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Von Science Fiction zur Realität: Wie Intelligente Gebäude neue Maßstäbe setzen

Intelligente Gebäude lassen sich auch mit Mobilgeräten vernetzen
Als intelligente Architektur wird der Einsatz von datengestützten Planungstools, KI und maschinellem Lernen zur Verbesserung der energetischen Effizienz, Reduzierung von Verschwendung und Optimierung von Sicherheit, Komfort und Resilienz bezeichnet.
  • Neue Technologien und Tools ermöglichen die Planung effizienter und nachhaltiger Gebäude, die im Laufe ihres Lebenszyklus kontinuierlich optimiert werden
  • BIM, digitale Zwillinge sowie die Echtzeit-Daten aus vernetzten Gebäudesensoren ermöglichen die Automatisierung von Planungs- und Instandhaltungsaufgaben und unterstützen Architekten, Gebäudeplaner und Bauingenieure bei der Optimierung von Projekten auf Effizienz, Intelligenz und Resilienz
  • Intelligente Gebäudeplanung führt zu weniger Verschwendung bei der Bauausführung, effizienterem Gebäudebetrieb, mehr Sicherheit und Komfort für die Gebäudenutzer; so entstehen resiliente, reaktive Wohn- und Gewerbeimmobilien und öffentliche Infrastrukturbauten

Kreative Fortschritte bei der Planung und Realisierung neuer Gebäude entstehen durch ein komplexes Zusammenwirken von architektonischer Vision und technischer Innovation. In dieser neuen Ära der intelligenten Architektur, die das Gebäude als Maschine konzipiert, setzen solche Fortschritte ein Verständnis für die Möglichkeiten intelligenter Architektur und den Einfluss neuer Technologien auf die Abläufe in der Gebäudeplanung voraus. Weit über die Bauphase hinaus können intelligente Prozesse auch zur Optimierung von Betrieb, Nutzung und Instandhaltung des fertigen Gebäudes beitragen. 

Was versteht man unter intelligenten Gebäuden?

Intelligente Gebäude zeichnen sich vor allem durch den Einsatz von Sensoren, Werkstoffen, Steuerelementen und Tools zur Datenerfassung aus, die auf die Optimierung der Reaktivität, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Effizienz sowie des Komforts ausgelegt sind. Die technologiegestützte Planung und Realisierung solcher optimierten Bauten wird entsprechend als intelligente Architektur bezeichnet.

In vielerlei Hinsicht sind intelligente Gebäude mit Computern zu vergleichen, haben aber auch gewisse Eigenschaften mit lebendigen Organismen gemeinsam. Mithilfe von Bewegungsmeldern und fortschrittlicher Klimatechnik kann die Auslastung und Raumluftqualität laufend überwacht werden. Intelligente Architektur beinhaltet die Anwendung komplexer Systeme und Verfahren zur Auswertung und Umsetzung der aus diesen interaktiven Anlagen gewonnenen Erkenntnisse zur Verbesserung künftiger Bauprojekte.

Intelligente Gebäude erweitern den Gestaltungsspielraum von Architekten
Neue Technologien optimieren die Planung intelligenter und effizienter Gebäude und erweitern den Gestaltungsspielraum von Architekten.

Auf welchen Technologien beruhen intelligente Gebäude?

Bei der Planung intelligenter Bauten arbeiten Architekten mit einer Vielzahl innovativer und zukunftsweisender Technologien. Mithilfe von Tools wie Gebäudedatenmodellierung (BIM) ist es schon seit längerem möglich, Bilder zu erfassen, 3D-Modelle zur schnellen Prototypenentwicklung und zum Testen von Bauplänen zu erstellen und geografische bzw. finanzielle Sachzwänge bei der effizienten Raumplanung zu berücksichtigen. Durch Arbeiten mit digitalen Zwillingen – komplexen, zumeist cloudbasierten Simulationen geplanter oder bereits existierender Bauten – können Planungsteams vor Beginn der Bauarbeiten die Form, Strukturelemente, Ausstattung und Optik eines Gebäudes unter unterschiedlichen Bedingungen testen und optimieren.

Neuere Technologien gehen über diese Möglichkeiten noch hinaus und unterstützen komplexe Feedbackschleifen, die die Daten aus existierenden intelligenten Gebäuden für die Planung zukünftiger Projekte nutzbar machen. Durch Integration einer Vielzahl zusammenwirkender Sensoren und Steuerelemente erhalten Architekten zuverlässige Auskünfte u. a. über die Energieeffizienz eines Gebäudes sowie die Auslastung und Nutzungskonzepte für bestimmte Bereiche oder auch einzelne Räume. Mithilfe dieser Informationen werden intelligentere und effizientere Planungsentscheidungen möglich. Generatives Design – also die technologiegestützte Erstellung von Planungsentwürfen anhand von Algorithmen und vordefinierten Parametern – erschließt ebenfalls neue Perspektiven, da die Software das iterative Verfahren der Optimierung von Bauplänen dramatisch beschleunigt. Dabei entstehen immer wieder überraschende, aber überzeugende Bauideen, auf die so schnell kein Mensch gekommen wäre.

Neben der Fülle von Daten zu Nutzung und Betrieb der fertigen Gebäude, die durch diese Planungstools bereitgestellt und ausgewertet werden, eröffnen sie auch neuartige bautechnische Möglichkeiten. Durch industrielle Vorfertigung und modulare Bauweise lassen sich deutliche Kostensenkungen und Zeiteinsparungen gegenüber herkömmlichen Verfahren erzielen.

Intelligente Gebäude und digitale Zwillinge: Simulation von Planungsszenarien möglich
Mit digitalen Zwillingen können vor Beginn der Bauarbeiten unterschiedliche Planungsszenarien simuliert werden.

Vorteile intelligenter Gebäude

Im Idealfall führt das Zusammenwirken der verschiedenen Tools und Technologien zu Bebauungskonzepten, die auf der Grundlage umfassender Daten aus früheren Projekten entwickelt und optimiert wurden. Dadurch lassen sich sowohl die Projektkosten als auch der Werkstoffverbrauch deutlich reduzieren. Weitere Effizienzgewinne in Bezug auf Ressourcenplanung und gestraffte Abläufe werden durch die Kombination intelligenter digitaler Planungsverfahren mit Modular- und Fertigbau ermöglicht.

Die langfristige Instandhaltung wird durch die Möglichkeit, aus früheren Fehlern zu lernen und die Gebäudeleistung durch kontinuierliche Überwachung und Datenerfassung zu optimieren, ebenfalls radikal vereinfacht. Sensoren, die heute Daten zum Betrieb von Hotel- oder Bürogebäuden erfassen, unterstützen Architekten bei der Planung der Hotels und Büroimmobilien von morgen. Intelligente Planung verbessert die Gebäuderesilienz und vereinfacht die Reparatur oder den Austausch defekter Bauteile oder veralteter mechanischer Anlagen. Datengestützte Planungsentscheidungen ermöglichen die effizientere Nutzung von Heiz- und Kühltechnik sowie eine deutliche Reduzierung (PDF) des Energieverbrauchs und der Gebäudeemissionen.

Durch eine intelligentere und effizientere Planung des Werkstoffbedarfs, wie sie mit Generativem Design möglich wird, lassen sich Abfälle und Materialverschwendung bei Bauprojekten reduzieren. In einer Branche, die nach wie vor von herkömmlichen Techniken, Formen und Verfahren dominiert wird, können neue Technologien zudem den Impuls geben, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und mit neuen Ansätzen zu experimentieren: beispielsweise dem der biomimetischen Gestaltung (Bionik), also der Nachahmung von in der Natur vorhandenen Modellen, Systemen und Elementen zur Optimierung von Energieeffizienz und Gebäudeleistung. Beim Frontier Project, einem Musterprojekt für Energie- und Wassereffizienz im kalifornischen Dürregebiet Rancho Cucamonga 70 km östlich von Los Angeles, werden die Vorteile naturbasierter Lösungen wie Verdampfungskühlung und Wärmespeicherung eindrücklich nachgewiesen.

Intelligente Gebäude und Effizienzgewinne
Die Kombination digitalisierter Planungsverfahren mit Modular- und Fertigbau ermöglicht deutliche Effizienzgewinne in Bezug auf Ressourcenplanung und gestraffte Abläufe.

Intelligente Gebäude in der Praxis: 3 Beispiele

Die Digitalisierung der Bauplanung hat den Gestaltungsspielraum für Architekten bereits enorm erweitert. Für die Zukunft sind weitere Innovationsschübe zu erwarten, die u. a. die Entstehung reaktiver, dynamischer Räume und Umgebungen für die Unterhaltungs- und Kreativbranche begünstigen.

In einem Stadtteil von Peking, der bis heute von Hutongs und Siheyuans – engen Gassen mit Wohnhöfen in traditioneller Bauweise – geprägt ist, zeigt das Baitasi House of the Future spannende Möglichkeiten auf, historisches Kulturerbe mit technischer Innovation zu fusionieren. Das nach einem Entwurf von Dot Architects erbaute Wohnhaus basiert auf einem ausgeklügelten Automatisierungskonzept mit einer Reihe beweglicher Module, die die Umwandlung von Wohn- in Arbeitsbereiche ermöglichen. Der Bauplan beruht im Wesentlichen auf quelloffenen Grundrissen, die im Rahmen des WikiHouse-Projekts im Internet zur Nutzung bereitgestellt werden.

Das nachhaltigste Bürogebäude Europas mit einer BREEAM-Bewertung von 98,36 % steht im Amsterdamer Stadtteil Zuidas direkt an der Autobahn. The Edge ist mit 28.000 vernetzten Sensoren ausgestattet, sodass sämtliche Aspekte des Gebäudebetriebs – von der Raumbuchung über die individuelle Regulierung der gewünschten Beleuchtung und Temperatur am Arbeitsplatz – sich mithilfe von Apps steuern lassen. Die Immobilie wurde als Sitz für Deloitte Niederlande geplant und als hochgradig effiziente und reaktive Umgebung konzipiert, die kontinuierlich Nutzungsdaten und Feedback von den Angestellten einholt und aus diesen Daten lernt, Probleme diagnostiziert und eigenständig korrigiert.

Dass auch ein tausend Jahre alter Sakralbau von den Vorteilen zukunftsweisender Technologien und neuer Erkenntnisse aus der Werkstoffforschung profitiert, zeigt die Modernisierung der Westminster Abbey in London mit drahtlos gesteuerter LED-Beleuchtung und Klimatechnik, für die der kalifornische Spezialanbieter Xicato verantwortlich zeichnete. Der Einbau neuer Technologien in historische Gebäude ist mit inhärenten Herausforderungen verbunden, die sich aber durch ein gut durchdachtes Konzept und umsichtiges Vorgehen meistern lassen und durch die deutliche Verbesserung der energetischen Effizienz und Emissionsbilanz mehr als aufgewogen werden.

Intelligente Gebäude: Westminster Abbey mit drahtlos gesteuerter LED-Beleuchtung und Klimatechnik modernisiert
Die altehrwürdige Westminster Abbey wurde mit drahtlos gesteuerter LED-Beleuchtung und Klimatechnik modernisiert. Credit: Xicato Smart Lighting Controls.

Bessere Lebensqualität dank intelligenter Stadtplanung

Die Vorteile intelligenter Planungskonzepte potenzieren sich, wenn sie nicht auf einzelne Gebäude beschränkt bleiben, sondern auf ganze Stadtteile, Bezirke oder gar Städte angewandt werden. Innovative digitale Technologien und Tools zur Datenerfassung und -analyse prägen das Stadtbild der Zukunft und spielen eine entscheidende Rolle zur Unterstützung von Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung städtischer Lebensqualität, Resilienz und Nachhaltigkeit durch öffentlichen Nahverkehr mit „Tür-zu-Tür-Mobilität“, einladende Fahrrad- und Fußwege und energieeffiziente Mischnutzungskonzepte.

Dieser Beitrag wurde aktualisiert. Die englische Originalfassung erschien ursprünglich im Januar 2020.

Über den Autor

Patrick Sisson lebt als Publizist in Los Angeles und hat sich auf Themen aus den Bereichen Architektur und Kultur spezialisiert. Seinetwegen kam Stefan Sagmeister zu spät zu einem Date, und Gil Scott-Heron monierte, er stelle zu viele Fragen. Beiträge von ihm erschienen unter anderem in Dwell, Pitchfork, Motherboard, Wax Poetics, Stop Smiling und dem Chicago Magazine.

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