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Generative KI im Bauwesen: Praxistipps für eine zielführende Implementierung

KI im Bauwesen: Gebäudefassade wird aus einer Skizze generiert
Das KI-Tool AiCorb der Obayashi Corporation kann Gebäudefassaden aus Skizzen generieren. Credit: Obayashi Corporation.

• Interaktive Chatbots wie ChatGPT haben KI als Mainstream-Technologie etabliert, die sich auch im Bauwesen wachsender Beliebtheit erfreut

• Mehrere führende japanische Bauunternehmen arbeiten an der Entwicklung von KI-Anwendungen zur Unterstützung der Planung, Modellierung und Zusammenarbeit

• Für die Zukunft sind ganzheitliche Integrationen vorstellbar, die Bauunternehmen eine sehr viel effektivere Nutzung ihrer Daten ermöglichen können

KI ist derzeit ein heißes Thema, das an vielen Fronten diskutiert wird. Dabei geht es u. a. um KI-gestützte Chatservices, textbasierte 2D- und 3D-Bilderzeugung sowie den Einsatz von KI in der Gebäudeplanung. Interaktive Chatbots wie ChatGPT zeigen neue Anwendungsfälle für die Technologie auf, an denen ihr bereits auf dem heutigen Entwicklungsstand erreichter Präzisionsgrad ersichtlich wird. Im Mittelpunkt des Interesses steht insbesondere die Fähigkeit generativer KI, anhand erlernter Datenmuster und -beziehungen eigenständig neue Inhalte zu erstellen, die sich sehr flüssig und idiomatisch lesen. Beachtliche Fortschritte werden auch im Bereich der Bilderzeugung erzielt. Neue KI-gestützte Produkte können anhand von Text-Eingaben Bilder, Videos, 3D-Modelle und mehr erstellen.

Diese Meilensteine bei der Entwicklung KI-gestützter Technologien haben dazu geführt, dass sich die Technologie im Wirtschafts- und Privatleben zunehmend durchsetzt. Bei führenden japanischen Unternehmen wie Panasonic und Daiwa Securities kommen interaktive KI-Anwendungen bereits konzernweit zum Einsatz. Die japanische Regierung hat ebenfalls eine KI-Strategie veröffentlicht, und staatliche Behörden und Ministerien nutzen KI bereits zur Beantwortung von Anfragen und Bereitstellung operativer Unterstützung bzw. prüfen die zukünftige Nutzung für verschiedene Anwendungsfälle.

Auf der Anbieterseite arbeiten Marktführer wie Microsoft, Meta, Alphabet und Amazon derweil mit Hochdruck an der Entwicklung KI-gestützter Produkte und Anwendungen. Der auf digitale Kommunikation spezialisierte Konzern Ricoh stellt zum Beispiel einen KI-Assistenten bereit, der u. a. zum effizienten Sortieren von Kundenfeedback sowie zur Vertriebsunterstützung eingesetzt werden kann.

Generative KI im Bauwesen 

Führende japanische Bauunternehmen machen sich KI bereits für vielseitige Anwendungsfälle zunutze. Die Obayashi Corporation, die u. a. für die Bauausführung des Tokyo Skytree – mit 634 m der höchste Sendeturm der Welt – sowie des Jewel Changi Airport auf dem Gelände des Flughafens Singapur verantwortlich zeichnet, setzt KI bereits bei laufenden Projekten ein. Eine in Zusammenarbeit mit Autodesk Research entwickelte KI-Plattform unterstützt Architekten bei der parameterbasierten Erstellung volumetrischer Berechnungen und bei der Innenraumplanung.

Bereits 2022 entwickelte Obayashi in Zusammenarbeit mit SRI International und Hypar die KI-gestützte Anwendung AiCorb, die aus handgezeichneten Bauplänen und textbasierten Beschreibungen sehr schnell verschiedene Entwürfe für die Gestaltung von Gebäudefassaden generieren und daraus auf der Grundlage einer Volumenstudie ein 3D-Modell erstellen kann. Von diesem Verfahren verspricht sich das Unternehmen eine deutlich schnellere Konsensbildung mit dem Bauherrn sowie eine Entlastung der Planungsarchitekten.

KI im Bauwesen
AiCorb can instantly generate multiple renderings. Courtesy of Obayashi Corporation.

Am Anfang der Entwicklung von AiCorb stand 2017 die Frage: Kann KI kreativ sein? Der Schwerpunkt lag auf der Konzeption einer generativen KI, die speziell auf Anwendungsfälle im Bereich der Gebäudeplanung ausgelegt ist und anhand von Zeichnungen verschiedene Gestaltungsvorschläge generieren kann. „Wir haben die KI extra so trainiert, dass sie in der Lage ist, die Planungsintention sowohl aus detaillierten als auch aus sehr groben Zeichnungen herauszulesen“, erläutert Yoshito Tsuji von Obayashi. „Dazu haben wir mehrere KI-Modelle entwickelt, darunter eins, das Zeichnungen originalgetreu interpretiert, und ein anderes, das sich eher auf die Qualität der generierten Ergebnisse als auf die genaue Reproduktion der Zeichnung konzentriert, damit das Tool entsprechend der jeweiligen Intention des Planungsarchitekten eingesetzt werden kann.“

SYMPREST ist eine weitere KI-Anwendung, die von der Shimizu Corporation entwickelt wurde und Architekten und Bauunternehmen bei den baustatischen Berechnungen im Frühstadium der Planungsarbeiten unterstützen soll. Dazu gehören die Analyse und die Erstellung von Tragwerks- und Bauteilquerschnitten entsprechend der Form und dem Maßstab des Bauplans. Nach Angaben von Shimizu soll SYMPREST als digitale Entwurfsmethode die Planungseffizienz verbessern und die schnelle Generierung ausgefeilter Entwürfe unterstützen, die dem Bauherrn vorgelegt werden können.

Unternehmenseigene Daten als Grundlage für KI-Modelle

Zum besseren Verständnis der unterschiedlichen KI-gestützten Anwendungen muss unterschieden werden zwischen der Anwendung selbst, der jeweils darin integrierten Künstlichen Intelligenz sowie dem Unternehmen, das sie bereitstellt. Um nur das wohl bekannteste Beispiel zu nehmen: Das Unternehmen OpenAI ist an sämtlichen Phasen von der Entwicklung bis zur Bereitstellung beteiligt. GPT-4 ist das Grundmodell, mit dem die Anwendung ChatGPT Informationen austauscht. Die von Microsoft bereitgestellte Anwendung Bing AI basiert auf dem gleichen Grundmodell, das in diesem Fall in die Suchmaschine Bing integriert wurde und auf die Suchdatenbank von Microsoft zugreifen kann.

Durch Vernetzen von KI-Modellen mit proprietären Datenbanken erhalten KI-Anwendungen zusätzlich zu den Trainingsdaten Zugriff auf die vom Unternehmen selbst erfassten und verwalteten Informationen. Dadurch schlägt das Unternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen optimiert es die Zuverlässigkeit der KI, zum anderen bleiben vertrauliche Daten geschützt. So stellt etwa das japanische Bauunternehmen Kajima eine sichere Umgebung für ungefähr 20.000 Mitarbeitende verschiedener Firmen bereit, die Kajima ChatAI als Pendant zu ChatGPT nutzen. Die eingegebenen Daten werden nur intern verwendet und nicht zu externen Trainingszwecken. Diese und ähnliche Ansätze zur Bewältigung der datenschutz- und urheberrechtlichen Herausforderungen, die mit KI-Anwendungen verbunden sind, setzen sich nicht nur in Japan zunehmend durch.

Mehraufwand für die Prüfung KI-generierter Ergebnisse

Bauunternehmen können das volle Potenzial der von ihnen erfassten Daten am besten mithilfe von BIM und Cloud-Anwendungen realisieren. Entsprechend arbeitet die Obayashi Corporation an einer Lösung zur Umwandlung der von AiCorb generierten Bilder in BIM-Daten. „Damit hätten wir die Möglichkeit, den BIM-Daten die Maße und Werkstoffe der einzelnen Bauteile zuzuweisen, und könnten auf dieser Grundlage verschiedene Leistungseigenschaften bewerten“, erläutert Takuma Nakabayashi, der als KI-Experte am unternehmenseigenen Forschungsinstitut arbeitet. „In Zukunft hoffen wir, diese Daten nutzen zu können, um eine KI zur Automatisierung von Machbarkeitsprüfungen für Bauprojekte zu entwickeln.“

KI im Bauwesen
BIM und Cloud-Anwendungen unterstützen Bauunternehmen dabei, das Potenzial ihrer Daten zu realisieren.

Bei Obayashi ist man mit den bisherigen Ergebnissen dieses proaktiven Ansatzes zufrieden: Seit Juli 2023 haben siebzig Mitarbeitende insgesamt etwa 1.000 Testaufgaben mit der KI ausgeführt. Als nächsten Schritt erwägt das Unternehmen, die Lösung fest in die Planungsabläufe zu integrieren. Freilich gibt Nakabayashi zu bedenken, dass es „schwierig ist, die generierten Ergebnisse komplett zu kontrollieren, und es gibt sehr verschiedene Meinungen darüber, ob dieses unberechenbare Element positiv oder negativ zu bewerten ist. Dabei dürfen wir auf keinen Fall vergessen, dass generative KI sich in dieser Hinsicht wesentlich von herkömmlichen Werkzeugen wie Stiften oder auch CAD-Tools unterscheidet, die quasi eine Erweiterung der menschlichen Hand darstellen.“

Bei Entscheidungen über die Implementierung und Nutzung von KI ist zum einen die betriebswirtschaftliche Perspektive zu berücksichtigen. Wenn durch die Implementierung von KI die Gewinnspanne und Produktivität des Unternehmens optimiert werden sollen, muss genau überlegt werden, wie sich die Technologie am effizientesten und effektivsten in die Betriebsabläufe integrieren lässt, damit die erforderlichen Investitionen eine maximale Wirkung zeigen. Hier ist die Erkenntnis entscheidend, dass der richtige Umgang mit den unternehmenseigenen Daten wichtiger ist als die KI als solche.

Zweitens muss das Unternehmen sich darüber im Klaren sein, dass die Implementierung von KI zunächst zu Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen führen wird. KI-Modelle können sehr schnell eine unbegrenzte Anzahl von Ergebnissen generieren, auf deren Richtigkeit sich das Unternehmen jedoch nicht verlassen darf. Den sehr geringen Kosten für die Generierung von Ergebnissen stehen entsprechend höhere Kosten sowie ein höherer Zeitaufwand für ihre Überprüfung durch qualifizierte Fachkräfte entgegen. Vor der Einführung von KI müssen Unternehmen sich deshalb Gedanken darüber machen, wie ein solcher Mechanismus zur Prüfung KI-generierter Ergebnisse auszusehen hat und wie sich sicherstellen lässt, dass die durch die KI erzielten Produktivitätsgewinne durch diesen erhöhten Aufwand nicht wieder verspielt werden.

Die Umstellung auf KI beginnt mit der Aufbereitung vorhandener Daten

Wie präzise und zuverlässig ein KI-Modell arbeitet, hängt vor allem von der Integrität der Trainingsdaten ab. Insofern ist es entscheidend, durch ein unternehmensweites Framework für die Verwaltung der erfassten Daten zu gewährleisten, dass diese Daten für die KI nutzbar sind. Für Bauunternehmen sind BIM und Cloud-Anwendungen wie gehabt die sinnvollste Lösung zur Erfassung, Verarbeitung und Prüfung aussagekräftiger, verwertbarer Daten.

KI im Bauwesen
Unternehmen müssen Mechanismen zur Überprüfung KI-generierter Ergebnisse einrichten.

Wie das in der Praxis aussehen könnte, lässt sich am Beispiel eines Systems verdeutlichen, das dem KI-Modell ermöglichen würde, auf den jeweiligen Status eines Bauprojekts zu reagieren. Dazu wäre es erforderlich, die KI-Anwendung mit den Reporting-Funktionen in Autodesk Build zu vernetzen, damit sie sämtliche am Projektzyklus beteiligten Geräte und Wirtschaftsgüter überwachen kann. Die Zuverlässigkeit der Berichterstattung ließe sich durch Visualisierung der Daten verifizieren.

Derartige ganzheitliche Integrationen sind auf dem heutigen Entwicklungsstand möglicherweise noch nicht realisierbar, können jedoch für die Zukunft anvisiert werden. Davon unbenommen sind Bauunternehmen aber in jedem Fall gut beraten, die Visualisierung ihrer BIM-Modelle und cloudbasierten Datenbanken möglichst zeitnah in Angriff zu nehmen. Die vorhandenen Datenbanken können schon jetzt als Trainingsdaten für zukünftige KI-Modelle aufbereitet werden. Denn die Umstellung auf KI beginnt – nicht nur im Bauwesen – mit der konsequenten Digitalisierung aller Unternehmensdaten als Voraussetzung für die digitale Transformation sämtlicher Arbeitsschritte und Betriebsabläufe. 

Über den Autor

Als Hoch- und Tiefbauingenieur und Spezialist für digitale Transformation ist Shohei Ishikawa seit 2019 im technischen Vertrieb bei Autodesk Japan für den Bereich Cloud-Lösungen im Bauwesen zuständig. Er studierte Architektur und Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Tokio (Tōkyō Kōgyō Daigaku) und arbeitete vor dem Wechsel zu Autodesk in der Planungsabteilung eines großen Bauunternehmens sowie in der Entwicklung von Webanwendungen und IoT-Produkten.

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