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Japans größter Baukonzern sagt der Wohnungsnot den Kampf an – mit Generativem Design

Dreistöckige Wohnanlage nach Plänen von Daiwa House. Mit freundlicher Genehmigung von Daiwa House Industry.

In kaum einem anderen Flächenstaat ist die Urbanisierung so schnell fortgeschritten wie in Japan, wo heute knapp 94 Prozent der Bevölkerung in städtischen Ballungsräumen leben. Die Herausforderungen, die sich für die japanische Baubranche aus der hohen Wohnungsnachfrage und dem Mangel an verfügbarem Bauland ergeben, lassen sich mit traditionellen Planungsmethoden schwer bewältigen. Die auf Fertigbau spezialisierte japanische Baufirma Daiwa House Industry arbeitet deswegen an der Entwicklung von Systemen, die der Urbanisierung des Landes gerecht werden und mithilfe von Generativem Design die Bebauung kleiner Grundstücke optimieren.

Traditionell werden Entwürfe für Wohnanlagen in Japan von Hand gezeichnet, um den speziellen Gegebenheiten des jeweiligen Grundstücks Rechnung zu tragen. Angesichts des Platzmangels im Inselstaat ist effiziente Raumnutzung das oberste Gebot. „Gerade bei Wohnblocks müssen die Pläne unbedingt für das Baugrundstück optimiert werden“, so Takashi Yamasaki, der bei Daiwa die IT-Abteilung leitet. Neben der Rentabilität des Bauvorhabens gilt es zudem andere Gesichtspunkte wie die soziale Verantwortung des Bauherrn bzw. Grundbesitzers gegenüber der Gemeinschaft zu berücksichtigen.

Takashi Yamasaki (links) und Masaya Harita von Daiwa House Industry. Mit freundlicher Genehmigung von Daiwa House.
Takashi Yamasaki (links) und Masaya Harita von Daiwa House Industry. Mit freundlicher Genehmigung von Daiwa House.

Nicht zuletzt deswegen stand der Projektleiter Masaya Harita automatisierten Planungstools zunächst skeptisch gegenüber. „Andere im Unternehmen hatten bereits automatisierte Planungssoftware-Programme ausprobiert“, berichtet er. „Ich spürte jedoch ihre Frustration, weil sich die Implementierung so schwierig gestaltete.“ Erst die erfolgreiche Arbeit anderer Unternehmen mit der Technologie löste bei ihm ein Umdenken aus. „Ich habe die Ergebnisse gesehen, die Autodesk und der niederländische Baukonzern Van Wijnen mit Generativem Design erzielten, und mir ist klar geworden, welche Vorteile die Technologie für uns bringen könnte“, berichtet er. „Für mich waren das ganz neuartige Ansätze.“

Generatives Design in der Praxis: ein Bürogebäude in Toronto

Bereits 2015 arbeitete Autodesk bei der Erstellung, Auswertung und iterativen Bearbeitung der Entwürfe für Büros und Forschungslabore im MaRs Discovery District in Toronto mit Generativem Design. Dabei wurden auch die Arbeitsgewohnheiten und Präferenzen der Mitarbeiter berücksichtigt und messbare Ziele erarbeitet, die beispielsweise eine Verbesserung der Interaktion der Mitarbeiter untereinander und die Optimierung des Tageslichteinfalls sowie der Aussicht aus den Fenstern betreffen. Aus Tausenden von Entwurfsoptionen entstand letztlich eine innovative Arbeitsumgebung und mit der Zufriedenheit der Mitarbeiter stieg auch die Leistung. Davon ließ sich Daiwa House inspirieren und entwickelte in Zusammenarbeit mit Autodesk eine auf die eigenen Anforderungen zugeschnittene Software für Generatives Design.

Generatives Design holt sich Anregungen aus der Natur und optimiert sie für die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Projekts. Planer und Ingenieure geben Sollwerte für Planungsziele, Werkstoffe, Herstellungsverfahren, Kostenbeschränkungen und weitere Parameter ein, anhand derer die Software dann eine hohe Anzahl möglicher Entwürfe generiert.

Generatives Design beschleunigt Prozesse

Durch die Integration von Generativem Design in die Arbeitsabläufe konnte Daiwa veraltete Verfahren durch Systeme ersetzen, die den komplexen Anforderungen des zeitgemäßen Wohnungsbaus besser gewachsen sind. Angebote müssen dem Bauherrn möglichst zeitnah vor der abschließenden Planungsphase vorgelegt werden: Nach Angebotsannahme dürfen nur noch minimale Änderungen vorgenommen werden. Aktuell können bei Daiwa von der Annahme des Angebots bis zur Erstellung des Bauplans bis zu fünf Tage vergehen. Das neue System birgt hier erhebliches Verbesserungspotenzial. „Auch von unseren Vertriebsmitarbeitern könnte das Tool zur Eingabe von Ergebnissen für Kundenpräsentationen genutzt werden“, meint Yamasaki.

Das Tool befindet sich zurzeit noch in der Entwicklungsphase und soll sowohl den Vertrieb als auch die Mitarbeiter in der Planung unterstützen. „Zunächst ging es uns darum, die neu entwickelten Funktionen in ein System zu integrieren, mit dem unser Vertriebspersonal arbeiten kann“, erläutert Harita. „Dadurch könnten diese innovativen, mit Generativem Design erstellten Baupläne auch den Bauherren zugänglich gemacht werden. Im Idealfall können wir ihnen mehrere, teilweise überraschende bzw. ungewöhnliche Entwürfe vorlegen.“

„Wenn man Baupläne mit konventionellen Mitteln erstellt, kommen entsprechend konventionelle Ergebnisse heraus“, fügt er hinzu. „An den fertigen Gebäuden gibt es dann nichts Bemerkenswertes. Generatives Design durchbricht dieses Muster mit Vorschlägen, die auf positive Weise von den Konventionen abweichen. Darin sehe ich den primären Reiz dieser Technologie.“

Darüber hinaus kann Generatives Design Gebäudeplaner und Architekten auch dabei unterstützen, ihren Auftraggebern zu verdeutlichen, wo die Grenzen des Machbaren liegen. „Bis jetzt war es mühsam, ihnen zu beschreiben, warum ein bestimmter Entwurf sich nicht umsetzen lässt – mit Generativem Design können wir es anschaulich vorführen“, so Harita. „Dadurch wird unsere Argumentation für den Bauherrn leichter nachvollziehbar. Mit unseren aktuellen Arbeitsabläufen ist es viel zu kompliziert, das konsequent durchzuziehen und tatsächlich Baupläne zu erstellen, die nicht praxistauglich sind, nur damit der Auftraggeber begreift, warum eine bestimmte Idee in der Realität nicht funktionieren würde.“

Harita ist überzeugt, dass das Tool sich auch bei der Schulung von Mitarbeitern bewähren könnte. „Unser derzeitiges internes Ausbildungsprogramm für neue Mitarbeiter ist kostspielig und mit hohem Arbeits- und Zeitaufwand verbunden“, erläutert er. „Mithilfe der Tools, die wir gerade entwickeln, können wir meiner Meinung nach die damit verbundenen Belastungen stark reduzieren. Daher ist dieses Projekt vor allem für jüngere Mitarbeiter sehr hilfreich. Mit diesen Tools können unsere Mitarbeiter auf Daten zugreifen, zu denen sie früher womöglich keinen Zugang hatten, und neue Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, indem sie sich auf die effektive Präsentation und Nutzung dieser Daten konzentrieren.“

Autodesk ist Partner vom Wissenschaftsjahr 2019 mit dem Fokus auf Künstliche Intelligenz (KI) und unterstützt damit die Initiative der Bundesregierung, den Blick für die Chancen in KI zu schärfen sowie die Herausforderungen dieses neuen Technologietrends zu thematisieren.

Über den Autor

Yasuo Matsunaka spielt Keyboard und liebt Filme, die im Weltall spielen. Außerdem ist er Redakteur bei Redshift Japan und Content Marketing Manager bei Autodesk Japan.

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