Ein Segen für Mensch und Luft: Dieses E-Motorrad steuert in Ruanda auf Erfolgskurs
In Ostafrika sind mehr als 3 Millionen Motorrad-Taxis – oder Mototaxis – auf den Straßen unterwegs. In Kigali, der Hauptstadt Ruandas, machen diese Benzinschlucker mehr als die Hälfte aller Fahrzeuge aus – dabei lassen sich mit ihnen neben dem Fahrer und einem Fahrgast bestenfalls ein bis zwei Einkaufskörbe transportieren. Ein Start-up will damit nun aufräumen und bringt akkubetriebene Elektro-Motorräder auf den Markt.
Zwar sind Mototaxis ein wirkungsvolles Vehikel, um Menschen und ihre Güter (oder gerne auch mal verschiedenste Tiere) von A nach B zu transportieren, nur geben sie leider ebenso wirkungsvoll Treibhausgase in die Atmosphäre ab. Ganz zu schweigen davon, dass die in der Region als „Motars“ bezeichneten Fahrer der Mototaxis nach Abzug der Kosten für die Motorräder und den Sprit einen nur allzu geringen Lohn verdienen.
Das umweltbewusste Start-up Ampersand möchte daher Abhilfe schaffen. Das in Kigali beheimatete Unternehmen stellt akkubetriebene Elektro-Motorräder her, um zum einen die Auswirkungen der Mototaxis auf die Umwelt einzudämmen und zum anderen die Gewinne der Fahrer zu optimieren.
„Im öffentlichen Nahverkehr fehlt es an allen Ecken und Enden und ein eigenes Auto kann sich nicht jeder leisten. Deshalb haben Motorräder auf Kurzstrecken im städtischen sowie im ländlichen Bereich massiv an Bedeutung gewonnen“, bestätigt Alp Tilev, der als technischer Leiter von Ampersand in Kigali lebt. „Die Technologie gibt es schon seit Jahrzehnten. Mit ihr ausgestattete Mototaxis sind einfach zu reparieren und mit etwa 1.000 bis 1.600 Dollar viel günstiger als Autos.“
Vor der Gründung von Ampersand verbrachte Geschäftsführer Josh Whale mehrere Jahre in China mit der Erforschung erschwinglicher Elektrofahrzeuge. Dabei lernte er, wie man von Benzin abhängige Unternehmen optimieren und elektrifizieren kann.
„Während im Westen wegen ein paar Hunderttausend Teslas alle völlig aus dem Häuschen sind, aber E-Bikes nur als Freizeitbeschäftigung für Rentner gelten und flächendeckende Elektromobilität noch reine Tagträumerei ist, fahren in China schon längst zwanzigmal mehr Elektrofahrzeuge auf den Straßen, die größtenteils weniger als 200 Dollar kosten“, berichtet Tilev.
Ampersand setzt auf Elektromobilität
Ampersand steckte noch in den Kinderschuhen, als es für sein Vorhaben, die Straßen von Ruanda sauberer zu machen, im Rahmen des Technology Impact Program eine kostenlose Autodesk-Softwarelizenz bekam. „Anstatt viele Jahre darauf zu warten, dass sich auch Otto Normalverbraucher irgendwann ein Elektrofahrzeug leisten kann, hat Josh erkannt, dass sich diese Veränderung je nach Fahrzeugtyp auf verschiedenen Märkten überall auf der Welt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ereignet“, fährt Tilev fort.
Wie am Beispiel der Stadt Kigali ersichtlich ist, bedeutet dies, dass der Wandel zur Elektromobilität in Ballungszentren mit großem Treibstoffbedarf schon vergleichsweise früh stattfinden wird: „Benzin ist hier sehr teuer und die Verbraucher müssen sparen, wo sie können“, so Tilev. „In Ruanda fahren die Mototaxis täglich eine Strecke von rund 190 Kilometern, sechs Tage die Woche. Bei der Entwicklung der Benzinpreise bleibt den Fahrern am Ende des Tages nicht viel von ihren Einnahmen übrig.“
Whale war sich der Rolle der E-Mototaxis für die zukünftige Entwicklung in Kigali bewusst. Allerdings fehlte ein konkurrenzfähiges Konzept, um es mit den Benzinern aufzunehmen. Und was es nicht gibt, muss man eben erfinden. „Die chinesischen Modelle waren nicht leistungsfähig genug und hatten ineffiziente, fehleranfällige Akkus“, gibt Tilev zu bedenken. „Etablierte Marken wie Zero oder Alta waren zu teuer, als dass sich eine langfristig intensive Nutzung im Vergleich mit Benzinern gelohnt hätte.“
„Außerdem sind die chinesischen Fließbandmodelle für chinesische Endverbraucher optimiert, die üblicherweise eher kurze Distanzen in flachen Städten fahren“, fügt Tilev hinzu. „Hierzulande sind die Straßen oft dürftig, das muss ein Fahrzeug schon aushalten können. Bestehende Alternativen schieden also aus, daher waren wir gezwungen, neue Modelle zu entwickeln.“
Für ihre Prototyperstellung arbeiteten die Entwickler von Ampersand mit Autodesk Fusion 360, um die Modelle schnell auf den Prüfstand zu bringen. „Gerade in der frühen Entwicklungsphase war das ein unschätzbarer Vorteil“, erinnert sich Tilev.
Akku zum Austausch
Das Herzstück eines E-Motorrads stellt aber nun einmal der Akku dar. Da es auf dem Markt keinen Akku gab, den man für die Nutzung mit Ampersand-Modellen einfach hätte austauschen und wieder aufladen können, musste das Team um Whale auch diesen selbst entwickeln.
„Es ist unheimlich wichtig, dass die Fahrer den Akku selbst austauschen können, damit sie das Ganze in ihren bis zu zwölfstündigen Arbeitstag integrieren können“, erläutert Tilev. „Um Zeit zu sparen, tanken die Fahrer nur ein bis zwei Liter Benzin auf einmal. Auf ihrer ständigen Suche nach Fahrgästen haben sie keine Zeit, länger herumzusitzen und zu warten, bis ihr Akku wieder aufgeladen ist.“
Für die Geschäftsleitung von Ampersand war klar, dass sie die Kosten für das Produkt gering halten musste, indem sie das Modell so effizient wie möglich für diejenigen gestaltete, die hauptsächlich mit den Mototaxis zu tun hatten: die Fahrer.
Die E-Motorräder sind günstiger in der Anschaffung als ihre allgegenwärtigen Gegenstücke mit 125-ccm- bzw. 150-ccm-Verbrennungsmotoren. Zudem müssen die Fahrer die Akkus, mit denen sich pro Ladung eine Strecke von etwa 60 Kilometern bewältigen lässt, nicht kaufen, sondern können diese einfach mieten. So können die Motars ihre Kosten senken und die Gewinne maximieren.
Erst nachdem das Start-up diese finanziellen und gestalterischen Fragen geklärt hatte, konnte das Pilotprojekt losgehen – und war direkt ein voller Erfolg. Mit den ersten E-Motorrädern auf den Straßen von Kigali konnte Ampersand veranschaulichen, dass der Austausch der Akkus schnell und einfach vonstattengeht, was den Umgang mit den Mototaxis effektiv und attraktiv macht.
„Mittlerweile haben wir über 2.779 Anfragen auf unserer Warteliste“, berichtet Tilev stolz. „Und unser Präsident Paul Kagame hat bereits sein Vorhaben angekündigt, über kurz oder lang sämtliche 100.000 Motorräder in Ruanda mit unseren Akkus auszurüsten.“
Die Investitionen von Ampersand in die Elektromobilität könnten in Ruanda eine Lawine der Veränderungen auslösen – und sich auch für die Nachbarstaaten des Landes als lukrativ erweisen. Das betrifft nicht allein die Fahrer der Mototaxis, denn die Entwicklung verspricht Arbeitsplätze in den Fabriken, in denen die Motorräder und die austauschbaren Akkus hergestellt werden (immerhin ließ Ampersand die erste Fabrik für Lithium-Ionen-Akkus in ganz Ostafrika errichten), und natürlich in den Tauschstationen.
„Es hat sich außerdem herausgestellt, dass die Fahrer der Mototaxis sehr schnell auf die Neuerungen angesprungen sind und mit ihrer Motivation zur Innovation eine wichtige Generation junger, arbeitswilliger Unternehmer darstellen“, fährt Tilev fort. „Ihre früheren Motorräder hatten sie wirklich liebgewonnen, daher hatten wir die Befürchtung, dass sie sich vielleicht gegen unsere Alternative sträuben könnten. Also sagten wir ihnen, es sei einfach ein besseres und günstigeres Motorrad. Es sei nur zufällig eben auch elektrisch.“
Mit dem Wachstum des Unternehmens vergrößert sich auch seine Reichweite. Was mit einigen wenigen Mototaxis anfing, um zu einem System aus mehreren Tauschstationen heranzuwachsen, wird sich im Laufe der Zeit zu ausgedehnten strombetriebenen Netzwerken in der ganzen Stadt, im Umland und schließlich in der ganzen Region entwickeln. Daran knüpfen natürlich auch weitere Möglichkeiten für wirtschaftliche Investitionen an.
„Auf den meisten Märkten ist es ein kostspieliges Unterfangen, das Netzwerk der Ladestationen an den Bedarf der Elektromobilität anzupassen“, räumt Tilev ein. „Aber dank unserer unkomplizierten Tauschstationen und dem extrem dichten Netz an Motorradtaxis in afrikanischen Städten können wir problemlos den Bedarf von 30.000 Motorrädern in einer Stadt wie Kigali mit einem Kosten- und Infrastrukturaufwand decken, den man sonst von vier bis fünf herkömmlichen Tankstellen erwarten würde. Und wenn man bedenkt, dass das ganze Infrastruktursystem der Fahrzeuge und ihrer Energieversorgung schon jetzt rund 30 Milliarden Dollar einbringt, ist es sogar ein richtiges Schnäppchen.“