BuildX Studio entwickelt nachhaltigen Wohnraum in Nairobi
- Experten gehen davon aus, dass sich Afrikas Bevölkerung bis 2050 verdoppeln und für 35 % aller weltweiten Neubauprojekte verantwortlich sein wird
- Unter dem Namen Zima Homes entwickelt das einheimische Architektur-, Ingenieur- und Bauunternehmen BuildX Studio Wohnflächen in Kenia, die sowohl die Umwelt als auch den Geldbeutel schonen. Das Projekt umfasst 137 Wohneinheiten, die im Durchschnitt knapp 23.000 US-Dollar (ca. 21.000 Euro) kosten sollen
- Nach dem ersten Spatenstich im Juni 2022 soll das Projekt Anfang 2024 abgeschlossen werden – mitsamt EDGE-Zertifizierung und einer Kohlenstoffeffizienz von rund 60 %
Fortschritte in puncto Infrastruktur, ein Überschuss an Arbeitskräften, eine aufstrebende Mittelschicht, eine immer stärker diversifizierte Wirtschaft, eine zunehmend demokratisch orientierte Gesellschaft und der freie Handel haben das nötige Fundament für die Entstehung neuer Wohnsiedlungen in Afrika gelegt. Ernst & Young bezeichnet den Kontinent gar als „einen der letzten Schwellenmärkte“ für globale Investoren. Dass auch diese Medaille eine Kehrseite hat, zeigt das Beispiel Kenia: Daten der Weltbank zufolge verzeichnete das Land zwischen 2015 und 2019 ein im Vergleich zu benachbarten Staaten und anderen Ländern mit ähnlichem Einkommensniveau überdurchschnittlich schnelles Wirtschaftswachstum von 4,8 % pro Jahr – und dennoch lebt nach wie vor mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Armut.
„Tiefgreifende politische und wirtschaftliche Reformen haben in den letzten zehn Jahren zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum, der sozialen Entwicklung und der politischen Stabilität des Landes beigetragen“, heißt es in einem Bericht der Weltbank. Dennoch stehe man weiterhin vor erheblichen entwicklungspolitischen Herausforderungen, darunter Armut, soziale Ungleichheit, Jugendarbeitslosigkeit, mangelnde Transparenz und Verantwortlichkeit seitens der Politik, Klimawandel, geringe Investitionen in den Privatsektor und eine für interne wie auch externe Krisen anfällige Wirtschaft.
Bei dem in Nairobi ansässigen Architektur-, Ingenieur- und Bauunternehmen BuildX Studio geht man davon aus, dass diese Herausforderungen in den kommenden Jahrzehnten noch zunehmen werden. Denn: Prognosen zufolge wird sich die Bevölkerung Afrikas bis 2050 verdoppeln und für 35 % aller weltweiten Neubauprojekte verantwortlich sein. Vor diesem Hintergrund hat das Team von BuildX Studio beschlossen, in der kenianischen Hauptstadt Nairobi nachhaltige und bezahlbare Wohnsiedlungen zu entwickeln, die der Region zu einem verantwortungsvollen und sozial gerechten Wachstum verhelfen sollen. „Was wir heute aufbauen, wird das Afrika von morgen und seine Gesellschaft entscheidend prägen“, so Elizabeth Wangeci Chege, Mitglied des BuildX-Vorstands und stellvertretende Vorsitzende des World Green Building Council, im BuildX Impact Report 2021 (PDF, S. 22). „Unternehmen wie BuildX Studio leisten in Ostafrika mit innovativen Lösungen für kohlenstoffarme und gesundheitlich unbedenkliche Gebäude echte Pionierarbeit.“
Beispielhaft für das Engagement von BuildX steht das Projekt Zima Homes. Unter diesem Namen entsteht am Stadtrand von Nairobi eine Wohnanlage mit 137 Studio-, Ein- und Zweizimmerwohnungen. Das Besondere daran: Sie alle werden auf umweltfreundliche Weise gebaut und kosten durchschnittlich nur 23.000 US-Dollar (ca. 21.000 Euro).
„Wir legen großen Wert auf Chancengleichheit. Die Wohnungen sollen möglichst vielen Menschen eine Unterkunft und ein Stück mehr Lebensqualität bieten“, so Munene Mathenge, Geschäftsführer von BuildX. „Uns ist es wichtig, in Zusammenarbeit mit unseren Kunden eine Welt zu schaffen, in der Bauprojekte weit bessere Ergebnisse liefern als bisher. Dazu braucht es zum einen klügere Energie- und Materialentscheidungen. Zum anderen müssen wir den Kunden aber auch helfen, die damit einhergehenden Veränderungen zu verstehen und sich entsprechend anzupassen.“
Ein ganzheitlicher Ansatz für Wohnsiedlungen in Nairobi
Nach dem ersten Spatenstich im Juni 2022 und dem Erhalt einer vorläufigen EDGE-Zertifizierung plant BuildX, das Projekt Anfang 2024 fertigzustellen.
Die Pläne für Zima Homes entstanden zu Beginn der COVID-19-Pandemie. Architektin Etta Madete Mukuba, die bei BuildX die Abteilung für bezahlbaren Wohnraum leitet und zu den Mitbegründerinnen des Projekts gehört, erinnert sich: „Damals wurde uns klar: Jeder ist zuhause, aber viele Menschen leben in unzumutbaren Verhältnissen.“ Tatsächlich sei die Isolierung in den eigenen vier Wänden für Menschen, die in Häusern ohne gute Belüftung oder natürliches Licht leben, eher schädlich als gesund. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, rief das BuildX-Team Zima Homes ins Leben. Namensgeber des Wohnbauprojekts ist das suahelische Wort „Zima“ das so viel wie „holistisch und gesund“ bedeutet. Und der Name ist Programm: Zima Homes wurde für junge, einkommensschwache Einwohner konzipiert und verfolgt in Sachen Nachhaltigkeit einen durch und durch ganzheitlichen Ansatz. „Es geht bei Weitem nicht nur darum, die Natur in die Gebäude einfließen zu lassen", betont Mukuba.
So setzt das Team zur Gewährleistung des thermischen Komforts beispielsweise auf Solararchitektur. „Im Idealfall müssen die Bewohner weder die Klimaanlage benutzen noch das Licht einschalten“, erläutert Mukuba. Aus diesem Grund habe man unter anderem auf eine Querlüftung und große Fenster mit Sonnenschutzvorrichtung geachtet. „Viele neue Gebäude in Nairobi bestehen zu großen Teilen aus Glas. Doch in einem tropischen Klima sind solche Gebäude im Wesentlichen so etwas wie eine Art Sauna. Dementsprechend braucht man jede Menge Klimaanlagen, die natürlich einiges an Strom verbrauchen und alles andere als umweltschonend sind.“
Die von BuildX entwickelten Wohnsiedlungen werden stattdessen eine Vielzahl nachhaltiger Merkmale aufweisen, darunter Regenwassersammelanlagen und hocheffiziente Wasserarmaturen, Solarpaneele zur Versorgung der Gemeinschaftsbereiche mit sauberer und erneuerbarer Energie (auch die Wohnungen selbst sind mit den nötigen Vorrichtungen versehen, sodass die Eigentümer sie später auf Wunsch und eigene Kosten problemlos ebenfalls mit solchen Paneelen ausstatten können), eine Gartenanlage und eine begrünte Dachterrasse. Außerdem werden die Wohnungen über Balkone und geräumige Korridore verfügen, die gleichzeitig als Gemeinschaftsräume dienen sollen.
Auch bei der Wahl der Materialien wird Nachhaltigkeit großgeschrieben: Ein Großteil der Bauteile – darunter beispielsweise Wandpaneele und Balkendecken – wird lokal beschafft und vorgefertigt. „Vorgefertigte Materialien sind nachhaltiger als herkömmliche Alternativen, da sie kürzere Bauzeiten ermöglichen und sich die Qualität in der Fabrik prüfen lässt“, erklärt Mukuba. „Außerdem ist der Ansatz skalierbar. Hat man ein Bauteil einmal angefertigt, lässt es sich problemlos im Rahmen anderer Projekte reproduzieren. Das reduziert im Endeffekt den Materialverbrauch.“
Für den BuildX-Architekten Wekesa George liefert Technologie den Schlüssel zum Erfolg: „Um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müssen wir die entsprechenden Daten nachverfolgen und überprüfen können. Mit der richtigen Technologie ist das ein Kinderspiel.“
In der Planungsphase erwies sich vor allem Autodesk Revit als wichtiges Hilfsmittel: Mithilfe der Lösung war das BuildX-Team in der Lage, digitale Modelle verschiedener Entwürfe zu erstellen, um diese im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit gegeneinander abzuwägen. So konnten die Architekten beispielweise ermitteln, wie sich der Einsatz von Holzbalkendecken anstelle von herkömmlichen Betonalternativen auf den CO2-Fußabdruck und die Betriebseffizienz der Gebäude auswirken würde, und berechnen, wie man möglichst viel Material einsparen könnte, ohne deren strukturelle Integrität zu gefährden.
„Auf diese Weise konnten wir innerhalb kürzester Zeit verschiedene innovative Lösungen auf den Prüfstand stellen, was einen wichtigen Beitrag zur Effizienz unserer Designiterationen geleistet hat“, fährt Mukuba fort. Seiner Meinung nach könnten Technologien wie Künstliche Intelligenz und Generatives Design BuildX helfen, im Zuge des Wachstums des Architekturbüros den Designprozess zu automatisieren. „Bis 2030 wollen wir 10.000 bezahlbare Wohnungen errichten. Die Automatisierung wird dabei zweifellos eine ganz entscheidende Rolle spielen.“
Kenia als Vorreiter mit geschlechtergerechten Baustellen
Die Devise von BuildX lautet: Was gut für die Umwelt ist, ist auch gut für den Menschen. Das Team ist überzeugt, dass Inklusion und Gerechtigkeit Hand in Hand mit Nachhaltigkeit gehen. „Nachhaltiger Wohnraum ist bezahlbarer Wohnraum“, so Georges Überzeugung. Der typische Ansatz zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum setze Einbußen in Sachen Größe und Qualität voraus, wohingegen nachhaltige Ansätze auf mehr Effizienz abzielen würden. „Natürlich kostet eine kleinere Wohnfläche auch weniger. Aber man hat noch viele andere Möglichkeiten, das Endergebnis zu verbessern.“
Bei BuildX legt man nicht nur Wert auf die Gleichberechtigung und Inklusion der zukünftigen Bewohner von Zima Homes – sondern auch auf die der Arbeitskräfte, die an der Errichtung der Wohneinheiten beteiligt sind. Das 18-monatige Projekt hat 650 Arbeitsplätze geschaffen, darunter 100 für Menschen mit geringem Einkommen. Einige dieser Arbeitsplätze werden von Absolventinnen von Buildher besetzt, einer gemeinnützigen Partnerorganisation von BuildX, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, jungen, benachteiligten kenianischen Frauen eine staatlich anerkannte Ausbildung im Baugewerbe zu ermöglichen, um ihre finanziellen Aussichten zu verbessern und die Geschlechtergleichstellung in der Branche zu fördern.
„Hierzulande wurden Frauen im Baugewerbe bisher stark diskriminiert“, erklärt Mukuba. Gerade deshalb achte man bei BuildX stets auf geschlechtergerechte Baustellen wie etwa eigene Toiletten für Frauen und Maßnahmen zur Verhinderung von Belästigung. „Auch auf dem Wohnungsmarkt ist die Situation nicht anders. In Kenia besitzen nur 1 % aller Frauen Grundstücke oder Eigenheime, was verrückt ist, wenn man bedenkt, dass wir die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Um das zu ändern, wollen wir mit unseren Wohnungen vor allem Frauen und andere Menschen erreichen, die sonst nicht unbedingt die Chance auf ein Eigenheim hätten. Wichtig ist uns auch, dass immer eine Vertreterin oder Verkäuferin anwesend ist, um im Zweifelsfall die Unterlagen mit den Leuten durchzugehen.“
Langfristig sollen die innovativen Wohnsiedlungen jedoch nicht nur der kenianischen Bevölkerung ein sichereres Dach über dem Kopf bieten. Vielmehr erhofft sich das Team, damit in der weltweiten Baubranche ein Umdenken in Richtung Erschwinglichkeit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit anzustoßen.
„Die Planung und Umsetzung nachhaltiger Wohnsiedlungen ist eine Sache“, so George. „Die größte Herausforderung besteht aber darin, die Leute davon zu überzeugen, dass es tatsächlich möglich ist, zu diesem Preis ein Gebäude mit all diesen Eigenschaften umzusetzen. Solche unkonventionellen Ideen finden nur schwer Anklang. Außerdem gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Bemühungen, die aber leider erfolglos blieben. Insofern müssen wir noch eine gewisse Überzeugungsarbeit leisten.“