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Wer hat Angst vor dem Roboter? Warum die Fabrik der Zukunft den Menschen dringend braucht

In der autonomen Fabrik der Zukunft werden Mensch und Maschine Seite an Seite zusammenarbeiten.
  • Die Aufgaben und Tätigkeiten der Menschen in einer Fabrik, in der zunehmend autonome Systeme Einzug halten, werden sich verändern.
  • Digitalisierung und Automatisierung in der Industrie sind Mittel, um in Zukunft produktiver und wettbewerbsfähiger zu werden – der Mensch steht dabei aber immer noch im Mittelpunkt.
  • Entscheidend dabei ist ein erfolgreiches Change Management, um die Haltung der Mitarbeitenden zu verändern hin zum Verständnis, dass Veränderung als Teil der Arbeit angesehen wird.

Ganz selten findet man ihn bereits auf der Baustelle. Den Roboter, der millimetergenau das Loch in die Decke bohrt. Dem gelenkigen Kollegen macht es nichts aus, über mehrere Stunden hinweg über Kopf zu arbeiten und nach der Tagschicht auch noch die Nachtschicht zu übernehmen. Er ist 24/7 einsatzbereit – theoretisch jedenfalls. Ein BIM-fähiger Baustellenroboter von Hilti entlastet zum Beispiel Installateure bei der Deckenmontage. Das ist nur ein Beispiel für die zunehmend wichtige Rolle der Digitalisierung am Bau, wie sie in diesem Artikel über Fertigungstrends betont wird.

Auch angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels setzt man große Hoffnungen in Roboter, die all jene Arbeiten übernehmen, die körperlich anstrengend sind, gefährlich (oder auch langweilig), und bei denen allerhöchste Präzision verlangt wird. Eigentlich tun sie das schon seit Jahrzehnten – allerdings in der Automobilproduktion und im Maschinenbau. Da arbeitet „Kollege Roboter“ schon lange dicht an dicht mit Mitarbeitenden.

Die Bauindustrie schließt erst langsam auf – bei der Digitalisierung allgemein und beim Einsatz von Robotern im Besonderen. Letzteres liegt natürlich auch daran, dass sich Roboter auf ebenen Wegen in der Produktionshalle oder im Lager leichter fortbewegen können als auf einer Baustelle, die viele Hindernisse parat hält.

Kollaborative Robotersysteme prägen die Fabrik der Zukunft

In Fabriken wie in Distributionszentren haben automatisierte Systeme längst Einzug gehalten. Fahrerlose Transportsysteme und Routenzüge transportieren Waren vollautomatisiert und kollaborative Roboter – sogenannte Cobots – unterstützen den Menschen bei seiner Arbeit. In automatisierten Kleinteilelagern wie das Robotersystem Autostore kommunizieren die Maschinen bereits untereinander und die flinken Roboter bestimmen selbst die Routen, wenn sie einen Kommissionierauftrag erhalten haben.

Fabrik der Zukunft: Im Lager bewegen sie sich schon unabhängig vom Menschen – die Roboter, die Kartons kommissionieren.
Im Lager bewegen sie sich schon unabhängig vom Menschen – die Roboter, die Kartons kommissionieren. Der vom Münchner Start-up Magazino entwickelte Roboter Toru ist bereits seit 2015 in Pilotprojekten im Einsatz. Credit: Magazino

Bei der Umsetzung der „Industrie 4.0“ bzw. dem „Internet der Dinge“ geht es darum, dass Maschinen untereinander kommunizieren. Fernziel: Der Mensch muss nur noch im Notfall eingreifen oder übernimmt die Funktion des Supervisors. Es wäre aber ein Mythos zu glauben, die Zukunft der Arbeit beginne an einem bestimmten Tag. Die Umstellung auf digitale Prozesse findet in unterschiedlichen Branchen in unterschiedlicher Geschwindigkeit – in allen Fällen aber graduell – statt.

Wir befinden uns heute in einer Phase, in der die Roboter „Beine bekommen“ haben – sich also selbständig in der Fabrik bewegen können. In einer nächsten Stufe werden Roboter in der Lage sein, Aufgabestellungen eigenständig zu erfassen und zu lösen sowie immer komplexere Montageaufgaben durchzuführen. Dass der Mensch in ein paar Jahren Roboter mit seinen Gedanken steuern wird, ist ebenfalls keine Science Fiction mehr.

An der Universität in Florida hat ein Forschungsteam bereits eine Drohnensteuerung entwickelt, bei der der Flug über Gehirnwellen kontrolliert wird. Dr. Bernhard Langefeld, Partner bei Roland Berger, sieht eine rasante Entwicklung der Fähigkeiten von Robotern beispielsweise durch den Einsatz von KI, verbesserte (Fein-) Mechanik, die Kombination von Robotern und Automated Guided Vehicles (AGVs) bzw. fahrerlosen Transportsystemen oder verbesserte Human-Machine-Interfaces (HMIs).

Wie schnell sich der Wandel vollzieht, hängt aber nicht nur davon ab, ob eine Technologie verfügbar ist, sondern auch von der Prozesssicherheit und den Kosten, betont der Roland-Berger-Berater. Er begleitet viele Unternehmen bei der digitalen Transformation und rät manchmal auch dazu, noch abzuwarten, bis eine Technologie ausgereifter oder günstiger ist.

Langefeld glaubt nicht daran, dass die so genannte „lights-out-factory“ – also eine, in der kaum noch Menschen unterwegs sind und die Maschinen selbstständig im Dunkeln arbeiten – schnell Realität sein wird. Nichtsdestotrotz ist die Vorstellung von der menschenleeren Fabrik für Menschen, die heute dort arbeiten, verständlicherweise eine, die Angst auslöst. Aber ist sie überhaupt realistisch?

Die autonome Fabrik: Wird der Mensch überflüssig?

In der smarten Fabrik arbeiten zum Großteil nur noch autonome Systeme – so die Grundidee. Experten und Berater wie Dr. Bernhard Langefeld gehen davon aus, dass sich zwar die Tätigkeiten der Menschen, die in der „Fabrik der Zukunft“ arbeiten, verändern werden, der Mensch aber nicht so leicht ersetzt wird. Der Wandel hin zu mehr Automatisierung und Digitalisierung bedeutet nicht, dass der Mensch überflüssig wird. Dieses Video fasst in unter sechs Minuten zusammen, wie Digitalisierung das Arbeitsleben verändern wird. Dabei wird betont: „Wir automatisieren Aufgaben, keine Berufe. Die Aufgabe der Mitarbeitenden wird sein, den Roboter zu überwachen.“

Eine der Hauptaufgaben, die das Management und Führungsteams leisten müssen: Ängste abbauen. Mitarbeitende sollen begreifen, auch wenn einschneidende Veränderungen anstehen, dass sich zwar Abläufe und Prozesse ändern, dass ihre Arbeitsleistung weiterhin gefragt ist. Mark de Wolf zitiert im Beitrag „6 Tipps für die zukunftsfähige Arbeit mit Robotern“ den Vorsitzenden eines englischen Maschinenbauunternehmens, der sagt: „Wir machen ihnen (den Mitarbeitenden) klar, dass es durchaus möglich ist, dass ein Roboter sie ihren derzeitigen Job kostet – doch dass er ihnen gleichzeitig einen besseren schenkt.“

Der Einzug von autonomen Robotern in die Fabrik der Zukunft macht Mitarbeitenden Angst.
Der Einzug von autonomen Robotern in die Fabrik der Zukunft macht Mitarbeitenden Angst. Führungskräfte haben daher die wichtige Aufgabe, ihnen zu vermitteln, dass dies zwar eine Veränderung bedeutet, aber nicht unbedingt zum Schlechteren.

Unbestreitbar ist, dass einige Tätigkeiten tatsächlich in Zukunft Roboter übernehmen werden, der Mensch dann aber andere Aufgaben übernimmt. Oder aber Künstliche Intelligenz und Mensch arbeiten „Hand-in-Hand“ zusammen, beispielsweise wenn der Techniker via Hololens-Brille während eines Wartungsvorgangs angeleitet wird.

Die Digitale Transformation gelingt nur unter Einbeziehung der Mitarbeitenden

Für die Mitarbeitenden bedeutet der Einsatz von Robotern zunächst einen Wegfall von monotonen und händischen Arbeiten. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, für den Menschen bleiben nur noch die komplexen und schwierigen Arbeiten übrig, wie Professorin Verena Nitsch der RWTH Aachen Universität auf der Online-Konferenz zur „Zukunft der Arbeit“ ausführt. In dem Moment, in dem ein Unternehmen auf automatisierte Prozesse umsteige, beziehungsweise digitale Prozesse einführen würde, würde dies für die Mitarbeitenden erst einmal Mehrarbeit bedeuten. Die Beschäftigten nähmen die Digitalisierung zumeist als Belastung wahr, da sie „on top“ zum normalen Tagesgeschäft komme. „Dabei steige der Stresslevel unweigerlich an“, so Nitsch.

Auch Roland Berger-Partner Langefeld unterstreicht das in seinem Vortrag „Arbeiten in der Fabrik der Zukunft“: „Für den Vorarbeiter oder Meister in der Produktion kann ‚die Verdichtung der Arbeit‘ zum Stressfaktor werden. Maschinen, Systeme oder Roboter schicken kontinuierlich Statusmeldungen auf das Handy und erwarten eine unmittelbare Reaktion.“ Nitsch, Institutsdirektorin in der Fakultät für Maschinenwesen an der RWTH Aachen, fügt in der Podiumsdiskussion hinzu: „Gerade die Geschwindigkeit der Veränderungen löst Ängste aus. Die Menschen kommen nicht dazu, durchzuatmen.“

Damit die digitale Reise nicht zum Desaster wird und die Mitarbeitenden sich nicht gegen die Veränderungen stemmen oder sie sogar boykottieren, müssten sie motiviert werden, die Digitalisierung zu unterstützen. Thomas Nagel, Customer Outcome Executive bei Autodesk, sieht darin die größte Herausforderung bei der digitalen Transformation. Mitarbeitende müssen verstehen, warum der Wandel notwendig ist und das Management müsse die Frage beantworten: „Was ist drin für die Mitarbeitenden?“. Er sagt: „Der Wunsch, die Veränderung mitzutragen, muss geweckt werden!“. Bleibt die Frage: „Wie kann das gelingen?“

Eva Holden, Leiterin Unternehmens- und Personalentwicklung beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) macht deutlich, dass dies für Unternehmen kein leichtes Unterfangen ist: „Der Prozess ist schwierig und langwierig.“

Entscheidend beim Change Management: die innere Haltung

Wie wird aus einem „Was haben sich ‚die da oben‘ wieder ausgedacht?“ ein „Ich unterstütze mit meiner Arbeit den Veränderungsprozess mit“? Ziel des Change Managements ist es, die Haltung der Mitarbeitenden zu verändern hin zum Verständnis, dass Veränderung als Teil der Arbeit angesehen wird. Dafür sei es wichtig, quer über alle Altersstrukturen und über verschiedene Ebenen der Organisation zu kommunizieren, sagt Stephan Jorra, General Manager Switching Products Germany bei Siemens Energy. Mehr darüber, wie man den Veränderungsprozess im Siemens-Energy-Werk in Spandau gestaltet hat, lesen Sie im Beitrag „Agile Organisation – wie nimmt man die gesamte Belegschaft mit auf die digitale Transformations-Reise?“.

Nitsch betont, man dürfe bei allen Widrigkeiten, die mit einem Change-Management-Prozess einhergehen, nicht vergessen, dass der Einsatz der Technologien im Grunde positiv ist, da sie den Menschen auf lange Sicht entlasten. Vorausgesetzt, dass die Mitarbeitenden das Wissen erhalten, wie sie die Technologien richtig einsetzen. IT und KI-Systeme sollen eben tatsächlich eine Hilfe sein und der Umgang mit ihnen nicht krank machen.

Gefordert: Die Industrie der Zukunft muss human sein

Es klingt vielleicht paradox: Aber je mehr Roboter und automatisierte Systeme Einzug halten in Fabriken, in Distributionszentren und auf dem Bau, desto mehr muss es darum gehen, die Arbeitswelt zu humanisieren. Nitsch fordert dazu auf, eine menschengerechte Digitalisierung zu verfolgen. „Der Mensch soll möglichst produktiv arbeiten, aber sich gleichzeitig wohlfühlen.“

Die Architektin Dr. Sigrid Brell-Cokcan, Lehrstuhlinhaberin für Individualisierte Bauproduktion an der RWTH Aachen, geht noch einen Schritt weiter und betont die positiven Veränderungen, die mit der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung im Bauwesen einhergehen. Ihrer Meinung nach wird der Einsatz von Roboter & Co. die Menschen kreativer machen. In den nächsten zehn bis 20 Jahren würden wir einen Wandel miterleben, der das gesamte Bauwesen disruptiv ändert, aber durchaus im positiven Sinn. Sie sagt: „Die Maschine ist unser Werkzeug. Sie gibt uns Freiräume für unsere Kreativität.“

Über den Autor

Susanne Frank hat Amerikanistik, Anglistik und Theaterwissenschaft (M.A.) an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen studiert und eine Weiterbildung zur Online-Journalistin absolviert. Sie war elf Jahre lang im Marketing eines mittelständischen Softwareunternehmens verantwortlich für die Pressearbeit. 2015 wechselte sie von der PR in den Journalismus. Sie war Redakteurin der Fachmagazine „Materialfluss“ und „LT-Manager“ sowie Chefredakteurin der Zeitschrift „Baugewerbe Unternehmermagazin“. Seit 2019 ist sie freiberuflich als Fachjournalistin tätig u. a. für die LOGISTIK HEUTE.

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