Industrielle Konvergenz als Innovationsmotor
Im Zuge der industriellen Konvergenz entstehen neue Verbindungen zwischen Fachrichtungen, Technologien, Arbeitsverfahren und Lieferketten, die enormes Innovationspotenzial freisetzen. Dabei handelt es sich nicht um ein neues Phänomen; jedoch wird es durch die Digitalisierung erheblich beschleunigt.
Was ist unter industrieller Konvergenz zu verstehen?
Als industrielle Konvergenz werden neue Verbindungen bezeichnet, die zwischen bislang voneinander unabhängigen Technologiesparten, Arbeitsabläufen, Geschäftsmodellen, Lieferketten oder gar ganzen Industriesektoren entstehen. Jede neue Verbindung löst Innovationsprozesse aus und kann erhebliche Umbrüche nach sich ziehen.
„Konvergieren“ (von spätlateinisch convergere = sich hinneigen) bedeutet „sich einander nähern; übereinstimmen“.
Derartige Annäherungen kommen in der Wirtschaft immer häufiger vor. Branchenkonvergenz findet statt, wenn unterschiedliche Technologien, Abläufe, Geschäftssparten und Branchen sich einander zunehmend angleichen. Dabei handelt es sich mitnichten um ein neues Phänomen; jedoch wird es durch die Digitalisierung erheblich beeinflusst und beschleunigt.
Besonders gut lässt sich diese Entwicklung an der Geschichte des Smartphones veranschaulichen. Die beschleunigte Digitalisierung leistet ähnlichen Konvergenzen in den verschiedensten Branchen Vorschub – mit potenziell schwerwiegenden Folgen für die Unternehmen. Denn wenn Branchengrenzen zunehmend verschwimmen, kann der Mitbewerber, der einer etablierten Marke den Rang abläuft, buchstäblich von überall kommen – eine bittere Erfahrung, von der man bei Nokia ein Lied singen kann. Dass der finnische Telekommunikationskonzern in den 2000er-Jahren das Potenzial des auf Computer-Hardware spezialisierten Konkurrenten Apple massiv unterschätzte, erwies sich als Fehler, dessen Konsequenzen der ehemalige Marktführer bis heute nicht vollständig überwunden hat.
Nokia ist längst kein Einzelfall mehr. Heutzutage sind Pkws quasi Smartphones auf Rädern, und traditionsreiche Autobauer sehen sich gezwungen, ihre Marktposition gegen Konkurrenten aus der Technologiebranche zu verteidigen. Wer sich im Zeitalter der Konvergenz und der dadurch bedingten Beschleunigung von Innovation und Umbrüchen behaupten will, kann sich Stillstand nicht leisten, sondern muss proaktiv neue Wege gehen. Agilität, Flexibilität und Innovation dürfen keine leeren Schlagworte sein – denn auf eben diesen Kapazitäten beruht der Wettbewerbsvorteil der neuen Rivalen um die Marktführerschaft.
Damit mehr Agilität, Flexibilität und Innovation möglich wird, ist eine weitere Konvergenz erforderlich – nämlich die Angleichung von Arbeitsabläufen und der Abbau von Schranken zwischen Branchen, Fachrichtungen und Geschäftssparten. Konkret bedeutet das, dass beispielsweise bei Bauprojekten eine sehr viel engere Zusammenarbeit zwischen Architekten, Ingenieuren, Fabrikanten, General- und Subunternehmern sowie Bauherren erforderlich ist, die durch entsprechende Technologien unterstützt und optimiert wird.
Für die betroffenen Unternehmen ergeben sich zahlreiche Vorteile, nicht zuletzt dank neuer Möglichkeiten zur Erfassung und Auswertung von Daten sowie zur Automatisierung und Transformation von Arbeitsabläufen. Unternehmen, die sich praxisbewährte Methoden aus konvergierenden Branchen zunutze machen und interdisziplinäre Teams aufbauen, können auf diese Weise gleich mehrere Ziele auf einmal verwirklichen:
- Schärfere Profilierung des Produkt- und Leistungsangebots
- Verbesserte Kundenerfahrungen
- Gezielte Förderung von Effizienz, Nachhaltigkeit und Wachstum
Branchenkonvergenz aus historischer Perspektive
Innovation – das ist schon seit Menschengedenken so – entsteht, wenn Technologien, Verfahren und Geschäftskonzepte in origineller Weise aufgemischt und in neuartigen Konstellationen kombiniert werden. Im Zuge der digitalen Transformation hat die Geschwindigkeit, mit der sich diese Konvergenzen zutragen, jedoch rasant zugenommen, sodass diese nicht mehr wie früher linear, sondern exponentiell verlaufen. Die Verbindung einer unbegrenzten Anzahl von Elementen aus unterschiedlichen Branchen ist heute schneller und einfacher möglich als je zuvor.
Automobilbau
Innovation und Fortschritt beruhen seit jeher auf neuen Verbindungen zwischen Technologien oder Verfahren – oder auch zwischen Ideen. Das Automobil ist nicht nur eine der wichtigsten Innovationen des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein Paradebeispiel für gelungene Branchenkonvergenz, handelte es sich bei dem ersten Prototyp doch um eine mit einem neuen, ursprünglich für die Eisenbahn entwickelten Antriebssystem ausgestattete Pferdekutsche. Im Zuge seiner Geschichte konnte das Automobil von zahlreichen weiteren Konvergenzen profitieren: Bahnbrechende Erfindungen in der Metallurgie und Gummiproduktion führten zu besseren Werkstoffen für Karosserien und Reifen. Fortschritte in der Unterhaltungs- und Gebrauchselektronik und Telekommunikation ermöglichten die Ausstattung von Fahrzeugen mit Stereoanlagen und Autotelefonen.
Inzwischen ist der Automobilbau längst im digitalen Zeitalter angekommen. Heutige Automobilhersteller müssen entweder selbst über fortgeschrittene technologische Kompetenzen verfügen oder eng mit Technologieanbietern zusammenarbeiten, um Fahrzeuge zu produzieren, die zugleich als Computer mit vollem Funktionsumfang und der Fähigkeit für regelmäßige Upgrades fungieren. Im Wettbewerb haben Anbieter die Nase vorn, die ihre Autos mit fortgeschrittenen Selbstfahrfunktionen sowie Integrationsmöglichkeiten für Mobiltechnologie und entsprechende Apps ausstatten. Da es sich hierbei um eine digitale Konvergenz handelt, sind der Anzahl der Technologieprodukte, die über das Dashboard mit einem Auto verbunden werden können, keine Grenzen gesetzt.
Telefonie
Ein womöglich noch besseres Beispiel für Branchenkonvergenz ist das Telefon. Durch die Konvergenz mit drahtlosen und digitalen Technologien wurde aus dem klassischen Wandtelefon, mit dem sich nur Sprachanrufe tätigen ließen, ein Mobilgerät zum Versenden von SMS- und anderen Nachrichten. Die explosionsartige Entwicklung in puncto Bandbreite und Rechenleistung, die Erfindung des Touchscreens und das Aufkommen der Miniaturkamera gipfelten gemeinsam in der Konvergenz-Supernova namens Smartphone.
Medien- und Unterhaltungsbranche
Auch die Branche für visuelle Effekte (VFX) in ihrer heutigen Form ist das Ergebnis von Konvergenzen zwischen zuvor getrennten Aufgabenfeldern, die seit Anfang der 1990er-Jahre durch technische Fortschritte ermöglicht und beschleunigt werden. Als James Camerons Film „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“ 1991 mit wegweisenden Neuerungen auf dem Gebiet der Computergrafik Kinogeschichte schrieb, wurde in der Filmbranche noch mit analoger Technik, sequenziellen Abläufen und eingeplanten Wartezeiten zwischen den einzelnen Schritten gearbeitet.
Die Digitalisierung der Filmproduktion und der visuellen Effekte führte zu einer enormen Steigerung der Produktivität, entfielen doch nunmehr nicht-wertschöpfende Tätigkeiten. Sequenzielle wurden durch parallele Abläufe ersetzt, bei denen mehrere Teams zeitgleich an unterschiedlichen Aspekten des Projekts arbeiten. Diese parallele Arbeitsweise sowie die Nachfrage nach immer raffinierteren Effekten führte wiederum zur zunehmenden Spezialisierung der Tools und Kompetenzen und damit auch zur Ausgliederung des VFX-Bereichs aus den großen Filmstudios und Auftragsvergabe an externe Spezialanbieter. Insofern ist die Entstehung eines kreativen Wettbewerbs, der sich außerhalb der traditionellen Studiohierarchie entfaltet und auf Outsourcing und offenen Datenstandards basiert, als direkte Folge der industriellen Konvergenz zu werten.
Wettbewerbsfähigkeit in konvergierenden Branchen: Chancen und Herausforderungen für Unternehmen
Für die betroffenen Unternehmen werden oft erhebliche Umstellungen der Arbeitsverfahren und -abläufe erforderlich, um in konvergierenden Branchen ihre Marktstellung nicht preiszugeben. Insbesondere geht es hier um die Verabschiedung von linearen Prozessen, den Abbau von Kommunikationsschranken zwischen Abteilungen und die Förderung von Zusammenarbeit und Verantwortungssinn.
Die Zukunft gehört digitalen, automatisierten, agilen und integrierten Arbeitsweisen, die auf einem einheitlichen Informationsmodell und praxisbewährten Methoden aus unterschiedlichen Branchen beruhen. Hier sollen vier Kernaspekte derartiger Arbeitsweisen vorgestellt werden, die Unternehmen bei der Steigerung ihrer Agilität, Flexibilität und Innovationskraft unterstützen: digitale Koordinierung, Maßanfertigung on-Demand, virtuelle Gestaltung und kontinuierliche Modifizierung.
Digital, automatisiert, agil und integriert: 4 Kernaspekte zukünftiger Arbeitsweisen
1. Digitale Koordinierung
Vom Architektur-, Ingenieur- und Baugewerbe über das Produktdesign und die Fertigung bis hin zur Medien- und Unterhaltungsbranche werden Arbeitsabläufe in den verschiedensten Geschäftssparten zunehmend mithilfe von Digitaltools wie Autodesk BIM 360 oder anderen BIM-Anwendungen koordiniert und dokumentiert. Diese Tools unterstützen die Koordination von Abläufen mit anderen Teams, Ökosystemen und Lieferketten, die Automatisierung von Aufgaben und Umsetzung datengestützter Erkenntnisse mit phänomenalen Ergebnissen, die vor der Digitalisierung überhaupt nicht denkbar gewesen wären.
Als besonders leistungsstarkes Hilfsmittel haben sich digitale Zwillinge von Produkten bzw. Gebäuden erwiesen. Dabei handelt es sich um laufend aktualisierte, datenintegrierte Modelle, die anhand von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen die Leistung ihres physischen Gegenstücks überwachen und optimieren. Dadurch dass alle Projektbeteiligten auf dieselben Daten zugreifen können, wird eine effizientere Koordination und Zusammenarbeit möglich.
Auch an Autodesk Shotgrid lassen sich die Möglichkeiten digitaler Tools zur Unterstützung von Konvergenzprozessen gut veranschaulichen. Die Anwendung, die speziell für das Projektmanagement im Bereich VFX, Animation und Game-Design entwickelt wurde, führt sämtliche Daten aus den unterschiedlichen Arbeitsschritten auf einer zentralen Plattform zusammen und vereinfacht so die Koordination von Arbeitsabläufen zwischen Mitarbeitenden in unterschiedlichen Firmen und mehreren Zeitzonen. Dadurch lassen sich Projekte schneller abschließen und Kosten sparen.
Neben der effizienteren Koordinierung von Arbeitsabläufen bieten die entsprechenden Tools auch den Vorteil, dass Daten aus bereits abgeschlossenen Projekten abgerufen und ausgewertet werden können, um Optimierungen für zukünftige Arbeiten zu realisieren. Branchenübergreifend trägt die digitale Koordinierung der Arbeitsabläufe zur Vereinfachung und Verbesserung der Kommunikation bei – das gilt für die Zusammenarbeit zwischen sechs VFX-Studios an einer Folge von „Game of Thrones“ mithilfe von Shotgrid ebenso wie für die Koordinierung einer komplexen Baugruppe in der Fertigung oder die Integration technischer Daten in einen architektonischen Entwurf.
2. Maßanfertigung on demand
Kunden erwarten heute ein breites Angebot an Auswahl- und Individualisierungsoptionen, die für die Hersteller bislang in der Regel mit hohen Kosten verbunden waren. Die zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz in allen möglichen Branchen ebnet jedoch den Weg für flexiblere Prozesse. Viele Hersteller bieten bereits serielle Maßanfertigungen bzw. die Präzisionsfertigung kundenspezifischer Bauteile mit CNC-Werkzeugen an.
Generatives Design unterstützt Designer und Hersteller beim Entwickeln von Lösungen, die spezielle Planungsvorgaben erfüllen. Auch für die Maßanfertigung bietet die Technologie erhebliche Vorteile. Eine weitere wichtige Komponente sind die bereits erwähnten digitalen Zwillinge. Arbeitet ein Bauunternehmen beispielsweise mit einem externen Hersteller von Fertigbädern zusammen, wird letzterer dank des digitalen Zwillings in Echtzeit über Änderungen an den Abmessungen oder Ähnliches informiert.
Im analogen Zeitalter wurden Bauprojekte vor dem ersten Spatenstich bis ins Detail durchgeplant. Nachträgliche Änderungen waren mit einem hohen Kosten- und Arbeitsaufwand verbunden. Digitale Zwillinge sind hingegen lebendige Modelle, die sich laufend weiterentwickeln. Da sie iterativ und agil sind, sind Anpassungen jederzeit problemlos möglich. Wenn der Auftraggeber sich in letzter Minute für eine andere Fassade entscheidet, kann der digitale Zwilling kurzerhand entsprechend angepasst werden, um diese neuen Informationen dann umgehend an die beteiligten Hersteller von Fertigbauteilen weiterzugeben.
In Zukunft wird sich die Maßanfertigung zunehmend als Norm durchsetzen. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von Anbietern, die sich auf die regionsspezifische Nachbearbeitung von Spielfilmen spezialisieren, über Betriebe, die Ersatzteile für Maschinen im additiven Fertigungsverfahren bedarfssynchron herstellen, bis hin zu Herstellern verschiedener Modularkomponenten für Bauprojekte.
3. Virtuelle Gestaltung
Mithilfe digitaler Zwillinge und der virtuellen Umgebungen, die durch Extended Reality (XR) – ein Sammelbegriff für Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR) – möglich werden, können Gestalter ihre Entwürfe in Form von immersiven Erfahrungen modellieren. Bei der virtuellen Gestaltung werden neue Verbindungen zwischen der digitalen und der physischen Welt geschaffen. Digitale Zwillinge dienen zur Echtzeit-Visualisierung der Veränderungen an einem Gebäude oder Produkt. Simulationen des Produktverhaltens unter verschiedenen Umweltbedingungen geben Aufschluss über die Machbarkeit und Funktionstauglichkeit des betreffenden Produkts. Hyperrealistische Darstellungen auf dem Bildschirm oder in der XR-Umgebung entfalten dank visuell reichhaltiger multisensorischer Benutzererlebnisse eine starke Überzeugungskraft. Diese neuartigen Technologien zur virtuellen Gestaltung ermöglichen eine Transformation bisheriger Erwartungen und Erfahrungen.
Dank Multi-User-VR wird nicht nur die „Begehung“ von Gebäuden möglich, die noch gar nicht gebaut sind, sondern auch die Analyse der Ist- und Soll-Zustände laufender Bauprojekte. Projektbeteiligte können ihre Erfahrungen zu einem Gebäude austauschen, ohne es je betreten zu haben. Mithilfe von Simulationen können Rampen und andere Ausstattungsmerkmale getestet sowie die Brand- und Erdbebensicherheit des Gebäudes bewertet werden.
Mithilfe von Tools zur Unterstützung der virtuellen Gestaltung können Simulationen erstellt werden, anhand derer sich testen lässt, wie das Produkt sich unter realen Bedingungen verhalten würde. Daneben kann der Einsatz von digitalen Zwillingen in der Fertigung und Produktentwicklung auch aufzeigen, welche Aspekte des Produktdesigns geeignet sind, den späteren Wartungsaufwand zu verringern bzw. eine effizientere Fertigung zu gewährleisten. Im Automobil- und Flugzeugbau werden digitale Zwillinge bei der Entwicklung neuer Modelle verwendet. Im Energiesektor dienen digitale Repliken von Ölbohrplattformen und anderen komplexen Anlagen zur Analyse potenzieller Schwachstellen.
4. Kontinuierliche Modifizierung
Jenseits von Baustelle, Werkshalle oder Produktionsstudio lassen sich Produkte und Projekte von Eigentümern und Bedienern modifizieren, um beispielsweise ihre Leistung oder Benutzerfreundlichkeit zu verbessern bzw. sie an neue Bedürfnisse anzupassen.
Ein Beispiel hierfür ist die kontinuierliche Überwachung und Optimierung der Gebäudeleistung im laufenden Betrieb anhand von Sensordaten, die in den digitalen Zwilling des Gebäudes fließen. Diese Daten liefern Erkenntnisse darüber, wie sich beispielsweise durch Modifizierung der HLKK-Anlage oder einen Zeitplan für das Schließen und Öffnen von Fenstern die Energieeffizienz des Gebäudes verbessern ließe. Möglicherweise können auf diese Weise auch zu ersetzende Gebäudekomponenten oder zu aktualisierende Softwarelösungen innerhalb des Gebäudes identifiziert werden.
Die Elektrofahrzeuge von Tesla veranschaulichen, wie ein Fertigungsprodukt durch Datenüberwachung kontinuierlich modifiziert werden kann. Das Betriebssystem der Fahrzeuge wird laufend durch neue Funktionen und Erweiterungen ergänzt; anhand der erfassten Daten werden Aktualisierungen etwa an den Selbstfahr-Funktionen vorgenommen. Auch das vernetzte Display der Heimtrainer von Peloton wird ständig um neue Funktionen erweitert – gerade in hart umkämpften Märkten sind kontinuierliche Optimierungen bereits zur Notwendigkeit geworden, um die eigenen Produkte von denen der Mitbewerber abzusetzen.
Vorteile der Umstellung auf neue Arbeitsweisen
Am Beispiel der VFX-Branche wurde bereits deutlich, wie stark Konvergenz sich auf sämtliche Arbeitsverfahren, disziplinären Grenzen und relevanten Technologien der betroffenen Branchen auswirkt.
Effizientere Prozesse
Zu den größten Vorteilen zählen zweifellos die Effizienzgewinne, die sich erzielen lassen, wenn mehrere Menschen bzw. Teams an beliebigen Standorten gleichzeitig an ein und demselben Projekt arbeiten können. Digitisierungs- und Digitalisierungsprozesse haben nicht nur die Filmproduktion, sondern Planungs- und Fertigungskonzepte allgemein grundlegend verändert.
Die Konvergenz zwischen Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden beispielsweise führt dazu, dass Architekten, Bauingenieure und externe Fertigungswerkstätten nicht mehr sequenziell, sondern parallel arbeiten. Für den Bauherren bzw. Gebäudeeigentümer bedeutet das zugleich, dass er während des gesamten Lebenszyklus von der Planungs- bis zur Nutzungsphase mehr Kontrolle über die Koordinierung und bedarfsgerechte Anpassung im Rahmen der Bauarbeiten sowie die kontinuierliche Optimierung und Umgestaltung im weiteren Betriebsverlauf hat.
Mehr Kontrolle für Eigentümer
Die beschriebenen Arbeitsverfahren verschaffen den Bauherren einen transparenteren Einblick in sämtliche Projektabläufe und damit auch mehr Kontrolle. Zugleich eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Standardisierung und Modularisierung, die wiederum zur Optimierung verschiedener Leistungskennzahlen in Bezug auf Nutzererfahrung, Gebäudequalität, Betriebskosten, Kapitalausgaben, Nachhaltigkeit und Kohlenstoffbilanz beitragen.
Branchenkonvergenz am Beispiel der Smart City
Der Trend zur Entstehung sogenannter „Smart Cities“ zählt zu den vielleicht wichtigsten Neuerungen, die durch Branchenkonvergenz angestoßen wurden.
Smart Cities werden durch fünf Grundprinzipien definiert:
- Digitale Transformation auf Basis der Erfassung und Auswertung von Daten
- Städtisches Umfeld
- Mobilität: intelligente öffentliche Verkehrsnetze, automatische Verkehrsleitsysteme sowie Fuß- und Fahrradwege
- Haupt- und Finanzverwaltung
- Soziale Inklusion (gemeinsame Nutzung öffentlicher Räume und Ressourcen)
Im Vergleich zu herkömmlichen Städten basieren Planung und Betrieb sehr viel stärker auf Daten und digitalen Services. Dadurch werden verbesserte Voraussetzungen nicht nur für die Bewohner der Smart City, sondern u. a. auch für die Kommunalverwaltung, Auftragnehmer im Infrastrukturbereich, Versorgungs- und Verkehrsbetriebe geschaffen.
Viele Ideen, die die Smart City der Zukunft kennzeichnen könnten, sind aktuell noch Jahre von der Realisierung entfernt: intelligente Strom- und Wasserversorgung, Induktionsspuren zum kabellosen Laden von Elektroautos und KI-gestützte Automatisierung der Straßenbeleuchtung und Verkehrsregelung. Die Entwicklung läuft jedoch auf Hochtouren und erfordert neue – und bessere – Methoden der Zusammenarbeit zwischen Architekten, Bauingenieuren, Planern, Fertigungsbetrieben, General- und Subunternehmern sowie Bauherren insbesondere in Bezug auf die Konvergenz von Daten und Arbeitsabläufen.
So wäre etwa eine Zusammenarbeit zwischen Verkehrsbetrieben und Auftragnehmern im Straßen- und Infrastrukturbau bzw. den Kommunen selbst bei der Planung des öffentlichen Nahverkehrs für eine Smart City denkbar. Mit der Entwicklung von Kleinbussen mit Elektroantrieb für den flexiblen on-demand-Einsatz – künftig auch im Selbstfahrmodus – profiliert sich das britische Start-up Arrival mit einem Vorstoß in diese Richtung. Die Fragen, die es nun anhand einschlägiger Daten zu beantworten gilt, lauten: Wo lassen sich diese Busse am sinnvollsten und sichersten einsetzen? Wo und zu welchen Zeiten begünstigen die Verkehrsmuster ihren Einsatz? Inwieweit können sie andere öffentliche Verkehrsmittel ergänzen oder ersetzen?
Konvergenz lässt neue „Plattformen“ – und neue Wettbewerbsbedingungen – entstehen
Die Planung des öffentlichen Nahverkehrs für Smart Cities ist ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte der Konvergenz innerhalb der Automobilbranche – doch bei Weitem nicht das letzte. Bereits heute arbeiten zahlreiche Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen – von Autobauern über Elektronikhersteller bis hin zu Baufirmen – an der Entwicklung facettenreicher „Erfahrungen“ mit Add-ons, Optionen zur Individualisierung, verschiedenen Abo-Tarifen usw. Dabei handelt es sich weniger um Produkte im herkömmlichen Sinn als vielmehr um Plattformen.
Folgerichtig positionieren sich auch die großen Autohersteller zunehmend als Spezialisten für digitale Mobilität bzw. digitale Fahrerlebnisse. Dies erfordert Investitionen in Softwareentwicklung und den Aufbau eines Ökosystems an Dienstleistern. Bereits jetzt sind Fahrzeuge mit AR-optimierten Displays auf dem Markt erhältlich, die ihre Umgebung omnidirektional überwachen und Angaben sowohl zu physischen Gegebenheiten als auch zu den im Fahrzeug verfügbaren Video- und Audiofunktionen anzeigen.
Die Investitionen, die erforderlich sind, damit aus klassischen Autoherstellern Technologieunternehmen werden, bedeuten für etablierte Unternehmen nicht nur eine erhebliche finanzielle Belastung, sondern setzen sie auch neuen Wettbewerbsrisiken aus. Denn neben den traditionellen Mitbewerbern aus der Automobilbranche müssen sich Anbieter von Mobilitätsplattformen nun auch gegen neuere Konkurrenten wie Uber durchsetzen, die sich ausschließlich auf digitale Mobilität spezialisiert haben (und die ihre Existenz der Konvergenz zwischen Mobilität und Smartphones verdanken).
Tesla – ein Autohersteller, der sich seit jeher als Technologieunternehmen versteht – hat einen Masterplan, der u. a. vorsieht, dass Tesla-Eigentümer ihre Autos mithilfe zeitlich befristeter digitaler Schlüssel an andere Fahrer vermieten können. Wenn die Autos irgendwann vollständig autonom fahren, würde der Mietende also ähnlich wie bei Uber eine Fahrt in einem selbstfahrenden Tesla buchen, dessen Eigentümer sozusagen als Betreiber einer Mini-Mitfahragentur fungieren würde.
Auch in der AEC-Branche ist eine Evolution von Produkt- zu Plattformanbietern zu beobachten. So ist ein führender Hersteller von Bautechnologie aktuell dabei, eine datengestützte Plattform zur Überwachung und Optimierung der Gebäudeleistung zu entwickeln. Diese Systeme spielen eine wichtige Rolle bei den Konvergenzprozessen, die erforderlich sind, um aktuellen Anforderungen im Bauwesen gerecht zu werden. Zugleich macht die Neupositionierung als Datenunternehmen den betreffenden Anbieter anfällig für Konkurrenz seitens Google und anderer Mitbewerber mit ausgereiften Kompetenzen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und Analytik.
Wie sieht die Zukunft der Konvergenz aus?
Fest steht: Die Konvergenz zwischen Branchen und die Umstellung von sequenziellen auf parallele Arbeitsabläufe wird auch in Zukunft weitergehen – die Frage ist nur, mit welcher Geschwindigkeit und mit welchen Auswirkungen.
In seinem 2020 gemeinsam mit Steven Kotler veröffentlichten Buch „The Future Is Faster Than You Think“ vertritt der XPRIZE-Gründer und Unternehmer Peter Diamandis die Auffassung, dass die Geschwindigkeit der Konvergenz zwischen neuen Technologien – KI, Robotertechnik, Internet der Dinge (IoT), digitale Biologie, XR, Blockchain, globale Konnektivität im Gigabit-Bereich usw. – aktuell exponentiell zunimmt und sich in naher Zukunft auf sämtliche Aspekte des Privat- und Soziallebens auswirken wird.
Auch hier sei wieder auf das Smartphone verwiesen, dessen Markteinführung zahlreiche Geschäftssparten von der Kameratechnik über Computer und Videospiele bis hin zum Verlagswesen ebenso grundlegend veränderte wie das Alltagsleben vieler Menschen. Je mehr Branchen von Konvergenz betroffen sind, desto mehr werden ähnliche Disruptionen in der Wirtschaft zur Norm werden – wobei schwer vorauszusehen ist, welche Formen sie konkret annehmen werden.
Mit einiger Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass bestimmten Branchen Disruptionen aus verschiedenen Richtungen bevorstehen. Insbesondere gilt dies für den Verkehrs- und Transportsektor. Hyperloop-Schwebebahnen mit Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 1.000 Stundenkilometern könnten sämtliche bisherigen Formen der Personenbeförderung vom Flug- bis zum Autoverkehr komplett verändern. Der alte Traum vom fliegenden Auto könnte in Form von autonomen Passagierdrohnen Wirklichkeit werden und den heute gängigen Taxi- und Mitfahrservices Konkurrenz machen. Was wäre wiederum, wenn zeitgleich die Fortschritte auf dem Gebiet der VR-Technologien so realistische und überzeugende Erfahrungen ermöglichen würden, dass in Zukunft immer weniger Menschen zum Arbeitsplatz pendeln, Freunde und Verwandte besuchen oder Urlaubsreisen machen? Diese technischen Errungenschaften gingen unweigerlich auf Kosten der wirtschaftlichen Machbarkeit von Hyperloop-Bahnen und Passagierdrohnen.
Niemand kann voraussagen, ob eine bessere Lösung für ein bestimmtes Produkt- oder Leistungsangebot womöglich von einer anderen Lösung überholt wird, die die Nachfrage nach dem betreffenden Produkt oder der Dienstleistung zum Erliegen bringt. Es liegt in der Natur der Sache, dass Konvergenz unterschiedliche Welten mit teils widersprüchlichen Interessen miteinander in Berührung bringt und verschiedene Ansätze für ähnliche Probleme hervorbringt. Technologische Disruptionen können einzelnen Unternehmen schaden und dennoch insgesamt eine Bereicherung für die Menschheit darstellen. Es gibt gegenwärtig viele Probleme, die einer Lösung harren – und glücklicherweise viele Branchen, Technologien und Berufsstände, die sie im Zuge der Konvergenz gemeinsam zu lösen versuchen.
Alex Stern befasst sich im Rahmen des Cross-Industry Strategy Team bei Autodesk mit der Planung und Umsetzung branchenübergreifender Initiativen.