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Wasser als Lebensader der Industrie: Wie die USA in Sachen Infrastruktur neue Wege gehen

Die Infrastruktur in den USA weist Leckagen auf

  • Wasser ist ein unverzichtbares Produktionsmittel in den industriellen Wirtschaftszweigen. Denn bei einem Wassermangel drohen den Unternehmen horrende Verluste
  • Eine marode Infrastruktur und undichte Leitungen sind ein Risiko für Fertigungsbetriebe in den USA
  • Öffentlich-private Partnerschaften könnten der Schlüssel zur Schließung von Finanzierungslücken für groß angelegte Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserinfrastruktur sein 

Die Zentren der amerikanischen Fertigungsindustrie sind durch ein leistungsstarkes Netz aus Schienen, Straßen und Stromleitungen miteinander verbunden. In der allgemeinen Wahrnehmung braucht es vor allem Energie, Fleiß und innovative Technologien, damit in den großen Werkhallen mit den unermüdlichen Fließbändern, High-Tech-Labors und Chemieanlagen des Landes die vielen verschiedenen, von der modernen Gesellschaft nachgefragten Konsumgüter hergestellt werden können.

Was dagegen weniger Beachtung findet, ist die Tatsache, wie sehr die Branche insbesondere auch auf Wasser angewiesen ist. Dabei werden marode Wasserleitungen, veraltete Wasserwerke und überlastete Aufbereitungsanlagen zunehmend zu einem kritischen Standortfaktor.

„Wenn wir von Infrastruktur sprechen, denken wir in der Regel an Dinge, die wir täglich vor Augen haben, so wie die Autobahnen, die wir täglich nutzen“, beschreibt Robyn M. Boerstling die vorherrschende Erfahrungswelt. Als Vizepräsidentin für Infrastruktur, Innovation und Personalpolitik bei der National Association of Manufacturers (NAM) ist sie Teil einer Allianz, die versucht, die öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf wichtige Infrastrukturen in den Vereinigten Staaten zu korrigieren. „Es geht schließlich nicht nur um Straßen, Brücken und all die großen Anlagen, die alle vor Augen haben. Ohne Wasser geht in der Produktion ebenso wenig, wie ohne eine leistungsstarke digitale Infrastruktur.“

Wasser – ein wertvolles Gut in der Fertigungsindustrie

Dieser dringende Handlungsbedarf hat die gemeinnützige Organisation United for Infrastructure (UFI), eine Industriepartnerschaft, der auch die NAM angehört, dazu veranlasst, im Rahmen ihrer Konferenz „A Week to Champion America's Infrastructure“ im September 2020 den Schwerpunkt auf Wasser zu legen. Während die Energie- und Verkehrssysteme in der Regel die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist Wasser für das produzierende Gewerbe genauso lebenswichtig. Laut einer Studie der Value of Water Coalition verzeichnet ein durchschnittliches US-Unternehmen an jedem Tag, an dem kein Wasser zur Verfügung steht, Umsatzeinbußen in Höhe von umgerechnet 210 Euro pro Mitarbeitenden. In wasserintensiven Segmenten kann der Verlust sogar bis zu 5.300 Euro pro Mitarbeitenden betragen.

Robyn M. Boerstling ist Vizepräsidentin für Infrastruktur, Innovation und Personalpolitik bei der National Association of Manufacturers (NAM) in den USA
Robyn M. Boerstling, Vizepräsidentin für Infrastruktur, Innovation und Personalpolitik bei der National Association of Manufacturers (NAM). Credit: Robin M. Boerstling.

Leider hat sich das Problem in den vergangenen zehn Jahren eher verschärft. So stellte die American Society for Civil Engineers (ASCE) zuletzt fest, dass es in den Vereinigten Staaten jedes Jahr etwa 240.000 Havarien an den Wasserversorgungsleitungen gibt, von denen jede die Schließung einer Produktions- oder Industrieanlage zur Folge haben kann. Durch derartige Leckagen gingen demnach allein im Jahr 2019 landesweit Trinkwassermengen im Wert von umgerechnet 7 Milliarden Euro verloren.

„Diese Betriebe können ohne Wasser nicht existieren. Für Unternehmen wie Intel ist Wasser eine kritische Komponente“, verdeutlicht Greg DiLoreto die Abhängigkeit der Branche von einer funktionierenden Wasserinfrastruktur. Der Ingenieur und ehemalige Präsident der ASCE kennt das Problem. In einem einschlägigen Bericht bewertete die ASCE die Wasserinfrastruktur der USA kürzlich nur mit der Zustandsstufe (grade) „D“.

Fehlende Investitionen in die Infrastruktur gefährden die Industrie in den USA

„In den Vereinigten Staaten wurde viel getan, um den Wasserverbrauch der Haushalte und Industriestandorte zu senken“, berichtet Boerstling. Die zur Versorgung dieser Haushalte und Unternehmen erforderlichen Rohrleitungen und Anlagen hätten allerdings nicht die gleiche Aufmerksamkeit bekommen – möglicherweise, weil diese in der Erde liegen und damit nicht ins Auge fallen. Hier seien zusätzliche und robustere Finanzierungsmechanismen nötig.

Ein Teil der Strategie zur Lösung dieses Problems besteht weiterhin darin, jede Verschwendung zu vermeiden und sorgfältig mit den wertvollen Wasserressourcen umzugehen. Halbleiterhersteller, Rechenzentren und andere hochtechnisierte Standorte, die für die digitale Wirtschaft entscheidend sind, benötigen zum Teil Reinstwasser (Ultra Purified Water, UPW). Ein typisches Halbleiterwerk benötigt pro Tag 7,5 bis 15 Millionen Liter Reinstwasser. Für viele Hersteller stellt die Wasserversorgung ein kritisches Geschäftsrisiko dar.

„Obwohl diese Abnehmer aus dem Hightech-Segment große Mengen Reinstwasser benötigen, führt dies nicht zu einem Anstieg des Wasserverbrauchs in den Haushalten“, erklärt DiLoreto. Durch immer raffiniertere Verfahren für die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Wasser können Rechenzentren beispielsweise zu einem allgemeinen Rückgang des Wasserverbrauchs beitragen. Manche dieser Unternehmen haben mit Verdunstungskühlung experimentiert und eigene Aufbereitungsanlagen gebaut, um Server mit aufbereitetem Wasser zu kühlen. Tatsächlich sei der Wasserpreis sogar gestiegen, da die örtlichen Versorgungsunternehmen versuchen, die Finanzierung der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen zu sichern. DiLoreto schätzt, dass ihnen dafür inzwischen umgerechnet 43 Milliarden Euro fehlen dürften.

Das Problem bei der Instandsetzung von Leitungen und der Modernisierung der Infrastruktur liegt in der Finanzierung. „Investoren interessieren sich nicht für die Reparatur von Wasserleitungen, denn sie erkennen darin kein lukratives Geschäftsmodell“, weiß DiLoreto. Zudem sind die Wasserleitungsnetze dezentralisiert: In den USA gibt es 53.000 Wasserversorgungsunternehmen, von denen mehr als die Hälfte eigenständige Betriebe sind, die weniger als 500 Menschen versorgen –kleine Akteure, die Schwierigkeiten mit der Beschaffung finanzieller Mittel haben.

Die Infrastruktur in den USA befördert täglich große Mengen Wasser in die Halbleiterwerke
Halbleiterwerke benötigen jeden Tag bis zu 15.000 Kubikmeter Wasser.

DiLoreto berichtet, dass sich Wasserversorgungsunternehmen in der Regel darauf konzentriert hätten, den Zugang zu sauberem Wasser zu verbessern. Dies sei ein erstrebenswertes Ziel, das in der Vergangenheit aber auch verhindert habe, dass genügend Geld für neue Investitionen in eine nachhaltige Infrastruktur aufgebracht werden konnte. Neue Finanzierungsprogramme könnten helfen, diese Lücke zu schließen und alte Leitungen und Anlagen zu sanieren.

„In Washington D.C. gibt es Leitungen, die schon seit dem Bürgerkrieg dort liegen“, kritisiert er. Es sei inakzeptabel, dass das Land offenbar noch immer auf Infrastrukturen aus dem 19. Jahrhundert angewiesen ist.

Sanierung der Infrastruktur in den USA braucht passende Formen der Finanzierung

Um die Finanzierung der Projekte zu ermöglichen, schlagen die NAM und andere Branchenvertreter vor, mehr öffentlich-private Partnerschaften zu bilden. So ließen sich die Investitionen des Privatsektors in die Wasserinfrastruktur ankurbeln. Mit Initiativen wie dem 2014 verabschiedeten Water Infrastructure Finance and Innovation Act können staatliche Stellen zusätzliche Mittel für Sanierungsmaßnahmen und Investitionen erschließen.

Auf der anderen Seite sieht Boerstling auch Bedarf, die Rahmenbedingungen für Investitionen auf Bundesebene zu verbessern und unnötige Hindernisse abzubauen. So stellt die US-amerikanische Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency) beispielsweise begrenzte Bundesmittel im Rahmen der Clean Water State Revolving Funds zur Verfügung. Gleichzeitig schränkt das Programm jedoch private Anleihen ein. Auch eine Studie von PricewaterhouseCoopers hat ergeben, dass die Aufhebung dieser Einschränkungen neben anderen regulatorischen Veränderungen zusätzliche Investitionen in die Wasser- und Abwasserinfrastruktur in Höhe von bis zu umgerechnet 62 Mrd. Euro bewirken könnten.

Auch ein Walzwerk ist auf eine zukunftsfähige Infrastruktur in den USA angewiesen
Wasser wird beispielsweise zur Kühlung in einem Walzwerk benötigt.

Auch die Kommunen haben es sich zunehmend zur Aufgabe gemacht, neue Wege für die Finanzierung der Projekte zu finden. Einige von ihnen haben Strategien zur wirtschaftlichen Entwicklung auf die Beine gestellt, bei denen Verbesserungen an der Infrastruktur eine besondere Priorität eingeräumt wird. Eine Datenerhebung der gemeinnützigen Organisation CDP unter 80 Kommunen ergab, dass diese in den letzten Jahren umgerechnet 8,6 Mrd. Euro in siedlungswasserwirtschaftliche Projekte investiert haben. Die Stadt Phoenix hat Anleihen im Wert von 360 Millionen Euro ausgegeben, um im Rahmen umfassenderer Maßnahmen zur Anpassung an die zunehmende Trockenheit neue Wasserinfrastrukturprojekte zu unterstützen und eine Anlage zu ermöglichen, die einen Apple-Zulieferer mit Wasser versorgen wird. Auch im Loudoun County im US-Bundesstaat Virginia, wo sich eines der 13 nordamerikanischen Rechenzentren von Google befindet, plant man den Bau eines Abwasseraufbereitungszentrums mit Mitteln aus dem eigenen Capital Improvement Program.

Darüber hinaus unterzeichnete US-Präsident Joe Biden 2021 ein Infrastrukturgesetz, das umgerechnet mehr als 45 Milliarden Euro zur Verbesserung der Siedlungswasserinfrastruktur in den Vereinigten Staaten bereitstellt. 2022 waren davon bereits 3,6 Mrd. Euro ausbezahlt. Um die Fertigstellung der Projekte abzusichern, können bestehende Finanzierungslücken durch private Unterstützung geschlossen werden, bis weitere Mittel zur Verfügung stehen.

Führungskräfte aus der Industrie setzten ihre Hoffnungen in neuartige und innovative Formen der Finanzierung. So, wie die technologischen Innovationen ständig neue Chancen für die Fertigung schaffen, sollen diese dafür sorgen, dass die Wirtschaft keine mangelnde Wasserversorgung befürchten muss.

Dieser Artikel wurde aktualisiert. Er wurde ursprünglich im September 2020 veröffentlicht.

Über den Autor

Patrick Sisson lebt als Publizist in Los Angeles und hat sich auf Themen aus den Bereichen Architektur und Kultur spezialisiert. Seinetwegen kam Stefan Sagmeister zu spät zu einem Date, und Gil Scott-Heron monierte, er stelle zu viele Fragen. Beiträge von ihm erschienen unter anderem in Dwell, Pitchfork, Motherboard, Wax Poetics, Stop Smiling und dem Chicago Magazine.

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