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Durch neue Arbeitsverfahren und Automatisierung werden Jobs geschaffen und nicht vernichtet

Dieser Artikel wurde in Kooperation mit der re:publica 2018 für den Track We can Work it out publiziert.

Diese Frage beschäftigt uns nun schon seit über 50 Jahren: Werden sich Roboter unsere Jobs unter den Nagel reißen?

Experten, die Automatisierung mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen gleichsetzen, übersehen dabei oft ein wichtiges Detail: Die Welt braucht mehr neue Gebäude, Infrastruktur und sonstige Produkte, als ihr Menschen, Finanzmittel oder Werkstoffe zur Verfügung stehen.

Ein Blick auf die Infrastruktur der Industrieländer offenbart, dass hier jede Menge Renovierungsbedarf besteht: Brücken werden immer desolater und auch die Straßen haben schon bessere Zeiten gesehen. In Schwellenländern müssen zudem neue Schienennetzwerke, Straßen, Tunnel und Brücken errichtet werden. Für all diese Vorhaben stehen weder ausreichend Rohmaterialien noch genügend Geld zur Verfügung, wenn diese mit altbewährten Methoden umgesetzt werden sollen.

Gleichzeitig soll die Weltbevölkerung bis im Jahr 2050 auf beinahe 10 Milliarden Menschen anwachsen, wobei 75 Prozent davon in Großstädten leben werden. Die Hälfte dieser Menschen wird der Mittelklasse angehören und für einen höhere Energiebedarf sorgen, weil stets mehr Autos, Kühlschränke und sonstige Konsumgüter gekauft werden.

Diese Prognosen mögen für unseren Planeten und seine strapazierten Ressourcen bedrohlich klingen. Mit den Arbeitsmethoden der Zukunft ließen sich die verstärkten Bau- und Produktionstätigkeiten jedoch mit denselben oder sogar weniger Ressourcen als heute bewältigen. In einer automatisierten Welt werden Ineffizienz und Abfall vermieden und mehr Menschen in einer größeren Anzahl an Projekten tätig.

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Bildgestaltung: Micke Tong

Roboter = Neue Arbeit

Es stimmt natürlich, dass bestimmte unqualifizierte Tätigkeiten der Automatisierung zum Opfer fallen werden. Aber das bedeutet nicht, dass es zu einem Mangel an Arbeit kommen wird. Ganz im Gegenteil: Mit der wachsenden Nachfrage nach Infrastruktur steigt beispielsweise auch der Bedarf an Personen mit den Fähigkeiten zur Anpassung, Gestaltung, Steuerung und Wartung von Systemen – wie beispielsweise „Kobots“, auch bekannt als kooperative Roboter – für diese neuen Bauprojekte. Dank des technologischen Fortschritts wird es auch zu einer Abnahme von Bauabfällen kommen, was die erwarteten Mehrkosten für die zunehmende Anzahl an Projekten wettmachen dürfte. Dadurch werden Hoch- und Tiefbauunternehmen in die Lage versetzt, billiger zu bauen, weil sie aufgrund der vermiedenen Abfälle weniger Baumaterial benötigen und somit die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzen.

Durch die Automatisierung bestimmter Tätigkeiten können Unternehmen mehr Aufträge annehmen, ohne dafür ihr Budget aufstocken zu müssen, und aufgrund der Zunahme an Projekten steigt wiederum der Bedarf an neuen Mitarbeitern. Wenn also beispielsweise ein Hoch- und Tiefbauunternehmen, das derzeit nur wenige Projekte pro Jahr verwirklicht, auf einen in hohem Grad automatisierten Arbeitsprozess umstellt, könnte es durchaus zwei bis drei Mal so viele Projekte annehmen und dafür mehr Mitarbeiter einstellen.

Blicken wir etwas zurück: Als im Jahr 1967 Geldautomaten eingeführt wurden, prophezeite man umgehend das Ende des Berufs des Bankangestellten. Bis Geldautomaten in den Achtzigerjahren letztlich zur Norm wurden, hatte die Zahl der Bankangestellten zugenommen und diese Zuwächse dauerten weiter an, bis die Mitarbeiterzahl im Bankenbereich 2006 ihren Höhepunkt erreichte.

Durch die Auslagerung einfacher mit der Abhebung und Einzahlung von Bargeld verbundener Transaktionen an Maschinen konnten die Banken ihren Kundenbestand ausbauen und neue Dienstleistungen wie Kreditkarten, Hypotheken oder Versicherungsprodukte anbieten. Dadurch konnten klassische Bankkassierer in lukrativere Vertriebspositionen aufrücken – Geldautomaten vernichteten also nicht zwangsläufig ihre Stellen. Vielmehr versetzte die Technologie die Angestellten in die Lage, sich beruflich weiterzuentwickeln und schwierigere Probleme zu lösen. Die zunehmende Automatisierung auch in Branchen wie Architektur, Infrastruktur, Bauwesen und Fertigung wird ähnliche Auswirkungen haben.

Automatisierung führt zu mehr Nachhaltigkeit

Ressourcenverknappung, Klimawandel und Bevölkerungswachstum stellen die Welt vor enorme Sachzwänge. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen ist es für die betroffenen Branchen umso wichtiger, dem Geheimnis auf die Schliche zu kommen, wie man mit beschränkten Ressourcen mehr – und besser – bauen kann.

Wenn es Bau- und Fertigungsunternehmen gelingt, ihre Geschäftsabläufe effektiver zu automatisieren, werden sie nachhaltiger wirtschaften können. Die Integration von Robotertechnik in den Bauprozess wird die Beteiligten beispielsweise dabei unterstützen, Materialien von existierenden Gebäuden und Infrastrukturobjekten wiederzuverwenden und dadurch viel Geld zu sparen. Da uns Computer immer mehr beim nachhaltigen und zuverlässigen Bauen unter die Arme greifen, wird es weniger Bedarf geben, allen Beteiligten den Einsatz von nachhaltigeren Geschäftspraktiken beizubringen – und genau darauf kommt es an.

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Bildgestaltung: Micke Tong

Automatisierung birgt das Potenzial, im Umfeld von Wiederverwertung und -verwendung vollkommen neue Branchen aufzubauen. Dies könnte beispielsweise in der Automobilindustrie geschehen: Auf der einen Seite gibt es natürlich diejenigen, die sich für eine Welt mit weniger Autos aussprechen. Wie wäre es aber, wenn wir stattdessen konsequent billigere, kleinere, umweltfreundlichere, elektrische und weniger ressourcen-lastige Autos bauen würden?

Es gibt jede Menge 15 bis 20 Jahre alte Blechkisten auf US-amerikanischen Straßen, die über gewaltige Motorblöcke aus Metall verfügen. Wenn Autohersteller in der Lage wären, Autos für 5.000 USD oder 10.000 USD herzustellen – und dabei die derzeit verbreiteten Verbrennungsmotoren durch billige Elektrotechnik zu ersetzen – würden sicherlich viele Besitzer ihre Abgasschleudern verschrotten lassen.

Bei Elektro-Autos ist zwar die Elektronik komplizierter, dafür ist ihre Mechanik einfacher gestrickt. In einer stark automatisierten Welt könnten Hersteller die im Einsatz befindlichen Autos durch neue ersetzen, indem sie die Rohmaterialien der Kraftfahrzeuge recyceln, die derzeit auf den Straßen unterwegs sind.

Neue Qualifikationen, neue Branchen

Automatisierung wird zwei Konsequenzen haben: Sie wird die aktuell existierenden Branchen grundlegend verändern und vollkommen neue Wirtschaftszweige schaffen. Infolgedessen wird sich die Menschheit von morgen an ein technologisch weiterentwickeltes Umfeld anpassen müssen. Konkret wird die direkte Interaktion mit Technologie im Arbeitsalltag eine größere Rolle spielen.

Planer, Konstrukteure und Produzenten der jüngeren Generationen sind in technologischer Hinsicht bereits viel versierter als ihre Vorgänger. Sie sind daran gewöhnt, dass sich Technologien rasch wandeln können, und passen sich an Änderungen rasch an. Dieser fließende und flexible Zugang zu Technologie – der die Menschen in den kommenden Jahren weiterbringen wird – ist für die Gestaltung der Zukunft von entscheidender Bedeutung.

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Bildgestaltung: Micke Tong

Automatisierung wird unweigerlich zu einer weiteren explosionsartigen Zunahme bei IT-Technologien führen – vergleichbar mit dem Aufkommen der Smartphones und dem Internet der Dinge. Zudem wird sie neue Chancen schaffen, die Menschen bisher nicht in vollem Umfang nutzen konnten. Dabei werden automatisierte Maschinen Pionierarbeit leisten, indem sie den Weg vorgeben, dem die Menschen daraufhin folgen können.

Ich habe bereits über die Kommerzialisierung des Weltraums und die damit verbundene Industrie geschrieben. Dabei handelt es sich um ein klassisches Beispiel, wie Automatisierung und Robotertechnik zu einer Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten und zur Schaffung vollkommen neuer Branchen führen.

Kehren wir aber auf die Erde zurück. Wie wäre es beispielsweise mit einem Roboter, der beim Queren der Straße den Asphalt abzieht und mit demselben Material gleichzeitig die Straße neu teert? Wird jemand auf die Idee kommen, einen derartigen Roboter zu erfinden? Darauf können Sie Gift nehmen.

Aber es sind Menschen, die solche Roboter erschaffen und instandhalten, die jeweiligen Projekte planen und koordinieren sowie die Roboter auf den Baustellen entsprechend installieren. Wie würde die Welt aussehen, wenn es überall Straßen pflasternde und Brücken bauende Roboter gäbe, die jede Nacht – während die Menschheit schläft – kontinuierlich die bestehende Infrastruktur erneuern und verbessern würde?

Was auch immer die Gestaltung der Zukunft bringen mag, eins ist sicher: Automatisierung wird eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten eröffnen. Nur werden sich die menschlichen Arbeitskräfte daran gewöhnen müssen, Seite an Seite mit ihren Kobot-Kollegen zu arbeiten.

Über den Autor

Dr. Andrew Anagnost ist President und Chief Executive Officer von Autodesk. Bereits seit mehr als 25 Jahren unterstützt er anhand effektiver Produkt-, Business- und Marketinginitiativen die Unternehmensstrategien, Transformationsvorhaben und Produktentwicklung von Unternehmen wie Autodesk, der Lockheed Aeronautical Systems Company und der EXA Corporation. Er promovierte an der Stanford University und arbeitete anschließend als Postdoktorand des National Research Council am Ames Research Center der NASA. Dr. Anagnost schloss sich Autodesk 1997 an und hatte seitdem mehrere Positionen im Bereich Marketing, Neugeschäftsentwicklung, Produktmanagement und Produktentwicklung inne. Bevor er 2017 President und CEO von Autodesk wurde, war er als Chief Marketing Officer und SVP für den Bereich Business Strategy & Marketing tätig. In dieser Rolle plante und lenkte er die Transformation des Geschäftsmodells zum Software-as-a-Service(SaaS)-basierten Angebotsmodell. Zuvor war Dr. Anagnost in diversen leitenden Positionen im Unternehmen tätig. Ganz zu Beginn seiner Karriere bei Autodesk verantwortete er die Entwicklungsaktivitäten für das Fertigungsproduktangebot und steigerte dabei die Umsätze für Autodesk Inventor auf über 460 Millionen Euro. Dr. Anagnost ist Vorstandsmitglied von Autodesk. Er hat einen Bachelor of Science in Maschinenbautechnik von der California State University, Northridge (CSUN), einen Master of Science in Ingenieurwissenschaften und einen Doktor in Luftfahrttechnik und Computerwissenschaft von der Stanford University.

Profile Photo of Andrew Anagnost, Autodesk CEO - DE