3D-Druck im großen Stil: Diese hybride Fertigungsmaschine macht es möglich
Es fing alles ganz klein an: Auf Bastlermessen wie der in den USA beheimateten Maker Faire tauchten die ersten 3D-Drucker auf – damals noch als Kuriositäten im Spielzeugformat. Kaum zu glauben, dass die Technologie knapp zehn Jahre später bei der Konstruktion ganzer Häuser und Wohnsiedlungen zum Einsatz kommt. Der 3D-Druck wächst also ganz klar mit seinen Herausforderungen. Jetzt präsentiert ein Zusammenschluss von Unternehmen, Universitäten und NGOs eine hybride Fertigungsmaschine im Einsatz: “LASIMM” kombiniert additive und subtraktive Herstellungsverfahren.
In der additiven Fertigung liegt der Schwerpunkt der Industrie bisher auf Produkten mit komplexen Geometrien, für die traditionelle Herstellungsmethoden im Fräs-, Gieß- oder Schleifverfahren gerade in geringer Stückzahl oder bei kurzfristigem Bedarf schwer umsetzbar oder zu kostspielig sind. Grundsätzlich handelt es sich dabei in erster Linie um kleinere Gegenstände. Nun setzt das auf Architekturdesign und Stadtentwicklung spezialisierte Unternehmen Foster + Partners dem ein Ende: Mit einem stückweise im 3D-Druck hergestellten, fünf Meter langen Stahlträger hat das Unternehmen den Weg für wahrhaft große Entwicklungen in der Fertigungsbranche geebnet.
Das Projekt diente insbesondere dazu, das Konzept der LASIMM (kurz für „Large-Scale Additive Subtractive Integrated Modular Machine“), einer hybriden Fertigungsmaschine für Großprojekte in der additiven und subtraktiven Metallverarbeitung, in die Realität umzusetzen. Berechnungen der Projektleiter zufolge wird das System in der Lage sein, Produktionszeiten und -kosten um 20 % zu verringern und die Produktivität im Rahmen additiver Fertigungsprojekte mit großer Stückzahl um 15 % zu erhöhen.
LASIMM ist darauf ausgelegt, im 3D-Druckverfahren Metallbauteile von zwei Metern Durchmesser und bis zu sechs Metern Länge herzustellen, die bis zu zwei Tonnen wiegen können. Foster + Partners ist eines von zehn Unternehmen, die am LASIMM-Projekt mitwirken. Gefördert wird die Initiative durch das Forschungsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union, während die Software zur Berechnung und Visualisierung hauptsächlich von Autodesk beigesteuert wird.
Zu den weiteren Mitspielern an der Seite von Foster + Partners gehören der britische Rüstungs- und Luftfahrtkonzern BAE Systems sowie der dänische Hersteller für Windenergieanlagen Vestas. Beide Unternehmen schlossen sich Foster + Partners an, als das Projekt noch in den Kinderschuhen steckte. 2019 folgte die Vorstellung des gemeinsam entwickelten Pilotobjekts: Mit einem aus Baustahl gefertigten Kragträger für einen Dachstuhl wollte das Team von Foster + Partners das Potenzial der neuen firmeneigenen Technologie für zukünftige Bauprojekte veranschaulichen.
Foster + Partner nutzt hybride Fertigungsmaschine LASIMM
„Foster + Partners investiert schon seit Langem in die Erforschung der Werkstoffe, die bei Bauprojekten zum Einsatz kommen, um ein besseres Verständnis für ihre grundsätzlichen Eigenschaften, wie etwa ihre Belastbarkeit oder ihre räumlichen Charakteristiken, zu erlangen“, erklärt Josh Mason, Entwickler im Rahmen der auf Planung spezialisierten Specialist Modeling Group des Unternehmens.
„Unser Anspruch ist es, eine größere Gestaltungsfreiheit bei der Bearbeitung von Bauformen zu erzielen“, erklärt Mason. „Bei gegossenen Platten oder Stahlträgern ist es enorm aufwendig, spezielle Formen durch Schneiden und anschließendes Zusammenschweißen herzustellen. Beim 3D-Druck kann man die Geometrien der Trägerelemente von Grund auf anpassen und Öffnungen für Beleuchtungs-, Heiz- und Lüftungssysteme sowie Maßnahmen zur Schalldämmung direkt ins Bauteil integrieren.“
Den Entwicklern war es wichtig, einen Eindruck der unzähligen Faktoren zu vermitteln, die bei der Herstellung eines solchen Trägers eine Rolle spielen. „Die oberen und unteren Trägergurte verjüngen sich und formen eine Spitze. Die Form entsteht dadurch, dass die Stege dazwischen die Belastung gleichmäßig auf die Gurte verteilen“, erklärt Samuel Wilkinson, Mitarbeiter bei Foster + Partners. „Mit Hilfe der Software kann man die Spannung und den Druck innerhalb des Trägers für jedes Modell visuell darstellen.“
Seinen Anfang nahm LASIMM im spanischen Pamplona auf dem Gelände des ebenfalls am Projekt beteiligten Robotik-Unternehmens Loxin. Die modulare Konfiguration der Fertigungsmaschine an sich umfasst Industrieroboterarme sowie einen speziellen Fräsroboter. Dank dieser Elemente kann die Maschine in den Bereichen additive Fertigung, Zerspanung, Messtechnik und Prüfung eingesetzt werden.
Generatives Design hilft bei der Gestaltung
Der additive Fertigungsprozess des Kragträgers begann mit einer Stahlplatte, auf die in mehreren Schichten die verschiedenen Elemente aufgeschweißt wurden. Zu diesem Zweck verwendete das Team Generatives Design, um anhand verschiedener Parameter die Erstellung von Entwürfen zu automatisieren. Die Parameter für den Träger waren denkbar einfach: Er sollte fünf Meter lang, 50 Zentimeter breit und zwölf Zentimeter hoch sein und sich dabei zu einer Spitze von fünf Zentimetern Höhe verjüngen, die eine Traglast von 500 Kilogramm aushalten sollte.
Das Team stellte unterschiedlichste Träger zwischen zwei und fünf Metern Länge auf die Probe, die allesamt verschiedene Einsatzmöglichkeiten aufzeigten. Der auf Generativem Design basierende Entwicklungsansatz ermöglichte es, alle erdenklichen Formen und Größen in die Entwicklungsarbeiten aufzunehmen. „Besonders die innere Struktur und die Höhe des Trägers boten noch viel Entwicklungspotential“, erinnert sich Mason. „Doch aus unseren internen Forschungen wurde schnell ersichtlich, dass die hauptsächliche Schwachstelle der Trägerstruktur im Verbiegen der Gurte lag.“
Zu einem solchen Verbiegen der Trägergurte kommt es, wenn sich das Metall durch die Hitze beim Schweißen verformt – in etwa vergleichbar mit einem Kartoffelchip. Zum Ausgleich der Hitzeeinwirkungen auf die Stahlplatte ist es daher notwendig, erst eine Schicht auf die eine Seite zu drucken, die Platte anschließend zu wenden und auf der anderen Seite eine weitere Schicht aufzutragen. „Man dreht die Stahlplatte also ständig hin und her, um mehrere Schichten aufzudrucken“, fasst Wilkinson zusammen. „Besonders bei großen Bauteilen ist eine gewisse Symmetrie im Druckprozess gefragt. Eine der größten Hürden war in diesem Sinne die sachgemäße Ausrichtung der Bauteile im Verhältnis zur ursprünglichen Stahlplatte.“
Grundsätzlich zielt die Erforschung von Baustoffen letzten Endes auf die Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit ab. „Planungsprojekte in solchen Größenverhältnissen waren bisher nicht üblich“, bestätigt Mason. „Durch die Visualisierung konnten wir mit dem Werkzeugweg experimentieren und Simulationen der endgültigen Oberflächenstruktur erstellen. Dadurch sind wir in der Lage, im Rahmen zukünftiger Entwürfe noch genauere Projektvorgaben zu machen.“
Additive Fertigung mit Zukunft
Nachdem das Team von Foster + Partners seine Technologie an einem verhältnismäßig unkomplizierten Objekt erproben konnte, soll es in Zukunft darum gehen, komplexere und freiere Formen auf kleinere Stahlbahnen zu drucken.
Mittelfristig soll das LASIMM-Projekt an wirtschaftliche Unternehmungen gekoppelt werden. „Bei Großprojekten, die immer wieder die gleichen Bauteile verwenden, ist es zurzeit noch rentabler, Gussformen herzustellen“, räumt Mason ein. „Aus unserer Entwicklerperspektive finden wir es aber wesentlich interessanter, die Möglichkeit zu haben, jedes Bauteil verschieden zu gestalten. Das ist unser Traum: individuell unterschiedliche Bauteile zu entwickeln, ohne dass das Budget des Bauprojekts dadurch strapaziert wird.“
Doch damit nicht genug: Auch an interdisziplinärer Zusammenarbeit sind die Entwickler von LASIMM interessiert. Dass die Technologie sich auch auf andere Werkstoffe wie Holz oder Kohlefasern ausweiten ließe, steht außer Frage. „Zahlreiche Unternehmen nutzen additive Fertigungstechniken für die unterschiedlichsten Projekte. Deshalb liegt uns viel daran, unsere Forschung und Technik möglichst effektiv auf unterschiedliche Materialien anzuwenden“, betont Wilkinson. „Wenn wir sozusagen nur Werkstoffe von der Stange verwenden oder Beton in die immer gleichen Formen gießen, stoßen wir auch immer an die Grenzen, die mit diesen althergebrachten Methoden einhergehen. Ganz zu schweigen davon, dass additive Fertigung eines Tages die kosteneffizientere Alternative sein wird.“
Nicht zuletzt bietet die Technologie darüber hinaus die Möglichkeit, die Lieferketten für groß angelegte Architekturprojekte maßgeblich zu verändern. Die LASIMM mag ziemlich groß sein, doch ihr Funktionsumfang ließe sich auch auf kleinere und besser transportierbare Formate übertragen.
Das wahrscheinlichere Szenario sieht jedoch anders aus: Vermutlich werden sich an Fertigungsstandorten überall auf der Welt Netzwerke bilden, um den Bedarf vor Ort zu decken. Zu diesem Zweck gilt es freilich zunächst, allgemeingültige Standards auszuarbeiten, damit jeder Produktionsstandort entsprechend der weltweiten Qualitäts- und Prozessnormen zertifiziert werden kann. Die Einrichtung eines solchen Zertifizierungsprogramms für Unternehmen, die auf die Herstellung eines standardisierten Bauteils spezialisiert sind, wäre relativ unkompliziert. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Zertifizierung von mittels Generativem Design hergestellten Bauteilen, die jeweils individuelle Unterschiede aufweisen. „Es steht zu befürchten, dass nur bereits nach gültigen Standards hergestellte Bauteile zertifiziert werden könnten“, gibt Wilkinson zu bedenken. „Das könnte eine ernstzunehmende Hürde für die Entwicklung darstellen.“