Als der chinesische E-Commerce-Gigant Alibaba im Jahr 2014 sein Börsendebut gab, steckte die Idee der industrielle Branchenkonvergenz für größere Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Es handelte sich damals um den größten Börsengang aller Zeiten und er löste eine Flut von Spekulationen darüber aus, welche Auswirkungen dieser Schritt wohl auf die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung und die Weltwirtschaft im Allgemeinen haben würde.
Bei der Durchsicht des verheißungsvollen Firmenkonzepts von Alibaba stellten Analysedienstleister wie etwa IDC (Interactive Data Corporation) fest, dass der Begriff „Ökosysteme“ dort über 150-mal Verwendung fand. Dies sollte potenziellen Investoren den Eindruck vermitteln, dass Ökosysteme für das zukünftige Wachstum und die Entwicklung des Unternehmens unerlässlich seien.
Es ist allseits bekannt, dass Ökosysteme im ökologischen Kontext von grundlegender Bedeutung sind, da sie es den in ihnen lebenden Organismen ermöglichen, unter den jeweils herrschenden Umweltbedingungen zu interagieren und zusammenzuarbeiten. Lebewesen innerhalb eines Ökosystems beeinflussen ihr Verhalten gegenseitig, indem sie auf demselben Terrain konkurrieren. Sie nutzen aber auch symbiotische Beziehungen, teilen Ressourcen und gehen Kompromisse ein, um zu gedeihen und sich weiterentwickeln. Wird das Ökosystem durch externe Faktoren gestört, passen sich die Organismen oft gemeinsam an.
Ein aktueller von der IDC veröffentlichter Bericht besagt nun, dass der Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens maßgeblich von der Nachahmung der natürlichen Welt abhängt. Haben sich früher Unternehmen wie Einzelgänger in ihrem branchenspezifischen Bereich abgeschottet, erfordern die schnelllebigen Veränderungen der heutigen Märkte von ihnen, als Teil eines „Branchen-Ökosystems“ zu interagieren und zusammenzuarbeiten, um gemeinsam zu überleben und zu wachsen.
Des Weiteren lieferte der Bericht folgende Ergebnisse:
Weltweit identifizierten 60 % der Unternehmen Industrie-Ökosysteme als die wichtigsten Investments, um Erfolg und Resilienz langfristig sicherzustellen
Mit Ablauf des Jahres 2022 wird die Branchenkonvergenz eine Innovationsrate bei der Markteinführung neuer digitaler und physischer Produkte und Dienstleistungen aufweisen, die um 40 % höher liegt als bei herkömmlichen Innovationsansätzen
Derzeit beteiligen sich 45 % aller Fertigungsunternehmen an Industry Clouds und 26 % betreiben Marktplätze, die kommerzielle Transaktionen mit Dritten ermöglichen
Laut Giulia Carosella, die bei IDC für den europäischen Markt im Bereich Digital Transformation Practice verantwortlich ist und die Studie maßgeblich betreut hat, können Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit Partnern in digitalen Ökosystemen ihre Wertschöpfung und Resilienz steigern, Innovationen begünstigen und auf Risiken und Möglichkeiten früher und besser reagieren. „Die Open Manufacturing Platform (OMP) ist ein gutes Beispiel für die weltweite Zusammenarbeit von Unternehmen zur Verbesserung der Innovationsrate durch den Austausch von Informationen und Erkenntnissen sowie den Zugang zu neuen Technologien.“
Ein prominentes Beispiel für einen Markt, der sich schon früh die Vorteile der Branchenkonvergenz zu eigen gemacht hat, ist Japan. Gemäß einer im Jahr 2020 durchgeführten Studie der Japan External Trade Organization JETRO seien japanische Unternehmen zwar hartnäckige Konkurrenten, allerdings neigten sie dazu, in Rudeln in den Kampf zu ziehen. So hätten sich im Laufe der Zeit Industriegruppen mit pyramidenförmigen Strukturen in den Lieferketten gebildet. Dabei sitzen die Fertigungsunternehmen an der Spitze, unter ihnen befinden sich Produkte und Märkte, die sich durch einen Prozess des „Vergleichens und Anpassens“ entwickeln. Auf dieser Ebene arbeiten die Gruppenmitglieder zusammen – von der Produktentwicklung bis zur Produktion.
Allerdings hat die japanische Fertigungsindustrie in Sachen Digitalisierung den Anschluss verpasst. Viele Unternehmen nutzen noch immer zweidimensionale Visualisierungen und manuelle Verfahren zur Beschaffung einzelner Komponenten, was Produktivität und Wachstum ausbremst. Eine Verbesserung der Effizienz dieser Prozesse würde nicht nur den Zulieferern der Teile nützen, sondern auch der Klientel der Unternehmen zugutekommen. MISUMI hingegen, ein Fertigungsunternehmen und Vertrieb für mechanische Teile, brachte den Aufbau einer Plattform voran, die die Produktivität seiner Kundschaft erheblich verbessert, und beschleunigte so die Innovation einer ganzen Branche.