Bird Paradise in Singapur: Wie BIM und digitale Zwillinge für Naturnähe sorgen

Mithilfe moderner Technologien wie BIM und dem digitalen Zwilling hat Obayashi mit dem Bird Paradise ein naturnahes Vogelparadies in Singapur realisiert.


Bird Paradise Singapore under construction, aerial view.

Credit: Obayashi Corporation.

Bird Paradise Singapore under construction, aerial view.

Yasuo Matsunaka

15. Juli 2024

Min. Lesedauer
  • Das Mandai Wildlife Reserve in Singapur bietet Naturliebhabern gleich mehrere Wildtierparks, darunter das 17 Hektar große Bird Paradise.

  • Um alle Prozesse zu optimieren und die Nachhaltigkeit zu erhöhen, setzte Obayashi Singapore Pte Ltd beim Bau der komplexen Anlage auf eine integrierte BIM-Umgebung, den digitalen Zwilling, Drohnen und 3D-Scanner.

  • Die umweltverträgliche Umsetzung des anspruchsvollen Vorhabens, einschließlich einer riesigen netzüberspannten Voliere, erforderte eine umfassende digitale Koordination.

Die Mandai Wildlife Group betreibt im Norden von Singapur mit dem Mandai Wildlife Reserve ein Ausflugsziel der Superlative, zu dem gleich mehrere Attraktionen gehören. Neben dem Singapore Zoo, Night Safari und River Wonders hat nun auch ein eigener Vogelpark mit dem vielsagenden Namen Bird Paradise seine Pforten geöffnet. Auf dem knapp 17 Hektar großen Gelände erwarten die Besucher im Bird Paradise unter anderem begehbare Volieren, die verschiedene Lebensräume des Planeten nachbilden und Vogelarten wie den Rosalöffler, den Scharlach-Ibis, den Kubaflamingo und den Milchstorch beherbergen.

Dass das Bird Paradise direkt an ein Naturschutzgebiet grenzt, ist einerseits besonders passend. Auf der anderen Seite ergaben sich durch die privilegierte Lage besondere Anforderungen an die Planung und den Bau der weitläufigen und komplexen Anlage. Außerdem sollten organische Gestaltungselemente integriert werden, ohne mehr als nötig in die natürliche Topographie des Geländes einzugreifen.

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Der Vogelpark Bird Paradise beherbergt Aras und andere Papageien. Credit: Obayashi Corporation.

Um den hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeit gerecht zu werden und die Zusammenarbeit zwischen allen Projektbeteiligten zu verbessern, setzte das Unternehmen Obayashi Singapore Pte Ltd, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Obayashi Corporation, auf modernste digitale Technologien. „Dreh- und Angelpunkt für alle Projektbeteiligten bildete ein digitaler Zwilling, der seine Daten direkt von einer einzigen Quelle der Wahrheit (Single Source of Truth, SSoT) bezog“, erklärt Shusaku Kawamoto, Geschäftsbereichsleiter der Digital Transformation Division der Obayashi Corporation und Innovationsleiter des Asia Digital Lab in Singapur.

Mit Unterstützung einer integrierten BIM-Umgebung konnten nicht nur die gesamte Projektentwicklung, Planung und die Bauabläufe koordiniert, sondern auch die Baustelleninspektionen effizient durchgeführt werden. Virtuelle Planungs- und Ausführungsprozesse stellten sicher, dass alle Maßnahmen mit minimalen Umweltauswirkungen umgesetzt werden konnten.

Vom digitalen Abbild der Natur zum digitalen Zwilling

Landschaftsgestaltung der Reisfelder im Vogelparadies Singapur
Um die Massenbilanz der Erdarbeiten zu optimieren, erfolgten die Planungen für den Aushub auf der Grundlage einer Drohnenvermessung. So konnten terrassierte Reisfelder und andere Landschaftselemente auf geländeschonende Weise angelegt werden. Credit: Obayashi Corporation.

Die Herausforderungen bei der virtuellen Planung und baulichen Umsetzung des Bird Paradise konnten laut Projektleiter Patrick Chia optimal bewältigt werden, indem alle Teams bei Obayashi Singapore Autodesk Revit und Autodesk Navisworks einsetzten. „Das Wichtigste ist, dass die digitale Welt genau mit der realen Umgebung übereinstimmt. Das erreicht man nur, wenn alle Projektbeteiligten durchgängig zusammenarbeiten. Nur dann können die Daten aller Beteiligten zu einer einzigen Quelle der Wahrheit verschmelzen, sodass wir die Vorteile des digitalen Zwillings voll ausschöpfen können.“

Am Anfang stand dabei die Aufnahme eines hochgenauen digitalen Geländemodells mit Drohnen und 3D-Scannern – die ideale Technologie für das große und unwegsame Areal. Die dabei gewonnenen Daten wurden in Revit verarbeitet. Mit Autodesk ReCap Pro wurden unter anderem Punktwolken, Orthomosaikbilder, Toposurface-Modelle und 3D-Konturlinien für nachfolgende Anwendungen erzeugt.

„Anstelle der herkömmlichen Vermessungsverfahren haben wir für die sehr umfangreichen Geländeaufnahmen eine Drohne eingesetzt und konnten mit dieser Technologie ein vollwertiges digitales Geländemodell erstellen“, erklärt Paul Andaya, BIM-Manager für das Projekt. „Mit Revit und Dynamo konnten wir die Unterschiede zwischen den vorhandenen und geplanten Höhen gut analysieren. Dadurch ließen sich nicht nur die Erdbewegungen zwischen Aushub und Aufschüttung optimieren, sondern auch die Baggerarbeiten und die Entsorgung von Bodenmaterial auf ein Minimum reduzieren. Auf diese Weise sind beispielsweise diese wunderschönen terrassierten Reisfelder entstanden, die perfekt in das Gelände passen.“

Um den Lebensraum der Vögel so gut wie möglich zu schützen, spielten die Umweltverträglichkeit und die Nachhaltigkeit des Projekts eine große Rolle. „Wir nutzten die Orthomosaik-Bilder der Drohnenaufnahmen zusätzlich zur Dokumentation des Originalzustandes des Geländes. Diese können wir mit den geplanten Maßnahmen genau überlagern und so sicherstellen, dass Eingriffe in die Natur vermieden werden“, so Andaya. „Ohne digitalen Zwilling wäre es ungleich schwieriger, die Umweltauswirkungen der einzelnen Bauphasen zu überwachen.“

„Die Kombination aus Punktwolken und der integrierten BIM-Umgebung in Navisworks ermöglichte uns eine vollständige Visualisierung des Projekts. So konnten wir kritische Probleme noch während der Planung identifizieren und lösen“, zeigt sich Andaya zufrieden. So wurde der Entwurf, der ursprünglich als Tonmodell vorlag, mit einem 3D-Laserscanner in ein 3D-Oberflächengitter umgewandelt und für die nahtlose Integration mit BIM optimiert, um die Grundlage für einen digitalen Zwilling zu bilden.

„Alle liebten dieses Werkzeug. Es half Bauherrn ebenso wie den Fachplanern und den Subunternehmern dabei, die Qualität des Entwurfs zu beurteilen und eine reibungslose Koordination sicherzustellen. Außerdem erleichterte es die Erstellung detaillierter und schematischer Zeichnungen und die Mengenermittlung“, erklärt Andaya.

Auch außergewöhnliche Aufgabenstellungen konnten optimal gemeistert werden. So sollten die tragenden Elemente und die Leitungen der technischen Gebäudeausrüstung innerhalb eines natürlich geformten Felsblocks verlaufen, der in einem Wasserbecken platziert werden sollte. Dank Laserscanning, Autodesk 3ds Max und Navisworks konnten auch hier Interferenzen zwischen den Fachplanungen aufgelöst werden. Sämtliche Zeichnungen und Fertigungsleistungen, die auf der Grundlage der SSoT erstellt wurden, erreichten eine exzellente Qualität.

Wie man die Vorteile des digitalen Zwillings voll ausspielt

Split-Image des digitalen Zwillings, der MEP-Systeme (links) für Unterwasser-Felsstrukturen (rechts) im Vogelparadies Singapur zeigt
Auch wenn die natürliche Form eines Felsens alles andere als geradlinig ist – anhand des digitalen Zwillings konnten alle tragenden Teile und technischen Systeme in dem komplexen Gebilde sicher geplant und ohne Probleme installiert werden. Credit: Obayashi Corporation.

Der digitale Zwilling war nicht nur die ideale Grundlage, um Probleme im Entwurfsprozess zu lösen, sondern erleichterte auch die Bauausführung. Zu den Visionen, die mithilfe dieser Technologie in die Realität umgesetzt wurden, zählte unter anderem eine komplexe und durchwanderbare Freiluftvoliere, die von einem gigantischen Netz überspannt wird. Damit die Vögel sich darunter fast ungehindert in die Lüfte schwingen können, kamen Stahlstützen mit der Höhe eines achtstöckigen Gebäudes zum Einsatz.

Die Koordinierung des Entwurfs und der Installation der schrägen Stützen und Fundamente war äußerst komplex und erforderte eine Positionierung und Ausrichtung entlang mehrerer Achsen. Sobald dabei ein Problem auftauchte, wurde das Tragwerksmodell in Navisworks angepasst und Bauzeichnungen wurden auf Grundlage der Daten aus der SSoT erzeugt. Schließlich sorgte die Ergänzung von BIM durch bewährte ingenieurtechnische Methoden für eine allzeit präzise Zusammenarbeit unter Erfüllung sämtlicher Anforderungen an das Projekt. Für die Penguin Cove, ein besonders immersives Erlebnis mit einem Unterwasser-Seetangwald und felsigen Stränden, wurden 23 bis zu zehn Tonnen schwere, massive Paneele verwendet. Jedes Detail findet sich im digitalen Zwilling wieder. So konnte das Modell die Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Ressourceneffizienz des Projekts steigern.

Auch im Baustellenalltag kam der digitale Zwilling als SSoT zum Einsatz. Die Aufmaße, die mit optischen Geräten und Laserscannern angefertigt wurden, wurden mit dem Modell verglichen, um die genaue Übereinstimmung mit dem digitalen Zwilling sicherzustellen.

„Wir wollten unbedingt, dass alle ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, auf das sie hinarbeiten konnten“, so Andaya. „Zum Glück waren alle Beteiligten überaus motiviert und engagiert, sodass der digitale Zwilling eine verlässliche Grundlage wurde, mit der sie gerne zusammenarbeiteten. Das Projekt beweist, dass jeder von einer konsolidierten und einheitlichen Informationsquelle profitieren kann.“

Yasuo Matsunaka

Zur Person: Yasuo Matsunaka

Yasuo Matsunaka spielt Keyboard und liebt Filme, die im Weltall spielen. Außerdem ist er Redakteur bei Redshift Japan und Content Marketing Manager bei Autodesk Japan.

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