Wie kollaboratives Lernen den Einstieg in die Industrie 4.0 an Berufsschulen erleichtert
- Die Industrie 4.0 bringt tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt mit sich, die eine Anpassung der Lehrmethoden und Inhalte in der Berufsschule erforderlich machen, um die nächste Generation von Fachkräften optimal vorzubereiten
- In Deutschland setzen berufliche Schulen verstärkt auf projektbasiertes Lernen und den Einsatz von Cloud-Technologien, die ortsunabhängiges und kollaboratives Arbeiten ermöglichen
- Die Nutzung moderner Technologien gibt Berufsschulen die Möglichkeit, internationale Projekte durchzuführen, was die interkulturelle Kompetenz der Lernenden stärkt und sie auf eine globalisierte Arbeitswelt vorbereitet
Mit der zunehmenden Digitalisierung und der vierten industriellen Revolution – der sogenannten Industrie 4.0 – wachsen die einst voneinander getrennten Arbeitsbereiche Mechanik, Maschinenbau und Elektronik sowie Informationstechnologie mehr und mehr zusammen. Um Lernende und Lehrkräfte optimal auf die Arbeitswelt von morgen vorzubereiten, stehen daher Berufsschulen vor der Herausforderung, ihre Lernmethoden und Inhalte an die neuen Anforderungen anzupassen.
Dabei erfordert die Vernetzung von Produktionsprozessen und Maschinen durch digitale Technologien ein tiefgreifendes Verständnis sowohl mechanischer als auch elektronischer Komponenten sowie deren nahtloses Zusammenspiel. Schulen müssen deshalb innovative Lehrmethoden entwickeln, die den Lernenden ermöglichen, in diesen vernetzten Umgebungen zu arbeiten und zu lernen.
Berufliche Schulen in Deutschland haben bereits begonnen, diese Anforderungen umzusetzen. Durch projektbasiertes Lernen können Schüler praktische Erfahrungen sammeln, die weit über die traditionelle Theorie hinausgehen. Der Einsatz von Cloud-Technologien und kollaborativen Plattformen ermöglicht es, dass Schüler und Lehrkräfte nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch von zu Hause oder aus dem Betrieb heraus zusammenarbeiten können.
Drei Lehrkräfte aus den berufsbildenden Schulen in Wolfsburg, Darmstadt und Altötting berichten im Folgenden, wie sie kollaboratives Lernen und moderne Technologien integrieren, um als Berufsschule den Anforderungen der Industrie 4.0 gerecht zu werden.
1. Die BBS II Wolfsburg setzt auf das ortsunabhängige Arbeiten in der Cloud
Ob Hovercraftantrieb, Jetmobil oder Marsrover – in den Berufsbildenden Schulen II in Wolfsburg dreht sich im Unterricht, fast könnte man sagen „naturgemäß“, vieles um den Bereich Fahrzeugkonstruktion. „Ja, wir sind hier aufgrund der Nähe zu VW sehr fahrzeuglastig, aber gerade das macht für viele Schülerinnen und Schüler die besondere Attraktivität unserer Schule aus. Insbesondere dann, wenn nach der Konstruktionsphase die fertigen Fahrzeuge bei uns durch die Flure sausen“, berichtet Dr. Alexandra Oerke, ihres Zeichens Ingenieurin und Lehrkraft an der BBS II Wolfsburg. Mit ca. 2.400 Lernenden in sechs Bereichen (Schwerpunkte: Berufsschule, Berufsfachschule, Berufseinstiegsschule, Fachschule Technik, Fachoberschule sowie Berufliches Gymnasium) gilt die Einrichtung als regionales Kompetenzzentrum für den gewerblich-technischen Bereich.
„Hierbei kommt Fusion an der Fachschule Technik sowie an der FOS Technik zum Einsatz“, so Oerke, „wobei zukünftig auch die Industriemechanikerinnen und -mechaniker mit ins Boot geholt werden sollen.“ Die Lernschwerpunkte liegen dabei in der methodischen Produktentwicklung und fertigungsgerechten Konstruktion. „Generell sind wir immer daran interessiert, projektorientiert zu arbeiten. Das bedeutet, nicht nur eine Installation hier vor Ort an der Schule zu haben, sondern auch im Betrieb oder zu Hause. Die Plattform musste also zum einen cloudbasiert und zum anderen kollaborativ sein. Da dies mit den bislang verwendeten Softwarelösungen nicht in dem von uns gewünschten Umfang möglich war, sind wir 2021 Schritt für Schritt auf Fusion umgestiegen“, erzählt Oerke.
Hier sei nicht nur ein ortsunabhängiges Arbeiten gegeben, auch die Einrichtung und Administration der einzelnen Nutzer und Projekte sei wesentlich einfacher und sehr anwenderfreundlich, auch für die Schülerinnen und Schüler selbst. „Insgesamt sind nicht nur die mittlerweile zehn Kolleginnen und Kollegen von der „All-in-one-Plattform“ Fusion begeistert, sondern auch die Schülerinnen und Schüler. Sie finden sehr schnell den Einstieg in das Programm und können auch komplexe Projekte in kurzer Zeit umsetzen. Schließlich ist für unsere Klientel, die berufsbegleitenden Unterricht erhält, der kollaborative Aspekt außerhalb der Schule von zentraler Bedeutung“, stellt Oerke fest. Vielfältige Potenziale sieht sie zudem in den Bereichen Generatives Design und Simulation, beispielsweise von Kräften, die auf ein Zahnrad wirken.
2. Die Erasmus-Kittler-Schule in Darmstadt profitiert von nahtlosen Systemintegrationen
Maschinenbau, KFZ-Technik, Sanitär, Heizung, Klima oder Informationstechnik – die Erasmus-Kittler-Schule in Darmstadt bietet ihren Schülerinnen und Schülern ein breites Fächerspektrum in den Bereichen Berufsschule, Fachschule für Technik, Berufsvorbereitung und Fachoberschule. Mehr als 1.200 Lernende besuchen die Bildungseinrichtung nahe Frankfurt, die laut Aussagen von Marcus Heck, der dort Mathematik, Konstruktion und CAD unterrichtet, „DIE Metalltechnikschule in der Region schlechthin“ ist. „Wir hatten früher einen bunten Mix unterschiedlicher CAD-Systeme, weil in vielen Ausbildungsbetrieben jeweils unterschiedliche Softwarelösungen verwendet werden“, erklärt Heck. Vor knapp drei Jahren erfolgte dann der schrittweise Umstieg auf Fusion. „Zu Beginn war einiges an Überzeugungsarbeit nötig, aber wir hatten die Argumente auf unserer Seite, unter anderem die sehr guten Schnittstellen von Fusion zu anderen Systemen, insbesondere im Bereich des 3D-Drucks, aber auch von CAD/CAM zur CNC-Gruppe. Das hat die Kolleginnen und Kollegen schließlich überzeugt“, so Heck.
Heute unterstützt die Fusion-Plattform die Schüler beispielsweise bei der Konstruktion von Kegelradgetrieben (FOS/Fachschule für Technik) und Jetcars (Berufliche Schulen). „Ganz neu ist die Nutzung von Fusion für eine Gestaltoptimierungsberechnung für einen Fahrradrahmen“, berichtet Heck. Sowohl Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte sind von Fusion angetan, so Heck: „Die Benutzeroberfläche im Bereich Konstruktion ist sehr intuitiv und leicht verständlich. Weiter fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler können so bereits auf eigene Faust neue Befehle suchen bzw. die Plattform erkunden, während die Lehrkraft sich währenddessen um diejenigen kümmern kann, die mehr Unterstützung benötigen.“ Für die Zukunft stellt sich Heck eine Ausweitung der Anwendungsfelder für seine Schule vor. So könnten künftig beispielsweise auch Platinen-Layouts mit Fusion entstehen, die dann mit dem CAD verknüpft werden könnten.
3. Die Beruflichen Schulen Altötting sehen neue Möglichkeiten für transnationale Lernprojekte
Auch die Beruflichen Schulen Altötting können bereits ein positives Feedback geben, obwohl Fusion dort erst seit dem letzten Sommer im Einsatz ist. „Etwa zehn Kolleginnen und Kollegen haben letztes Jahr die Grundlagenschulung absolviert, einige mit dem Schwerpunkt Metall, andere im Bereich Elektronik, wiederum andere im 3D-Druck“, berichtet Stefan Reindl, der seit gut 15 Jahren Elektrotechnik, Automatisierungstechnik und Mechatronik in Altötting unterrichtet. Sein ehemaliger Chef Carlo Dirschedl, vormals Schulleiter und von 2018 bis 2021 Mitglied in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt, ergänzt: „Unsere Region ist ein wichtiger Chemiestandort. Deshalb gibt es hier auch viele Zulieferfirmen aus Handwerk und Industrie in den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik.“
So wundert es nicht, dass Stefan Reindl und einer seiner Technikerschüler Stefan Hocheder, nach den Weihnachtsferien ein neues Projekt aus der Taufe hoben: Die Konstruktion einer automatischen Dreheinheit für eine Dokumentenkamera, um die abgescannten Dokumente mittels App fokussieren zu können. Bislang geschah dies manuell. „Im Rahmen dieses Projektes leistete uns Fusion sowohl als mechanische als auch elektrotechnische Entwicklungsplattform hervorragende Dienste“, so Reindl. Sein Schüler Hocheder ergänzt: „Die Elektronik mit dem Platinen-Layout kann dank Fusion direkt in die mechanische Konstruktion mit eingebunden werden.“ Auch Dirschedl sieht eine Vielzahl von Vorteilen, die mit der neuen Softwareplattform einhergehen: „Zunächst einmal ist der finanzielle Aspekt zu nennen: Die Lizenz zu Bildungszwecken ist vollkommen kostenlos. Das entlastet das Budget und gibt auch finanziell weniger gut ausgestatteten Bildungseinrichtungen die Möglichkeit, die Plattform zu nutzen.“
Einen weiteren Vorteil sieht er in einer sich zunehmend globalisierenden Arbeitswelt auch in der Cloudbasiertheit von Fusion: „Damit werden länderübergreifende Projekte möglich, was im Ergebnis die interkulturelle Kompetenz der Lernenden verbessert.“ Zukünftig sieht er sogar die Möglichkeit, mit Fusion in das digitale Prüfungswesen einzusteigen: „Sowohl Simulationen als auch Korrekturen können wunderbar mit Fusion umgesetzt, und Korrekturen transparent gestaltet werden. Die jeweilige Lehrkraft muss bei einer Klausur nicht mehr die Abgabe einfordern, sondern kann alle Prüflinge zu einer festgelegten Zeit automatisch deaktivieren.“ Damit eröffne die Plattform neue Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung im Bildungs- und Prüfungswesen, so Dirschedl.
Zukunftsfähigkeit im Arbeitsumfeld der Industrie 4.0 sichern
Die praktischen Erfahrungen der Schulen zeigen, wie entscheidend die Integration moderner Technologien für eine zukunftsfähige Bildung im Bereich der 3D-Konstruktion, der CAD/CAM/CAE sowie der Leiterplattenentwicklung ist. Durch die Kombination von projektbasiertem Lernen, Cloud-Technologien und interdisziplinären Ansätzen werden Schüler optimal auf die vernetzte Arbeitswelt der Industrie 4.0 vorbereitet. Diese Erfolgsbeispiele verdeutlichen, dass innovative Lehrmethoden nicht nur theoretisches Wissen vermitteln, sondern auch praktische Fähigkeiten und Teamarbeit fördern.
Denn durch die enge und praxisnahe Zusammenarbeit zwischen Schülern und Lehrkräften entstehen kreative Lösungen für komplexe Probleme, die weit über das traditionelle Lernen hinausgehen. Die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten, fördert zudem Flexibilität und Kollaborationsfähigkeit – Eigenschaften, die in der globalisierten Arbeitswelt von heute unerlässlich sind.