möglichkeiten diese Krise eröffnet“.