Studenten packen an – 4 systemrelevante Maßnahmen aus der Universitätswelt

Mit Gesichtsschildern aus dem 3D-Drucker und Apps unterstützen Studenten weltweit diejenigen, die derzeit auf besonderen Schutz angewiesen sind.

Studenten Projekte 3D-Druck

Carolin Werthmann

5. Mai 2020

Min. Lesedauer

Die Universitäten sind geschlossen, die Lehrveranstaltungen in den digitalen Raum verlegt. Mit diesen 5 Projekten wollen Studenten und Universitäten nun diejenigen unterstützen, die während Corona auf besonderen Schutz angewiesen sind.

1. Schutz aus dem 3D-Drucker in Dresden

A health care worker wears PPE including surgical gown, gloves, mask, and a plastic face shield.
Viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen kooperieren, um Gesichtsschutz für Krankenhauspersonal, aber auch Feuerwehrleute herzustellen. Credit: Feuerwehr Dresden

Schutzausrüstung zu beschaffen, galt in den vergangenen Wochen als eine der wichtigsten Aufgaben der Gesundheitsministerien in diesen von wichtigen Aufgaben geprägten Zeiten. Denn das Material derjenigen, die es am dringendsten benötigen, ist knapp geworden. Ärzte, Krankenhauspersonal, Rettungskräfte – sie stehen in unmittelbarem Kontakt zu Covid-19-Erkrankten und sind damit einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich zu infizieren. Diesem Engpass der Schutzkleidung entgegenwirken möchte eine Kooperation aus Technischer Universität Dresden, Dresden-Concept und biosaxony e. V., dem gesamtsächsischen Verband für Biotechnologie und Medizintechnik. Mehr als 3.000 Kunststoffvisiere hat das Projekt- und Forscherteam bereits an Kliniken, aber auch an Feuerwehr und Arztpraxen überreicht. Hergestellt wurden die Produkte im 3D-Druck- und Spritzgießverfahren.

3D printed face shield with a clear plastic face guard mounted on a green headband.
Schutzschild des Forscherverbunds TU Dresden, biosaxony e. V. und Dresden-Concept. Credit: Axel Spickenheuer, Leibniz I

Mit langen Tag- und vielen Nachtschichten konnten die Wissenschaftler innerhalb kurzer Zeit auf den Bedarf reagieren. Die beteiligten Institute griffen dafür auf CAD-Dokumente der Open-Source-Plattform „3D Printing Media Network“ zurück. Diese Dokumente benötigt man für die Produktionsschritte eines 3D-Drucks. Doktoranden und Mitarbeiter der Uniklinik, TU Dresden und des biosaxony e. V. führen einen Qualitätscheck durch, desinfizieren das Material und bereiten es für die Verteilung vor.

Dankbar für die Unterstützung zeigt sich Michael Klahre, Pressesprecher der Feuerwehr Dresden: „Die gelieferten Gesichtsvisiere sind ein wichtiges Element bei der täglichen Arbeit im Rettungsdienst.“ Und weiter: „Insbesondere bei der präklinischen Intubation beatmungspflichtiger Patienten, bei der Absaugung von Sekreten, sowie auch bei der Abstrichnahme im Nasen-, Mund- und Rachenbereich bieten diese Gesichtsvisiere einen effektiven Schutz vor möglichen Infektionen.“

2. Gesichtsschilder aus Warwick

Rows of 3D printed blue face shield holders lined up on a table.
Die fertig produzierten Halterungen in blauer Farbe. Credit: Elizabeth Bishop

Ähnliches, was das Forscherkollektiv aus Dresden macht, leistet auch Elizabeth Bishop in England. Bishop ist Doktorandin an der Warwick University und spezialisiert auf Additive Fertigung. In einem Team aus mehreren Studierenden des Ingenieurwesens produziert sie im Large-Scale Fused Deposition Modelling – im großformatigen 3D-Druck mit Kunststoff – Bauteile für Gesichtsschilder, die das Institut an das National Health Service Großbritanniens weiterreicht. Bishop und ihre Kollegen drucken Kopfhalterungen und Armierungen in unter vier Minuten pro Element.

In unter vier Minuten können die Stirnbänder für die Gesichtsschilder gedruckt werden. Credit: Elizabeth Bishop

Entworfen hat Bishop das Design der Schilde parametrisch in Autodesk Fusion 360, sodass der Entwurf auch unabhängig von verschiedenen Düsengrößen der Drucker funktioniert. Bishop betont allerdings, dass ihre Gesichtsschilder keine CE-Kennzeichnung tragen. „Sie sollten eher als sekundäre, zusätzliche Schutzschicht verwendet werden oder in Notfällen, wenn keine CE gekennzeichneten Alternativen vorhanden sind“, rät sie.

3. Design-Wettbewerb in Stanford

3D model of a respirator mask design adapted from a scuba mask.
3D-Modell einer Maske der Zukunft. Credit: Edilson Matias Junior

Weniger auf die Produktion als zunächst auf den Entwurf von Schutzmasken konzentriert sich die Stanford University in Kalifornien mit einer Wettbewerbsausschreibung für Studierende weltweit. Die Tauchermasken des französischen Herstellers Decathlon sollen die Grundlage dafür sein. Sie waren bereits in den vergangenen Wochen von Unternehmen wie dem italienischen Start-up Isinnova umgebaut worden, um dem Bedarf an Schutzausrüstung nachzukommen.

Eine Arbeitsgruppe in Stanford sammelt in Kooperation mit dem Autodesk Ambassador Hub nun Ideen, wie Masken dieser Ausgangsform umgestaltet, für medizinisches Personal einsatzfähig gemacht werden können – und bereits in Vorausschau auf eine nächste mögliche Pandemie durchdacht sind. Die herkömmlichen Tauchermasken sitzen eng am Kopf und kleben dicht am Gesicht. Trägt man sie mehrere Stunden, sind Kopfschmerzen und Sauerstoffmangel nicht unwahrscheinlich. Das neue Modell sollte also bequem und wiederverwendbar sein und zugleich die Anforderungen einer N95- bzw. FFP2-Atemschutzmaske erfüllen. Einen Schnorchel brauchen die Masken nicht, dafür aber einen Filter, der Tröpfchen abfängt, die Viren wie SARS-CoV-2 übertragen könnten.

4. Prävention per App vom VDI

Ende März organisierte die deutsche Bundesregierung einen Hackathon unter dem Hashtag #WirvsVirus und mit dem Ziel, verschiedenste Lösungen im Kampf gegen das Coronavirus digital zu generieren. Jeder, der an einer Teilnahme interessiert war und Ideen einbringen wollte, konnte ein Team gründen und innerhalb von 48 Stunden ein Konzept entwerfen oder den ersten Prototypen einer App programmieren.

Unter den 28.361 Teilnehmern des Hackathons waren auch 15 Studierende und Jungingenieure des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Angestoßen von Andreas Stutz, Entwicklungsingenieur bei Siemens, konzipierte ein Team aus Softwareentwicklern, Informatikern, Naturwissenschaftlern, Maschinenbauern und Ingenieuren die App „Deeper“. Mithilfe dieser App soll der Nutzer den Krankheitsverlauf kontrollieren und herausfinden können, ob er sich in Gebieten mit erhöhter Infektionsgefahr aufgehalten hat.

Die App ist eine Kreuzung aus der vom Robert-Koch-Institut entwickelten Corona-Datenspende, der CovApp der Berliner Charité, die ebenfalls Symptome des Nutzers abfragt und am Ende eine Handlungsanweisung generiert, sowie der in Deutschland geplanten dezentralen Kontakt-Tracing-App. Weil es all diese Ansätze schon gibt, hat sich das Team um Andreas Stutz und Torben Deppe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der RWTH Aachen, entschieden, lediglich seinen wahrscheinlichkeitsbasierten Algorithmus auf einer Open-Source-Plattform anderen Entwicklern zur Verfügung zu stellen.

Auf die Frage, warum so viele Ingenieure an der App-Entwicklung beteiligt waren, antwortet Stutz: „Einige von uns haben beruflich mit Softwareentwicklung zu tun, ich selbst arbeite im Forschungsbereich für zukünftige Architekturen für Prozessleitsysteme. Viele unserer Studenten entwickeln während des Studiums Software.“ Jedoch kämen die Kenntnisse und Kompetenzen überwiegend von Tätigkeiten und Eigeninitiativen, die außerhalb des Studiums erlangt wurden, fügt Stutz hinzu.

Carolin Werthmann

Zur Person: Carolin Werthmann

Carolin Werthmann hat Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften an der Universität Konstanz studiert, absolvierte ein Volontariat beim Callwey Verlag für Magazinjournalismus mit den Schwerpunkten Architektur und Restaurierung und spezialisierte sich an der Hochschule für Fernsehen und Film München und der Bayerischen Theaterakademie auf Kulturjournalismus. Sie schreibt u. a. für die Süddeutsche Zeitung.

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