Führungskraft werden? Mit dieser Strategie läuft die Karriere nach Plan
Der Weg in die Chefetage ist nicht immer geradlinig. Führungskräfte sammeln ihre wichtigsten Erfahrungen häufig auf einem regelrechten Zick-Zack-Kurs durch mehrere Organisationen. Wie also lässt sich eine Laufbahn so planen, dass sie in der obersten Führungsebene endet? Antworten verspricht ein Gespräch mit einer erfolgreichen Frau, die längst in der Führungsetage angekommen ist.
Amy Bunszel, Senior VP of Design and Creation Products bei Autodesk, nahm kürzlich an einem Webinar mit Denise Stokowski, Group VP of Platform Products bei Gainsight teil. Darin sprachen die beiden über das Führen von Produkt-Teams, Mentoring, die wichtigsten Strategien für eine Karriere als Führungskraft und die nicht zu unterschätzende Wirkung vom Gebrauch einer guten Metapher.
Frau Bunszel, erzählen Sie uns ein wenig über Ihre berufliche Laufbahn. Welche Stationen hatte Ihr Berufsleben bis heute und wie sind Sie Führungskraft geworden?
Ich begann meine Laufbahn als Hardware-Entwicklerin. Eigentlich bin ich ausgebildete Elektroingenieurin und hatte ursprünglich mit Produktmanagement nichts am Hut. Es ergab sich dann, dass ich etwa alle zwei Jahre meinen Job wechselte – manchmal absichtlich und manchmal zufällig. Jedenfalls bewegte ich mich mit jeder neuen Position mehr in Richtung Software und hatte immer mehr mit Produktmanagement zu tun. Schließlich bemerkte ich, wie gerne ich Konzepte aufstellte. Mir gefiel es, die Schnittstelle zwischen dem zu sein, woran das Unternehmen arbeitete und dem, was die Verbraucher sich wünschten.
Zu Autodesk kam ich durch eine Unternehmensübernahme. 1996 hatte ich Linius Technologies mitgegründet, ein Unternehmen, das Lösungen für computergestütztes Entwerfen (CAD) entwickelte und das 2013 schließlich von Autodesk übernommen wurde. So wurde ich anfangs zur Produktmanagerin. Das war gut für mich, denn obwohl ich das Start-Up-Dasein genoss, hatte ich tausende verschiedene Aufgaben zu erledigen. Nun sollte ich das erste Mal die Gelegenheit bekommen, über meine Entwicklung als professionelle Produktmanagerin nachzudenken und meine Fähigkeiten als solche stärken zu können. Und bei Autodesk gab es viele Menschen, von denen ich etwas lernen konnte. Bald stieg ich im Unternehmen auf und wurde so zur Vorgesetzten anderer Produktmanager. Ich baute das Team so aus, dass wir mehr Produkte abdecken konnten. Im Moment bin ich für die Teams der Abteilungen Produktmanagement und -entwicklung sowie Experience Design and Analytics verantwortlich – dahinter stehen ungefähr 1.400 Menschen.
Ein Schlüsselmoment in meiner Karriere war die Übernahme von funktionsübergreifenden Verantwortlichkeiten. Ich leitete nicht mehr nur das Produktmanagement, sondern gleichzeitig auch die Entwicklung. Diese Herausforderung war erfrischend. Es machte richtig Spaß, all diese Leute zu leiten, die Arbeiten erledigten, die ich selbst noch nie gemacht hatte. Das hat mich dazu gebracht, anders über Führungsaufgaben zu denken. Ich erkannte, dass es eher darum geht, Menschen zu befähigen. Es ist nebensächlich, ob man selbst weiß, wie deren Arbeit zu erledigen ist.
Was hat Ihre Karriere beschleunigt?
Es mag unlogisch erscheinen, aber ich denke, es war meine Bereitschaft, mich auch mal quer zu bewegen. Viele Menschen denken an die berühmte Karriereleiter und meinen, man müsse da möglichst gerade hochklettern. Als ich vor zehn Jahren von Portland nach San Francisco zog, wechselte ich die Abteilungen und war fortan für andere Produktlinien zuständig. Dabei stellte ich fest, dass ich mich zu einer vielseitigen und mehrdimensionalen Führungspersönlichkeit entwickelt hatte, die sich an verschiedene Produkttypen und Phasen im Produktionszyklus anpassen konnte. Seitdem nehme ich gerne regelmäßig verschiedene Verantwortlichkeiten wahr.
Gibt es eine Sache, bei der sich Ihre Ansichten in Bezug auf die Karriereentwicklung geändert haben?
Zu Beginn meiner Laufbahn dachte ich nach dem Motto: „Wenn ich unzufrieden bin, wechsele ich einfach das Unternehmen.“ Inzwischen denke ich, dass das erste Mittel bei Unzufriedenheit sein sollte, mit dem aktuellen Arbeitgeber zu reden und ihm eine Chance zu geben. Wenn Sie gar nicht reden und sich einfach aus dem Staub machen, werden Sie nie erfahren, ob es auch anders gegangen wäre. Dann verlieren Sie, was Sie sich bis dahin aufgebaut haben und müssen wieder von vorn beginnen.
Erzählen Sie uns über Ihre Erfahrungen mit Mentoring. Wie war das für Sie?
Zu Beginn meiner Laufbahn, als ich als Software-Entwicklerin arbeitete, war mein Mentor Howard Colton. Wir haben tausende Vertreterbesuche gemeinsam gemacht. Ich führte die Software unseres Unternehmens vor und erläuterte, wie man damit Probleme lösen konnte. Anschließend gab mir Howard immer Rückmeldung. Er war wirklich gut darin, mich durch unmittelbares Feedback zu fördern, sei es nach einer Vorführung, einem Kundengespräch oder einer internen Besprechung.
Dadurch befand ich mich in einem kontinuierlichen Feedback-Zyklus. Der Vorteil bei diesem Sofort-Feedback ist, dass man den Kontext kennt und es dadurch leichter umsetzen kann – egal ob es sich um Lob oder konstruktive Kritik handelt. Das habe ich von Howard gelernt und ich versuche, es grundsätzlich auch so zu machen. Dafür muss man manchmal seine Komfortzone verlassen, aber am Ende zahlt sich das aus.
Uns scheint zu verbinden, dass wir beide große Fans von Peloton sind. Schließlich tragen wir beide Peloton T-Shirts. Soweit ich gehört habe, hatte das Geschäftsmodell von Peloton auch einen Einfluss auf das Produktmanagement. Was hat es mit dieser Geschichte auf sich?
Vor drei Jahren begannen wir damit, den Software-Vertrieb vom On-Premise-Modell mit Seriennummern und unbefristeten Lizenzen auf das Abo-Modell umzustellen. Mir kam es sehr darauf an, dass mein Team die Abo-Lösung versteht. Auf unserer jährlichen Konferenz über technologische Entwicklungen, die wir für die Mitarbeitenden durchführen, habe ich deswegen über meine Erfahrungen mit meinem Peloton-Abo erzählt. Ich wollte klar machen, dass physikalische Produkte, ab dem Kaufzeitpunkt an Wert verlieren. Der Wert des Abos erhöht sich dagegen, je länger und umso mehr man es nutzt.
„Ich plädiere für eine Fehlerkultur, bei der niemand beschuldigt oder vorgeführt wird … aber stellen Sie sicher, dass der Fehler sich nicht wiederholt.“ – Amy Bunszel, Senior VP of Design and Creation Products
Die große Stärke von Peloton liegt in der Personalisierung des Kundenerlebnisses auf der Grundlage der Daten und Analysen, die aus den angebundenen Systemen wie Android, Apple, Fitbit oder Spotify abgeleitet werden. Diese Daten werden in ein hochansprechendes Nutzererlebnis umgewandelt. Wenn ich meine monatlichen Nutzugsdaten von Peloton bekomme, denke ich immer daran, wie gern ich derartige Informationen an unsere Anwender senden würde. Dadurch könnte ich ihnen einen Mehrwert in Form von Empfehlungen bieten, beispielsweise wie sich die Nutzer an der Performance von anderen Nutzern orientieren und daraus ableiten können, wo sich eine Investition in die Entwicklung neuer Fähigkeiten lohnt.
An diesem Tag trug ich also das T-Shirt, das ich auch jetzt gerade trage. Ich habe es als Belohnung für mein hundertstes Workout erhalten. Und ich habe diese Metapher verwendet, weil sie meinem Team geholfen hat, den Kulturwandel von unbefristeten Lizenzen und Seriennummern hin zu Abonnementprodukten und deren Anwendern wirklich zu verstehen. Die Moral der Geschichte? Verschwenden Sie niemals eine gute Metapher, wenn Sie eine haben!
Was würden Sie Menschen sagen, die gerne Verantwortung für Produktteams übernehmen möchten?
Es ist wirklich wichtig, über vielfältige Erfahrungen zu verfügen. Wenn Sie über Ihren nächsten Schritt nachdenken, denken Sie darüber nach, was für Erfahrungen Sie gemacht haben und was Sie in Ihr Portfolio aufnehmen können. Es gibt zum Beispiel so viele verschiedene Arten von Software: B2B, B2C, Unternehmenssoftware und so weiter. Die Geschäftsmodelle unterscheiden sich jeweils und erfordern unterschiedliche Taktiken im Vertrieb. Der Wechsel von einer Branche zur anderen ist auch eine interessante Möglichkeit, Ihren Standpunkt zu erweitern und Ihre Erfahrungen aufzuwerten, sodass Sie mehr Tiefe bieten können als andere.
Welche Eigenschaften braucht man, um ein guter Produktmanager zu werden?
Ich suche nach Menschen, die wirklich neugierig und nachweislich risiko- und experimentierfreudig sind. Ich stelle oft fest, dass gerade Leute, die nur mit einer Hypothese beginnen und versuchen, sie zu beweisen, uns oftmals helfen, schneller zu einem besseren Ergebnis zu kommen. Dagegen hat jemand, der von Anfang an einen fertigen Plan in der Schublade hat, häufig auf halber Strecke Schwierigkeiten von Dingen abzulassen, die sich in der Zwischenzeit als unzutreffend erwiesen haben.
Neugierde, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und die Bereitschaft, zuzugeben, dass man sich geirrt hat – all diese Dinge sind wichtige Fähigkeiten, besonders wenn man versucht, Neuland zu betreten. Ich stelle Leute ein und befördere sie, wenn sie ein bisher nicht erfülltes Bedürfnis erkennen und sich bereitwillig für dessen Lösung anbieten.
Was sind einige der Schlüsselkompetenzen, die Sie während Ihrer Karriere bei Autodesk gelernt und entwickelt haben?
Eine ist, schlanker und agiler zu sein und Projekte nach und nach zu finanzieren, wenn sie Meilensteine erreichen. Ich habe in der Vergangenheit Situationen erlebt, in denen wir zu Beginn eines Projekts 100 Personen an Bord hatten und niemand wusste, was diese Mitarbeiter in einer so frühen Phase tun sollten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass eine agile Entwicklung uns in die Lage versetzt, den Kunden häufiger einzubinden und häufiger Releases durchzuführen. Diese große Veränderung hat uns geholfen, besser auf unsere Kunden einzugehen. Außerdem ist es wichtig zu wissen, wann man Partner braucht und wann man es allein kann. Es gibt so viele neue Technologien und man kann nicht überall Klassenbester sein. Es ist überaus wichtig zu wissen, wo Sie einen erstklassigen, vertrauenswürdigen Partner finden können, und dann investieren Sie in die Bereiche, in denen Sie einen einzigartigen Mehrwert schaffen.
Wie haben sich die Anforderungen an die verschiedenen Rollen im Laufe Ihrer Karriere verändert?
Als Produktmanagerin müssen Sie entschlossen sein und die Dinge in Bewegung halten. Als Managerin müssen Sie die Menschen in die Lage versetzen, Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie immer noch alle Entscheidungen selbst treffen, werden Sie nicht in der Lage sein, schnell zu handeln, oder den Menschen dabei helfen können, aus Fehlern zu lernen, wenn etwas nicht wie erwartet läuft.
Wie reagieren Sie, wenn etwas nicht wie erwartet läuft?
Es gibt sicherlich eine Angst zu scheitern, aber wenn man auf alle Risiken verzichtet, wird man nicht so viel lernen, wie möglich wäre. Wenn etwas schief geht, versuche ich, mich selbst als Beispiel zu nehmen und darüber mit dem Team zu reden. Vor einiger Zeit beschäftigten wir uns beispielsweise damit, unser Produktportfolio neu auszubalancieren. Wir entschlossen uns, für ein bestimmtes Produkt vorerst nur noch Wartung anzubieten. Wir entwickelten also keine neuen Funktionen mehr, aber kümmerten uns darum, dass es mit den Änderungen der Betriebssysteme schritthielt.
Das Problem war, dass uns nicht klar war, wie stark sich einige Kunden auf das Produkt verließen. Wir hatten das zu weit zurückgefahren und mussten dringend zurückrudern und mehr Leute daran setzen. So etwas kann natürlich passieren, und ich plädiere für eine Fehlerkultur, bei der niemand beschuldigt oder vorgeführt wird. Stattdessen sollte man rein objektiv herausarbeiten, was passiert ist. Machen Sie klar, dass niemand Schuld hat, aber stellen Sie sicher, dass der Fehler sich nicht wiederholt. Wenn ich jedoch ein chronisches Problemmuster sehe, muss man anders damit umgehen.
Wie hat sich Ihr Herangehen an das Produktmanagement im Laufe Ihrer Karriere entwickelt?
Als ich im Produktmanagement anfing, kam ein Großteil meines Wissens durch das Beobachten der Wettbewerber, viele Kundenbesuche und Umfragen. Daneben nutzte ich oft mein Bauchgefühl, um Entscheidungen zu treffen. Heute kommen noch die Daten dazu. Wir verfügen über Unmengen an Daten über die Marktstimmung, Nutzung, Kundenabwanderung und viele andere Kennzahlen. Ein Produktmanager muss über den Tellerrand blicken und qualitative und quantitative Daten zusammenführen, um Entscheidungen treffen zu können.
Sie müssen nach wie vor schnell Entscheidungen treffen, aber es ist wirklich wichtig, diese Daten zu haben – und Leute, die Ihnen helfen, diese Daten zu analysieren. Sie können anhand der Daten Entscheidungen darüber treffen, in welche Richtung das Produkt entwickelt werden soll, und dann können Sie damit beginnen, diese Erfahrungen für die Benutzer zu personalisieren.
Was planen Sie als Nächstes?
Nun, ich habe einen tollen Job und ein ausgezeichnetes Team. Die Herausforderungen in Verbindung mit COVID-19 haben uns als Führungspersönlichkeiten auf die Probe gestellt, aber sie haben uns auch einander näher gebracht. Aber wenn Sie mich nach der Zukunft fragen: Irgendwann würde ich gerne auch Verantwortung für Vertrieb und Marketing übernehmen.
Wie ermutigen Sie mehr Frauen, ins Produktmanagement einzusteigen?
Ich fördere beispielsweise die Organisation Women in Product. Mein Team rekrutiert über diese Organisation und schaut ebenso intensiv nach Praktikantinnen. Und ich treffe mich mit allen, die ein Karrieregespräch führen möchten. Ich berate gerne Menschen dahingehend, wie sie ihren Horizont erweitern können, wenn sie eine Laufbahn im Produktmanagement anstreben.
Man sollte sich aber auch darum kümmern, die Menschen zu halten. Oft arbeiten die Leute hart daran, verschiedene Kandidatinnen und Kandidaten zu finden und einzustellen, nur um sie dann bald wieder gehen zu sehen. Genauso wichtig ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich jeder weiterentwickeln kann. Oftmals hat der oder die direkte Vorgesetzte einer Person den größten Einfluss darauf. Daneben sollte es selbstverständlich sein, dass Personalleiterinnen und Personalleiter auch andere unterrepräsentierte Gruppen berücksichtigen. Wie die meisten Unternehmen verfügt Autodesk über verschiedene Mitarbeiternetzwerke, sogenannte Employee Resource Groups (ERGs), die dazu beitragen, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu schaffen. Ich bin zum Beispiel stolz darauf, der Executive Sponsor unserer Pride ERG zu sein.
Welchen Rat geben Sie allen Produktmanagern, die in ihren Unternehmen Veränderungen herbeiführen wollen?
Beginnen Sie immer mit der Strategie. Seien Sie in Ihrem Denken transparent. Konzentrieren Sie sich auf das Warum, bevor Sie sich auf die taktische Ausführung von Dingen einlassen. Das schafft Vertrauen und wird Ihnen helfen, Ihre Marke aufzubauen.