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Karim Rashid, Designer und „Prinz des Plastiks“, schaut grundsätzlich nur nach vorne

Karim Rashid. Mit freundlicher Genehmigung von Karim Rashid.

Karim Rashid ist kein großer Freund von alten Traditionen. Der Industriedesigner ist gebürtiger Ägypter, wuchs in Kanada auf und besitzt mittlerweile die US-Staatsbürgerschaft. In seinem Manifest fordert er, dass „die Menschen im Modus unserer Zeit leben, an der heutigen Welt teilnehmen und sich von Nostalgie, veralteten Traditionen, Ritualen und Kitsch befreien“. Eine Hommage.

Bereits beim ersten Blick auf seine kühn geschwungenen Werke und seine grellpinke Kleidung wird jedem Betrachter klar, dass der Mann, den das Time Magazine einst den „Prinz des Plastiks“ nannte, nicht viel für Gleichförmigkeit im Alltag übrig hat.

Papierkorb, Modell „Garbo“. Mit freundlicher Genehmigung von Karim Rashid.
Papierkorb, Modell „Garbo“. Credit: Karim Rashid.

Rashid machte sich Mitte der Neunzigerjahre einen Namen, als er für den Hersteller Umbra den Papierkorb Garbo nach der Silhouette der Schauspielerin Greta Garbo gestaltete. Seither haben viele seiner innovativen Entwürfe ihren Weg in die Produktpaletten von Luxusmarken wie Christofle, Veuve Clicquot und Alessi gefunden. Er liefert Designs für Mobiltelefonhersteller wie Asus und Samsung, erstellt Verpackungen für Method und Hugo Boss, entwirft Ausstellungskonzepte für die Deutsche Bank und Audi und richtet Hotellobbys in Athen, Berlin und Bahrain ein. Seine Niederlassungen befinden sich zurzeit in New York und Shenzhen.

Mittlerweile werden mehr als 4.000 seiner Designs in über 40 Ländern produziert und einige seiner Werke werden weltweit in Kunstgalerien ausgestellt. Für den geschäftigen Designer ist dies nur konsequent, sieht er seine Aufgabe doch in der grundlegenden Veränderung der Art und Weise, wie Menschen auf der ganzen Welt die Gegenstände und Räume in ihrem Alltag begreifen. Mit uns sprach er über sein kreatives Schaffen und darüber, warum er nicht aufhört, nach dem Schönen und dem Einzigartigen zu suchen.

Woher nehmen Sie Ihre Ideen für eine solche Vielfalt an Produkten?

Karim Rashid: Mein Vater war Maler und Kulissenbauer für Filmsets. Außerdem entwarf er Möbel und Kleidung für meine Mutter. Er war ein Universalgenie mit vielseitigen Interessen, und auf unserem Wohnzimmertisch lagen immer verschiedene Bücher aus der Bücherei über Modedesigner wie Yves Saint Laurent oder Pierre Cardin. Er war fasziniert von Industriedesignern wie Raymond Loewy und Philippe Starck, von Architekten wie Oscar Niemeyer, Le Corbusier oder Michael Graves und von Künstlern wie Picasso und Warhol. Die Grenzen zwischen diesen Berufsbildern – Künstler, Innenarchitekten, Möbeldesigner – wurden zunehmend fließend. Als mich mein Vater mit seinem Interesse für Bücher über angewandte Künste ansteckte, fing auch ich an, fest daran zu glauben, dass es bei der Gestaltung keine Grenzen gibt – weder bei Parfümfläschchen noch bei Innenräumen oder ganzen Gebäuden.

Die Wasserflasche „Bobble“, ausgestattet mit einem austauschbaren Aktivkohlefilter. Mit freundlicher Genehmigung von Karim Rashid.
Die Wasserflasche „Bobble“, ausgestattet mit einem austauschbaren Aktivkohlefilter. Credit: Karim Rashid.

Von Ihnen stammt der Ausspruch, Design sei engstirnig und elitär. Wie haben Sie dazu beigetragen, dies zu ändern?

Als ich meinen Abschluss an der Designschule in Mailand machte, waren Industriedesign und Produktdesign noch völlig unbeackerte Felder. Bis in die 1970er-Jahre wurden die meisten Produkte noch von Architekten entworfen. Die einzigen Leute mit Fachkenntnissen waren diejenigen, die sich aus eigenem Interesse mit Designzeitschriften befassten. Die breite Öffentlichkeit ging davon aus, dass neue Mobiltelefone oder Kaffeemaschinen einfach vom Himmel fielen. Mir war es deshalb wichtig, dass die Menschen an diesen Prozessen teilhaben sollten. Ich wollte unseren Alltagsgegenständen eine eigene Persönlichkeit und eine Sprache verleihen – nicht nur den Luxusgütern – und sie dadurch attraktiver und angenehmer in der Bedienung zu machen.

In einem Porträt der Los Angeles Times berichten Sie von dem sensorischen Aspekt des Designkonzepts für den Garbo. Wie ist dies mit der Funktionalität vereinbar?

Damals war das gängigste Modell eines Papierkorbs ein schwarzer, rechteckiger Eimer der Firma Rubbermaid. Beim Garbo habe ich mich dagegen intensiv mit seiner Funktionalität auseinandergesetzt. Wenn man mit Kunststoffspritzguss arbeitet, ist die runde Form ideal; scharfe Kanten oder rechteckige Flächen sind viel schwieriger herzustellen. Der Durchmesser ist oben größer als unten, damit man den Müll einfacher hineinwerfen kann. Und die Griffe sind praktisch, damit man nicht mit dem Müll in Berührung kommt.

In der Geschichte des Industriedesigns sind die erfolgreichsten Produkte meist diejenigen, bei denen die Funktionalität im Vordergrund steht. Das ist der erste Schritt zu einem rundum schönen Konzept. Ich spreche dabei gern davon, „Information in Formation“ zu bringen. Dabei liefern uns die Produktionsweise, die Eigenschaften der Polymere und die Art, wie wir den Gegenstand verwenden, die notwendigen Informationen, um neue Formen zu entwickeln.

Wie schaffen Sie es, so viele Projekte gleichzeitig zu bewältigen?

Beim Design geht es immer auch um Zusammenarbeit – egal ob mit Kunststofftechnikern, Marketingabteilungen oder Konzerndirektoren. Dass ich in ganz Europa Hotels gestalten konnte, liegt nicht zuletzt daran, dass ich gelernt habe, mit meinem Budget gut auszukommen. Und ich will am Ende Ergebnisse sehen, daher musste ich meine Arbeit pragmatisch und schnell erledigen. Außerdem muss man Kompromisse eingehen können. Zu einer französischen Journalistin sagte ich einmal, dass ich erfolgreich bin, weil ich nicht zu sturköpfig bin. Sie machte mich ziemlich runter und nannte mich einen Opportunisten. Aber ich sehe mich nicht als Schöpfer oder irgendeine gottgleiche Figur. Wir sind doch alle nur Menschen.

Wie ist Ihnen der Übergang von Objekten zu Wohneinrichtungen und Innenarchitektur gelungen?

Meinen ersten echten Durchbruch verdanke ich Stephen Starr, einem bekannten Gastronomen aus Philadelphia. Er bot mir 1999 an, das Restaurant Morimoto in Philadelphia zu entwerfen. Ich hatte bis dahin noch nie mit Innenarchitektur gearbeitet und begriff es als Riesenchance. Ich war sogar ziemlich nervös dabei. Sonst hatte ich nur Objekte entworfen, die die Körpergröße eines Menschen nicht überschritten – und auf einmal hatte ich einen riesigen Raum vor mir. Aber ich machte den Raum menschlich, indem ich die richtige Beleuchtung, eine ideale Tischverteilung, gemütliche Stühle, Elemente aus Bambus und Seitenwände mit 3D-Ornamenten verwendete. Dabei orientierte ich mich an Isamu Noguchi und seinem organischen Design aus den 1940er-Jahren. Dann sagte mir jemand, ich könnte doch die Inneneinrichtung für das Hotel Semiramis in Athen übernehmen. So kam ich nach und nach an neue Projekte, mittlerweile 200 bis 300 Inneneinrichtungen, sechs oder sieben Gebäude – und es macht mir riesigen Spaß.

Innenansicht des Restaurants Morimoto in Philadelphia. Credit: Karim Rashid.

Außenansicht des Hotels Semiramis in Athen. Credit: Karim Rashid.

Innenansicht des Hotels Semiramis. Credit: Karim Rashid.

Innenansicht des Hotels Semiramis. Credit: Karim Rashid.
Wie häufig arbeiten Sie mit digitaler Design-Software?

AutoCAD 3D verwenden wir jeden Tag und darüber hinaus auch andere Programme zur Visualisierung. Ich habe mich auf das digitale Zeitalter vorbereitet, als ich mir 1985 einen Macintosh IIci zugelegt habe. Ich ahnte, dass sich die Welt massiv verändern würde, besonders im Hinblick auf unsere Möglichkeiten und Kreativität. Vor 20 Jahren habe ich für eine Maschine zur schnellen Prototypenentwicklung fast eine Million Dollar ausgegeben. Das war nicht wenig für mich und ein bisschen habe ich es auch bereut. Aber die nächste Maschine war schon doppelt so schnell und dann bin ich einfach dabeigeblieben. Jetzt entwerfe ich Gegenstände, die ich nicht einmal selbst zeichnen könnte. Um meine Idee aus meinem Kopf in die Wirklichkeit zu transportieren, brauche ich Software-Anwendungen wie die von Autodesk.

Warum halten Sie Nostalgie für gefährlich?

Wenn wir nur versuchen, die Vergangenheit zu kopieren, ist das kein Design im eigentlichen Sinne mehr, sondern Appropriation. Wenn man bestehende Muster abkupfert, kann nichts Originäres, Großes und Neues daraus entstehen. Außerdem haben sich die Werkstoffe und Produktionsbedingungen verändert. Wenn ich heute ein Handy entwerfe, hat das nichts mehr mit der Technologie aus früheren Zeiten zu tun. Zum Beispiel muss der Mikrochip auf dem neuesten Stand sein. Oder wenn ich ein Fahrrad aus Carbonfaser konstruiere, wird das nicht aussehen wie in den 1920er-Jahren. Wenn man ein Haus immer nur genauso baut wie die Nachbarhäuser, mit ganz vielen kleinen Fenstern, kann man sich die Vorteile von Solarzellen zur Einsparung von Energie nicht zunutze machen. Wir müssen Ideen aus der heutigen Zeit heraus entwickeln, um die Zukunft in 100 Jahren sinnvoll zu gestalten.

Über den Autor

Jeff Link ist preisgekrönter Journalist und setzt sich mit den Themen Technologie, Planung und Umwelt auseinander. Seine Arbeiten wurden unter anderem in Wired, Fast Company, Architect und Dwell veröffentlicht.

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