Architekten müssen längst in der Lage sein, sich in neuer Software zurechtzufinden und ständig neue Werkzeuge einzusetzen. Phil Bernstein, stellvertretender Dekan und Lehrbeauftragter an der Yale University School of Architecture, warnt jedoch davor, den Schwerpunkt dabei zu sehr auf spezifische technische Fähigkeiten zu legen. „Wir vermitteln den Studierenden in erster Linie eine für Architektinnen und Architekten zweckvolle Denkweise“, erklärt er. „Uns ist klar, dass viele Fähigkeiten, die wir ihnen heute mit auf den Weg geben, schon bald irrelevant sein können.“
Das ist an sich nichts Neues. So gehörte Alistair Kell – heute Chief Information Officer bei BDP– im Jahr 1993 in den USA zu den letzten Studierenden, die ihren Abschluss in Architektur noch bekamen, ohne computergestützte Zeichnungen in einem CAD-Programm erstellen zu müssen. Schon bald danach mussten sie die den Umgang mit AutoCAD lernen, denn inzwischen gehörte die Software zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine Anstellung in Architekturbüros.
Von den heutigen Berufseinsteigern werden neben den traditionellen Schlüsselfunktionen der architektonischen Arbeit ganz neue Fähigkeiten erwartet, weiß Kell. So müssen sie nicht nur in der Lage sein, neue technologische Ansätze wie Computational Design oder Skripte und Codes anzuwenden, sondern auch Daten und Datenstrukturen verstehen. Um mit den Daten arbeiten zu können, muss nicht jeder Architekt gleich zum ausgebufften Programmierer werden, denn auch hier lassen sich technologische Fortschritte nutzen. „Heute kann ich auch die KI ein Python-Skript für mich schreiben lassen“, erklärt Bernstein.
Junge Architektinnen und Architekten stellt es kaum vor Probleme, wenn sie für ihre aktuellen Projekte neue Tools einsetzen müssen. „Heutzutage sind die meisten Absolventen von Architekturstudiengängen Digital Natives, die ganz selbstverständlich von einer Technologieplattform zur nächsten wechseln“, so Amy Perenchio, Geschäftsführerin von ZGF Architects.
In der Architekturausbildung wird es jedoch weiter darauf ankommen, ganz bestimmte Denkfähigkeiten unter den Studierenden zu fördern. „Von uns Architekten wird verlangt, dass wir zur Lösung der uns gestellten Aufgaben auch alle uns zur Verfügung stehenden Technologien einsetzen“, verdeutlicht Perenchio. „Das Entwerfen ist jedoch unsere Kernaufgabe und dieser Prozess erfordert von uns vor allem eins: die Fähigkeit, kritisch zu denken.“
Dem stimmt auch Bernstein zu: „Im Kern versuchen wir diesen Menschen zu vermitteln, dass sie die nächste Generation von Denkern sind, die über die gebaute Umwelt nachdenken – darüber, worauf es dabei wirklich ankommt und wie man sie entsprechend gestalten kann.“
Für Kell bleibt die Kreativität eine Schlüsselkomponente des Architektendaseins, von der er hofft, dass der Beruf sie nie verliert. „Architekten müssen es verstehen, Technologie als kreatives Werkzeug zu nutzen, so wie sie einen Bleistift und einen Skizzenblock als Mittel betrachten, mit denen sie sich ausdrücken und kreative Lösungen entwickeln können“, macht er klar.