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BIM-Experte Marc Aßmann über die Digitalisierung des Handwerks

Marc Aßmann ist gelernter Steinmetz. Er ist heute BIM-Experte in der Natursteinindustrie. Credit: Friederike Voigt

Eigentlich ist er gelernter Steinmetz. Und ein Visionär. Denn Marc Aßmann erkannte schon früh, dass das traditionelle Handwerk mit konventionellen Werkzeugen wie Hammer und Meißel keine Zukunft mehr hat und investierte bereits vor vielen Jahren in die Digitalisierung der Branche. Im Jahr 2018 wurde er mit seinem Betrieb schließlich vom deutschen Natursteinunternehmen Franken-Schotter aufgekauft. Ein Gespräch über nachhaltiges Bauen, den digitalen Handwerker und über ein Unternehmen aus dem bayerischen Altmühltal, das die Wolkenkratzer von Manhattan verkleidet.

Franken-Schotter besitzt den größten Natursteinbruch in Deutschland. Im Altmühltal wird er abgebaut: einer der härtesten Kalksteine der Welt. Das Material wird vor allem in Regionen geschätzt, wo das Klima besonders rau ist. Wie in New York, wo Franken-Schotter die Fassade des Wolkenkratzers „35 Hudson Yards“ ausstattete.

Diese internationalen Projekte wären ohne digitalisierte Produktionsprozesse kaum denkbar. Um weiterhin auf dem globalen Markt mitreden zu können, setzt Franken-Schotter verstärkt auf den volldigitalisierten und cloudbasierten Planungs- und Bauprozess und übernahm 2018 das Dresdner BIM-Planungsbüros Pronag von Marc Aßmann. Das Ziel: noch schneller, ressourceneffizienter und kostengünstiger produzieren.

Für Firmen wie Franken-Schotter, die spät im Bauablauf Fassadenteile oder Böden liefern, bedeutet das, dass sie in der Planung von ganz hinten nach ganz vorne rücken. Das eröffne für die Branche und das Handwerk ganz neue Geschäftsfelder, ist sich Marc Aßmann sicher.

Redshift: Herr Aßmann, Sie sind gelernter Steinmetz, haben sogar am Aufbau der Dresdner Frauenkirche mitgewirkt. Wie haben Sie Ihre Leidenschaft zum Naturstein gefunden?

Marc Aßmann: Als Jugendlicher war ich aktiv im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM). Dort zeigte mir ein Kirchendiener – ein gelernter Steinmetz – den Umgang mit Naturstein. Wir klebten kleine Figuren aus gesammelten Kieselsteinen zusammen und bemalten sie. Kurz danach habe ich ein dreiwöchiges Schülerpraktikum bei einem Steinmetzbetrieb gemacht. Dort lernte ich die Einzigartigkeit jedes Natursteins und die vielfältigen Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten kennen. Meine Ausbildung zum Steinmetz habe ich in einem auf Grabmal, Bau- und Denkmalpflege spezialisierten Natursteinfachbetrieb in Bonn von 1987 bis 1990 absolviert. Seit dieser Zeit fasziniert und inspiriert mich die Arbeit mit Naturstein – einem recht nachhaltigen Material aus der Natur.

Im bayerischen Altmühltal wird er abgebaut: einer der härtesten Kalksteine der Welt. Credit: Friederike Voigt
Im bayerischen Altmühltal wird er abgebaut: einer der härtesten Kalksteine der Welt. Credit: Friederike Voigt

Sie selbst sind bereits vor über zehn Jahren auf die Digitalisierungswelle aufgesprungen – als Handwerker. Wie überzeugen Sie andere Kollegen von Building Information Modeling (BIM)?

Mit BIM bringt sich der Steinmetz bereits als Berater im Planungsprozess ins Spiel, nicht erst am Ende bei der Ausführung als Handwerker. Und wer weiß, ob es das Handwerk in ein paar Jahren in der aktuellen Form noch geben wird. Mit BIM, insbesondere mit einer 5-D-Planung, verhindere ich außerdem eine Mehrfachplanung: Ich führe eine Fortschreibung des 3-Daten-Modells durch. Das heißt, das Modell des Gebäudes wird zusätzlich angereichert mit Dateninformationen zu Terminen und Kosten. Damit ist nicht nur eine grafische Form, sondern auch eine Datenform verfügbar. Kurzum: BIM in 5-D-Planung reduziert die Fehlerquellen in einem Planungs- und Bauprozess erheblich.

Mit Ihren Ansichten sind Sie in der Handwerksbranche fast ein Exot. Die Digitalisierung, insbesondere das Arbeiten mit BIM, ist bislang kaum oder noch nicht im Natursteinbereich angekommen. Warum?

Viele Menschen scheuen Veränderungsprozesse. Meistens werden eingefahrene und bewährte Prozesse zu lange beibehalten. Hier finde ich es verwunderlich, dass die meisten Menschen in ihrer Freizeit das Smartphone nutzen und am Arbeitsplatz noch Faxe schreiben. Das passt nicht zusammen. Wir müssen unser Blickfeld erweitern und mit unseren Kunden auf eine Reise gehen. Als gutes Beispiel sei hier das Küchenstudio genannt. Hier werden schon seit über zehn Jahren virtuelle Küchen erfolgreich im Verkaufsprozess eingebunden.

Der Handwerker gefährdet sich also selbst in seiner Existenz, wenn er nicht digital denkt und arbeitet?

Wir sehen es bereits am klassischen Grabstein. Als ich 1987 in der Ausbildung war, haben wir Grabsteine noch handwerklich bearbeitet. Das Material stammte damals von regionalen Lieferanten. Mit der Globalisierung kommen die Grabsteine aus China und werden in Deutschland von einem Automaten beschriftet. Wo bleibt da das Handwerk? Der Steinmetz ist inzwischen als Verkäufer und Monteur auf dem Friedhof angekommen. Jetzt muss er sich neu erfinden.

„Unser Ziel ist es, noch stärker die Mehrwerte vom Nachhaltigen Bauen mit Naturstein herauszuarbeiten. Unsere Basis ist ein natürlicher Rohstoff, der liegt uns am Herzen.“

Auch Franken-Schotter hat diesen Wandel erkannt. Jetzt arbeiten Sie zusammen. Wie digital denken die Fabrikhallen im Altmühltal?

Wir arbeiten gerade an einem hochwertigen Einkaufszentrum in Toronto mit dem Namen Holt Renfrew – es zeigt, wie Franken-Schotter 5D-BIM-Planung beispielhaft nutzt. Und zwar bereits im Prefab-Verfahren. Die komplexen Fassadenteile aus Jura-Kalkstein werden in Autodesk Revit und Fusion 360 in den bayerischen Werkhallen von Franken-Schotter vollautomatisiert mit einem 6-Achs-KUKA-Roboter vorproduziert, um sie dann in Toronto als fertige Fassadenteile zu montieren. Seit dem Frühjahr 2019 setzen wir zudem Autodesk BIM 360 docs ein. Das ist ein mächtiges Werkzeug für uns und unsere Kunden. Der Informationsaustausch klappt damit sehr gut. Die Modelle können wunderbar vom Architekten geprüft, kommentiert und freigegeben werden.

Ein besonders nachhaltiges Material: der Jura-Kalkstein aus dem Norden von Bayern. Credit: Friederike Voigt
 
In der benachbarten Fabrik werden die Blöcke geschnitten, um später Gebäude auf der ganzen Welt zu schmücken. Credit: Friederike Voigt

Schauen wir doch mal gemeinsam in die Glaskugel – wie sieht die Fassade der Zukunft aus?

Weltweit merken wir eine Veränderung in den Anforderungen an die Gebäudehülle. Eine Fassade soll nicht mehr plattiert aussehen. Sie wird komplexer. Der Anspruch wächst hin zur Massivität, was wir wiederum mit unterschiedlichsten Ecklösungen an den Fassadenplatten lösen.

Und die Technologie hilft Ihnen dabei?

Aktuell planen wir in New York eine komplexe Natursteinfassade mit geraden, konkaven und konvexen Platten sowie Massivelementen in Dietfurter Kalkstein beige. Durch den Einsatz von BIM-Methoden und CNC-Maschinen werden solche Projekte wirtschaftlicher in ihrer Umsetzung. Dies hat auch die Architekturwelt für sich erkannt – das merken wir immer häufiger in der Entwurfsplanung sowie bei der Ausführung.

Vita von Marc Aßmann

Marc Aßmann ist gelernter Steinmetzmeister. Im Jahr 1995 kam er nach Dresden, um Projektierungsleistungen an der Frauenkirche durchzuführen. Als er erkannte, dass der klassische Handwerker digital denken muss, machte er sich als Geschäftsführer mit der Firma Pronag 2003 selbstständig. Das Fachplanungsbüro für Natursteinbauwerke beriet Firmen im Bereich Building Information Modeling – im Jahr 2018 wurde es von Franken-Schotter aufgekauft.

Über den Autor

Friederike Voigt war früher als Journalistin tätig und ist heute in ihrer Rolle als Content Manager bei Autodesk für Redshift in EMEA verantwortlich. Während ihres Studiums der Fächer Medienmanagement und Kunstgeschichte erhielt sie ein journalistisches Stipendium und arbeitete für die Deutsche Presse-Agentur sowie verschiedene Zeitungen und Zeitschriften wie das Cicero Magazin.

Profile Photo of Friederike Voigt - DE