Museums- und Konzertbesuche, Shopping-Trips und tägliches Pendeln zur Arbeit waren für die meisten Menschen lange Zeit das Normalste der Welt. Wie viel Planung nötig war, um diese vermeintlich selbstverständlichen Erlebnisse so sicher wie möglich zu gestalten, ahnten die wenigstens. Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein dafür geschaffen und verlangt nun neue Schutzkonzepte.
Damit große Menschenmengen auf sichere Weise am alltäglichen Leben teilnehmen können, müssen unzählige Vorkehrungen getroffen werden, für die es wiederum unterschiedlichste Aspekte unter einen Hut zu bringen gilt. Mathematik, Biomechanik, Datenanalyse, Raumgestaltung, Bevölkerungswissenschaft, Psychologie, Soziologie und Geografie spielen hier ebenso eine Rolle wie behördliche Auflagen und Vorschriften. In Zeiten des Social Distancing gestaltet sich dieses Unterfangen umso komplizierter, da Rahmenbedingungen berücksichtigt und verschiedenste Daten analysiert werden müssen, um beispielsweise zu ermitteln, wie sich Menschen in Einrichtungen wie Schulen, Bürogebäuden und Krankenhäusern oder beim Besuch von Sportarenen und Touristenattraktionen verhalten.
„Vor Beginn der Pandemie beschäftigten wir uns mit der Frage, wie man allzu große Menschenansammlungen auf vielbesuchten öffentlichen Plätzen vermeiden könnte, um das Erlebnis allgemein sicherer und positiver zu gestalten“, so Dr. Aoife Hunt, stellvertretende Leiterin des Londoner Beratungsunternehmens Movement Strategies. „Als der Lockdown dann losging, richteten wir unseren Fokus auf eine neue Aufgabe.“
Movement Strategies ist in erster Linie auf die Entwicklung von Crowd-Management-Strategien spezialisiert, die auf der Analyse der Verhaltensmuster an Orten mit großen Menschenmengen basieren. Anfang 2020 kam das Team von Dr. Hunt zur Erkenntnis, dass für den Sommer geplante Aufträge im Rahmen verschiedener Veranstaltungen – von Musikfestivals über Fußballspiele bis hin zum Tennisturnier Wimbledon – aufgrund der coronabedingten Einschränkungen ausfallen würden. Jedoch stellte sich schnell das Bewusstsein ein, dass das Thema Personenverkehr nunmehr einen maßgeblichen Faktor hinsichtlich öffentlicher Sicherheit darstellte. „So trat für uns die Frage in den Vordergrund, wie wir die Ansteckungsgefahr im öffentlichen Raum durch geeignete Planungsmaßnahmen reduzieren könnten“, erinnert sich Dr. Hunt. „Seit der Coronakrise scheint das Bewusstsein für unseren nischenhaften Sektor gestiegen zu sein.“
Während an manchen Orten der Welt allmählich wieder etwas Normalität einkehrt, befinden sich andere nach wie vor im Lockdown – oder aber in einem unaufhörlichen Hin und Her zwischen Einschränkungen und Lockerungen. Wie lange die Pandemie uns noch begleiten wird, lässt sich zurzeit nicht absehen. Klar ist jedoch, dass öffentliche Bereiche mit hohem Personenverkehr zukünftig derart gestaltet werden müssen, dass die Gefahr viraler Übertragungen auf ein Minimum reduziert wird. Hierzu gilt es, Entwürfe von vorneherein auf Flexibilität und Anpassbarkeit auszulegen, um im Notfall entsprechende Änderungen vornehmen zu können – ein komplexes Unterfangen, das durch die erforderlichen Sicherheits- und Katastrophenschutzmaßnahmen sowie etliche gesundheitspolitische, finanzielle, psychologische und organisatorische Rahmenbedingungen zusätzlich erschwert wird.
Die wohl größte Hürde im Hinblick auf die pandemiegerechte Planung ist jedoch die Tatsache, dass sie definitionsgemäß mit unseren sozialen Gepflogenheiten in Konflikt steht. „Bisher bestand die Aufgabe der Raumplanung darin, Menschen zusammenzubringen“, so Pete Thompson, leitender Ingenieur bei Autodesk. „Nun tun wir quasi das Gegenteil: Wir schaffen ganz bewusst Distanz zwischen den Leuten. Sicherheit und menschliche Bedürfnisse in Einklang zu bringen, ist eine schwierige Gratwanderung.”
Um diese Herausforderung zu meistern, galt es, altbewährte Herangehensweisen zu überdenken: „Anstatt den Fokus auf Dinge wie die maximal zulässige Anzahl an Besuchern zu legen, versuchen wir, die Verhaltens- und Bewegungsmuster jedes Einzelnen zu beeinflussen“, erläutert Prof. Steve Gwynne, Leiter des Forschungsteams bei Movement Strategies.