Wie Koch richtig feststellt, sind Architektur und Filmbranche kreative Berufsfelder, in denen Ideen und Ideale eine wichtige Rolle spielen. Genauso richtig ist jedoch, dass die wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen Auftrag- und Kapitalgeber ebenfalls einen hohen Stellenwert haben.
„Als Architekt oder eben als Filmemacher hat man immer einen Auftraggeber, dessen Zustimmung man erst einholen muss, bevor man ein Projekt verwirklichen kann“, meint Turner. „Das gelingt am ehesten, wenn man ihm von Anfang an eine möglichst klare Vorstellung davon vermittelt, was man vorhat.“
Eine unzureichende Kommunikation in den Frühphasen eines Projekts rächt sich oft im Nachhinein, etwa wenn ein bereits eingebautes Fenster versetzt oder eine Szene neu gedreht werden muss.
„Letztlich geht es immer darum, Zeit und Geld zu sparen“, fügt Turner hinzu. Die 3D-Technologie habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, indem sie Architekten und Filmemachenden neuartige Möglichkeiten zur Gestaltung und Bearbeitung realistischer Umgebungen bereitstelle. „Heute brauchen wir die dreidimensionale Realität nicht mehr in eine 2D-Grafikoberfläche zu zwängen. Stattdessen setzt man sich einfach ein VR-Headset auf und kann gemeinsam in einer virtuellen Umgebung an originalgetreuen Modellen arbeiten.“
Der Pferdefuß daran: Die Erstellung originalgetreuer 3D-Modelle setzt voraus, dass zunächst unzählige Einzelkomponenten erstellt werden – was natürlich wiederum Zeit und Geld kostet.
An dieser Stelle lassen sich durch Konvergenzeffekte handfeste Effizienzgewinne erzielen, glaubt Turner. Als Beispiel nennt er die „Spider-Man“-Filme. „Für den ersten Film schuf ein Team von Sony Pictures damals eine digitale Version der New Yorker Skyline mit den ganzen Wolkenkratzern. Auf dieser Grundlage entstand anschließend eine Computeranimation, in der Spider-Man zwischen den Gebäuden hin und her schwingt und springt.“
Durch die Möglichkeit, digitale Objekte über eine gemeinsame Plattform auszutauschen, ließe sich dieser Aufwand erheblich reduzieren. „Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass gerade ein neues Gebäude an der Fifth Avenue errichtet wurde und die 3D-Zeichnungen dann zur Erstellung virtueller Filmkulissen verwendet werden könnten“, erläutert Turner. „Man könnte die Kulissen sogar nachträglich aktualisieren und eine neue Fassung des Films veröffentlichen, in der Spider-Man nicht mehr im New York der Jahrtausendwende, sondern eben im heutigen New York durch die Straßenschluchten turnt.“
Auch bei der Suche nach geeigneten Drehorten könnten digitale Zwillinge Filmproduzenten wertvolle Hilfe leisten – und hohe Kosten ersparen. „Heute schickt man Location-Scouts um die halbe Welt, damit sie sich einen Park oder ein Gebäude anschauen und dann vor Ort feststellen: ,Das passt nicht, da ist eine Ampel im Weg oder eine Straße mit zu viel Verkehrslärm.‘ Wenn man realistische digitale Modelle der betreffenden Städte hätte, könnte man zum Scouting einfach eine virtuelle Umgebung verwenden.“
Umgekehrt könnten sich Architekten ihrerseits aus der digitalen Requisitenkammer der Filmstudios bedienen. „Für komplexe Animationen wie etwa beim ‚Dschungelbuch‘ müssen allein Hunderte verschiedene Baumarten generiert werden, dann noch Wasser, Felsen, Moos usw. Ist der Film einmal im Kasten, werden diese Objekte alle im Archiv abgelegt und im Zweifelsfall nie wieder verwendet. Das heißt, es gibt da eine ganze Datenbank voller ungenutzter 3D-Objekte, die für einen Landschaftsarchitekten oder einen Stadtplaner total wertvoll wären.“
Erfolgreiche digitale Kollaboration und Konvergenzen zwischen Architektur- und Medienbranche könnten bislang noch völlig ungeahnte Möglichkeiten zur Interaktion mit physischen und virtuellen Lebenswelten erschließen. Die weitere Entwicklung bleibt auf jeden Fall spannend – und auch hier drängt sich eine weitere Analogie auf: Ähnlich wie der Grundstein wenig Aufschluss darüber gibt, wie das fertige Gebäude aussehen wird, ist bei einem guten Film nicht nach ein paar wenigen Szenen abzusehen, wie die Geschichte ausgeht.