Große Chance: Wie eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingt
- Lösungen für die Nachhaltigkeit von Städten müssen skalierbar sein und alle Facetten des städtischen Lebens betreffen
- Der Schlüssel zur Umsetzung nachhaltiger Stadtentwicklung ist die Technologie. Durch den Einsatz von BIM und digitalen Zwillingen können Fachleute optimal zusammenarbeiten, um Städte und bestehende Gebäude zu verbessern
- Kleine Veränderungen, die der Nachhaltigkeit in Städten dienen, bringen große Vorteile mit sich: bessere Wirtschaft, bessere Gesundheit und sogar eine bessere Nutzung des vorhandenen Raums
Kaum ein Thema ist so komplex wie die nachhaltige Entwicklung unserer Städte. Im Prinzip zielt eine nachhaltige Stadtentwicklung darauf ab, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen einer Stadt zu verbessern, sodass die dort lebende Bevölkerung optimale Bedingungen vorfindet und auch Besuchende von einer hohen Aufenthaltsqualität profitieren.
Um diesem einfach formulierten Ziel gerecht zu werden, müssen viele unterschiedliche Facetten der urbanen Lebensrealität unter einen Hut gebracht werden: Beschäftigung, Verkehr, Ernährung, Gesundheit, Wirtschaft und viele Aspekte mehr beeinflussen sich gegenseitig. Eine zukunftsfähige Stadtentwicklung, muss diese Netzwerkeffekte sorgfältig berücksichtigen.
Die Schaffung nachhaltiger Städte verlangt zunächst nach einer Einigung auf grundsätzliche Prinzipien. Die Lösungen sollen skalierbar sein, ohne das bestehende Gleichgewicht zu stören. Daher müssen die konzeptionellen und geografischen Grenzen einer Stadt anfänglich genauso bestimmt werden, wie aussagekräftige Indikatoren, mit denen sich Prioritäten festlegen lassen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass viele Städte hunderte oder tausende Jahre alt sind und viele Strukturen und Systeme aus heutiger Sicht nicht nachhaltig sind, teilweise jedoch in physischer, wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht tief in den städtischen Raum eingeprägt sind.
Die Vorteile der nachhaltigen Stadt
Die Gestaltung möglichst grüner, lebenswerter und eigenständiger Städte schafft eine Win-Win-Situation, von der nicht nur die Menschen profitieren, die darin wohnen und arbeiten, sondern auch die umliegende Gegend. Die folgenden Beispiele zeigen, welche unmittelbaren Verbesserungen von einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu erwarten sind.
Umwelt, Verkehr und Energie: Umdenken lohnt sich
Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen muss schnellstens gelingen. Daher hat die Umsetzung postfossiler Mobilitätslösungen oberste Priorität. Gleichzeitig können mehr Grünflächen nicht nur für kurzfristige Verbesserungen der Klimabilanz, sondern auch für die Wiederansiedlung heimischer Arten in den städtischen Quartieren sorgen. Für deren Bewohnende sind die Veränderungen sofort erlebbar, wenn sie wieder sauberere Luft atmen und mehr Natur wahrnehmen können.
Glücklicherweise sind einige Städte bei ihrer Verkehrswende weit fortgeschritten und haben ihre Innenstädte vom Autoverkehr beruhigt – beispielsweise, indem sie dafür gesorgt haben, dass Gewerbe-, Einzelhandels- und Wohngebiete gut mit elektrischen Straßenbahnen erreichbar sind. Dabei müssen nicht zwingend High-Tech-Lösungen herhalten. Auch durchdachte Managementmaßnahmen können sich als äußerst wirksam erweisen. Schließlich kann man die Transportkapazitäten von 50 Autos durch einen einzigen Bus ersetzen und damit die Staubelastung, die Luftverschmutzung und den Verbrauch fossiler Brennstoffe reduzieren. Durch Maßnahmen wie diese wird aber auch Platz frei, um bessere Nahverkehrssysteme zu schaffen und Fahrradwege, Parkanlagen und naturnahe Grünanlagen anzulegen. Das Projekt „High Line“ in Manhattan ist ein gelungenes Beispiel für derartige Veränderungen und könnte als Vorbild für die Umnutzung eines alten Hochbahnviadukts im Hamburger Stadtteil Altona dienen.
Bessere Gesundheit durch lokale Nahrungsmittelproduktion und grüne Freiräume
Stress, arbeitsbedingte Belastungen, schlecht geplante Pendlersysteme und die weitgehende Entkopplung von unserer natürlichen Umwelt führen zu hohen Krankenständen und kosten die Volkswirtschaften Milliarden. Die positiven Auswirkungen des Aufenthalts in der Natur auf die seelische Gesundheit stehen außer Frage. Außerdem sind die Menschen in naturnahen städtischen Umgebungen glücklicher und damit produktiver.
Auch die Versorgung mit Lebensmitteln ist im Wandel. Urbane Produktionssysteme wie Dachgärten verringern die Abhängigkeit von weit entfernten Großproduzenten, verbessern das Verhältnis zwischen Erzeuger und Verbrauchenden und reduzieren nebenbei Kosten und Emissionen, die sonst beim Transport anfallen. Dachgärten können darüber hinaus dabei helfen, das Stadtklima zu kühlen und Regenwasser zwischenzuspeichern. So leisten sie auch einen Beitrag zur Dämpfung von Überflutungen bei Starkniederschlägen.
Nachhaltige Stadtentwicklung bedeutet im Wesentlichen, Wege zu finden, um mit weniger mehr zu erreichen. Um Flächen für die Maßnahmen zu beschaffen, müssen in städtischen Räumen gezielt ungenutzte oder brachliegende Strukturen identifiziert und wiederbelebt werden. Auch bisher ungenutzte Bereiche in und um bestehende Gebäude können sich für eine nachhaltige Umgestaltung anbieten. So liegt es beispielsweise nahe, Teiche und Gärten anzulegen, die eine Wiederansiedlung von Tieren fördern. Aber auch auf den Dachflächen gibt es großes Potential. Die unbeschatteten Flächen können unter Nutzung des dort anfallenden Regenwassers zu erstaunlich produktiven Dachgärten umfunktioniert werden.
Übergang zur Kreislaufwirtschaft
Zahlreiche Fachleute betrachten Abfall schon lange nicht mehr als Problem, sondern als Ressource. Es kommt auf die Betrachtung an. Als Vorbild für diese Denkweise dient auch hier die Natur, denn ihr perfekter Recycling-Mechanismus kommt ohne Deponie aus. Wir Menschen können dieses Prinzip nachahmen, indem wir Systeme entwerfen, deren Prozess-Outputs dem nächsten System direkt als Input dienen.
Das Potenzial eines integrierten, kreislauforientieren Ansatzes zeigte die Planung für die Olympischen Spiele 2021 in Tokio auf, die unter der Vorgabe stattfanden, dass 99 % der beschafften Güter und 65 % der erzeugten Abfälle wiederzuverwenden oder zu recyceln waren. Dazu passt auch, dass nur acht von 43 Wettkampfstätten von Grund auf neu errichtet wurden. Materialien wie das Holz für den Platz des Olympischen Dorfes wurden von der lokalen Regierung bereitgestellt und anschließend zurückgegeben oder in anderen öffentlichen Infrastrukturprojekten verwendet. Ein Großteil der benötigten Ausstattungsgegenstände wurde außerdem im Rahmen von Miet- oder Rückkaufmodellen mit den Herstellern beschafft.
Städte gleichen menschlichen Körpern. Jede Stadt reagiert auf Veränderungen wie ein gigantischer Organismus. Egal, ob die Maßnahmen im Bereich Mobilität, Klimawandelanpassung oder Grünanlagenplanung erfolgen – sie beeinflussen auch alle übrigen Aspekte des städtischen Lebens. Bisher verbrauchten Stadtregionen in großen Massen das, was anderswo produziert wurde. Noch größer und kostspieliger sind die Anstrengungen, die Abfälle oder Abwässer wieder aus diesen urbanen „Konsumsenken“ herauszubefördern. Anderes ausgedrückt: Städte nehmen für gewöhnlich mehr als sie geben.
In einer Kreislaufwirtschaft bliebe dagegen alles, was in einer Stadt produziert oder verbraucht wird, so weit wie möglich dort und würde die Stadt von innen heraus versorgen – mit Systemen, die darauf ausgelegt sind, Stoff- und Energieströme wieder aufzunehmen.
Doch wo beginnen? Hier ein erster radikaler Schritt zur Umstellung auf Kreislaufwirtschaft: Schaffen Sie innerhalb der öffentlichen Verwaltung eine Stelle, die mit echten Befugnissen für eine nachhaltige Stadtplanung ausgestattet ist. Die für die Wasserversorgung, die Schmutzwasserbeseitigung oder Abfallentsorgung zuständigen Institutionen haben derzeit klare Zuständigkeitsbereiche. Alles, was darüber hinausgeht, ist das Problem von jemand anderem. Eine datenbasierte und ganzheitliche Sichtweise bedeutet jedoch, dass jedes Auto, das zusätzlich in die Stadt fährt und jeder Müllsack, der unnötigerweise abtransportiert werden muss, alle angeht.
Wie eine nachhaltige Stadtentwicklung gelingt
Die Schaffung nachhaltiger Städte setzt zunächst eine gründliche Planung voraus. Die einzelnen Maßnahmen und Systeme müssen aufeinander abgestimmt sein und in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Allerdings erschwert ein besonderer Umstand diese Aufgabe ungemein: Die Städte existieren bereits. Viele der notwendigen Maßnahmen beinhalten die Umgestaltung vorhandener Gebäude und greifen in bestehende Netzwerke, Lebens- und Arbeitsgewohnheiten ein. Alle Veränderungen müssen daher umso gründlicher durchdacht und simuliert werden. Auch die umfassende Beteiligung der Community ist dabei entscheidend für den Erfolg.
Ein sehr häufiges und wirksames Beispiel für tiefgreifende Veränderungen im Stadtbild ist die Beruhigung vom Autoverkehr, an den wir uns irgendwie gewöhnt hatten. In den Nachkriegsjahren wurden die Städte schließlich auf den Individualverkehr mit dem Auto zugeschnitten. Entsprechend kämpft der öffentliche Nahverkehr noch heute damit, den dadurch geprägten hohen Komfortanspruch der gewohnten „Tür-zu-Tür-Mobilität“ zu erreichen.
Dabei spielen nicht nur Kosten für den Umbau eine wichtige Rolle. In vielen Gebieten mit besonders unzureichenden Mobilitätsanageboten, in denen von A nach B zu gelangen mit erheblichem Stress verbunden ist, sind neben Investitionen auch innovative Ansätze gefragt. Das nachhaltige Bauen ist bei öffentlichen Bauvorhaben bereits selbstverständlicher Teil der Planung, Ausschreibung und Ausführung. Gleichzeitig setzt sich die Verbreitung digitaler Werkzeuge durch, die diese Prozesse entscheidend unterstützen.
Die digitale Bauwerksmodellierung mit BIM (Building Information Modeling) bietet solche Werkzeuge. Mit der BIM-Methode lassen sich Bauwerksinformationsmodelle sowohl für Neubauten als auch für Bestandsobjekte erstellen. Der so erstellte digitale Zwilling bildet nicht nur Grundrisse oder Ansichten des architektonischen Entwurfs ab, sondern enthält ein komplettes Ökosystem des Gebäudes, darunter die Beleuchtung, Heizung und Klimatechnik, Brandschutzsysteme oder auch Informationen wie Laufwege, die von den Überwachungskameras erfasst werden. Ein digitaler Zwilling ist damit ein virtuelles Abbild des Gebäudes in Echtzeit, das durch die Verbindung von Datensätzen oder Analysen angepasst werden kann, und gibt so Auskunft über alle denkbaren Aspekte der Nutzung und Systemeffizienz. Anhand der Daten können so Analysen und Vorhersagen erstellt werden, die beim Entwurf, während des Baus oder im Betrieb intelligentere und fundiertere Entscheidungen ermöglichen.
Dabei kann zum Beispiel auffallen, dass ein Flur normalerweise kaum genutzt wird, nachdem alle Mitarbeitenden im Gebäude angekommen sind. Damit dieser Bereich des Gebäudes nicht unnötigerweise beleuchtet wird, kann ein Bewegungsmelder installiert und programmiert werden, der die Beleuchtung dort ausschaltet, wenn keine Personen anwesend sind.
Ebenso könnte die gesamte Heizungs- und Klimatechnik des Gebäudes über Internet der Dinge (IoT) zahlreiche Daten von Sensoren in Leuchten, Lüftungssystemen und Thermostaten, die sich in einem Bürogebäude befinden, sowie Informationen über die Energieaufnahme aus dem Stromnetz, Nutzungsdaten und sogar Wetterdaten von außen zusammenführen. Auf der Grundlage dieser Daten könnten dann Anpassungen vorgenommen werden, um den Bedarf an Beleuchtung, Heizung und Klimatisierung eines Gebäudes, einzelner Räume oder Bereiche zu optimieren. Diese Steuerungsmaßnahmen können durch Menschen oder sogar durch Programme vorgenommen werden, die in der Lage sind, gesammelte Nutzungsdaten dank maschinellem Lernen selbst auszuwerten.
Derartige Verbesserungen können auf jedes System in einem Gebäude ausgeweitet werden. Im nächsten Schritt können die Kennzahlen von Gebäuden oder Gebäudekomplexen in einem riesigen, cloudbasierten Datensatz verknüpft werden, um einen ständig aktualisierten Echtzeit-Überblick über alle Informationen zu erhalten, die für Umwelt, Kultur, Finanzen und die Ressourcenbilanz der Quartiere relevant sind. Ab diesem Punkt wird die nachhaltige Stadtentwicklung nicht mehr von einem Bauchgefühl geleitet, sondern kann sich auf harte Fakten stützen.
Die Methoden und Plattformen, mit denen BIM-Ergebnisse kombiniert, gemessen und ausgewertet werden können, existieren bereits. Zu den anerkannten Indikatoren der nachhaltigen Stadtentwicklung gehören unter anderem Kennziffern zur Beschreibung der Treibhausgasemissionen oder des Abfallaufkommens. Mithilfe von Plattformen, die diese Daten zusammenführen, können Stadtverwaltungen prognostizieren, wie sich diese Kennzahlen über Raum und Zeit hinweg verändern werden. So kann herausgefunden werden, wie sie zusammenwirken – vom Lebenszyklus eines einzelnen Gebäudes bis hin zu demografischen Veränderungen.
Die Zukunft gestalten
Jeden Tag packen mindestens 200.000 Menschen ihre Koffer und ziehen in die Großstadt. Bis zum Jahr 2050 werden fast 70 % der Weltbevölkerung in Städten leben – das sind etwa sieben Milliarden Menschen.
Die gebaute Umwelt verbraucht bereits bis zu einem Drittel der geförderten natürlichen Ressourcen und erzeugt ein Viertel aller festen Abfälle.
Um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu ermöglichen, muss sich daher das Bauen ändern. Das Wissen darum, welche Strategien und Technologien das Planen und Bauen verbessern, ist nicht neu und setzt sich zunehmend sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik durch. Zu den wesentlichen Ansätzen gehören:
- Eine postfossile Entwicklungsstrategie, bei der eine klima- und ressourcenschonende Stadtentwicklung im Mittelpunkt steht
- Eine Fertigteil-/Modulbauweise, bei der die Bauteile fernab der Baustelle hergestellt, verschifft und vor Ort zusammengebaut werden, was den Materialbedarf und die Beeinträchtigung vor Ort reduziert und die Sicherheit erhöht
- Das Planen und Bauen mit der BIM-Methode, bei der ein digitales Abbild eines Objekts mit all seinen Anforderungen, Prozessen und Nutzungen vor Baubeginn getestet und optimiert werden kann, um den nachhaltigsten Entwurf zu finden.
Die Stadt der Zukunft braucht Resilienz
Die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen sich weiter. Dabei werden die Wetterextreme immer zerstörerischer, teurer und tödlicher. Gemäß einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz haben Extremwetter wie die außergewöhnlich heißen und trockenen Sommer der vergangenen Jahre sowie die Hochwasserkatastrophe von 2021 allein in Deutschland Schäden von insgesamt über 80 Milliarden Euro verursacht.
Resiliente Städte sind daher das Leitbild der Stunde, das für eine Abmilderung der physischen, ökologischen und sozialen Folgen extremer Klimaphänomene sorgen soll. Betroffene Städte sollen diese dadurch besser wegstecken, Gesundheits- und Bildungswesen oder andere systemrelevante Einrichtungen auch im Katastrophenfall funktionieren. Die finanzielle Effektivität von Vorsorgeinvestitionen wurde 2018 in einem Bericht des National Institute of Building Sciences untersucht. Demnach betragen die Vermeidungskosten nur ein Sechstel der zu erwartenden Schadenskosten.
Die Resilienz von Gebäuden lässt sich heute bereits im Modell testen, indem dreidimensionale Planungsdaten in eine entsprechende BIM-Software geladen werden. Beispielsweise können verschiedene Plattformen das Gebäudemodell in einem virtuellen Windkanal oder Erdbebengebiet testen und wertvolle Daten darüber liefern, welche Änderungen am Entwurf notwendig sind. Ein anderes Beispiel ist der Meeresspiegelanstieg, der Millionen Menschen in Küstenstädten bedroht. Auch zeigen moderne Technologien bessere Lösungen im urbanen Gebäude- und Küstenschutz auf. Anhand von Simulationen lässt sich ermitteln, wohin die Wassermassen im Falle eines katastrophalen Starkregenereignisses oder bei einem Deichversagen fließen und welche Fluchtwege benötigt werden. Daraus geht auch hervor, welche Elemente der kritischen Infrastruktur verstärkt werden müssen, damit beispielsweise Krankenhäuser oder Kraftwerke den Betrieb im Katastrophenfall aufrechterhalten können.
Praktische Beispiele für nachhaltige Stadtentwicklung
Die beste Planung und Vorbereitung ändert nichts, wenn die Projekte nicht auch in die Tat umgesetzt werden. Genau das haben Immobilienentwickler in Miamis Stadtviertel Coconut Grove mit dem Projekt Grove Central getan. Der Wohn- und Einzelhandelskomplex wurde nach den Prinzipien nachhaltiger Stadtentwicklung entworfen, unter anderem, um den Fußgängerverkehr so effizient und einladend wie möglich zu gestalten.
Als notorisch überlastete Stadt mit regem Verkehrsaufkommen war Miami der perfekte Ort, um nachhaltige Stadtentwicklungskonzepte auf deren Praxistauglichkeit zu testen. Die Planenden des Komplexes verfolgten zwei Ziele: einen gemeinschaftsdienlichen Raum zu schaffen, in dem alle Annehmlichkeiten zu Fuß erreichbar sind, und die Erreichbarkeit anderer Orte in der Stadt zu erleichtern – insbesondere durch eine direkte Verbindung zur U-Bahn.
Das gesamte Vorhaben wurde virtuell in Autodesk Revit modelliert, um die Anbindungen des Komplexes an die sonstigen Verkehrssysteme zu optimieren. Durch die Verkehrsberuhigung vom Autoverkehr konnte die Luftqualität erheblich verbessert werden. Zur Behaglichkeit trug außerdem die energieeffiziente Fassade bei, die vor Überhitzung schützt und gleichzeitig für eine optimale Tageslichtnutzung sorgt. Um die effizientesten und umweltfreundlichsten Materialien für das Projekt auszuwählen und die technische Gebäudeausrüstung so nachhaltig wie möglich zu gestalten, wurden die BIM-Daten mit den TGA-Fachplanenden geteilt.
Der mutige Plan wurde belohnt: Bis jetzt sind die Bewohnenden und Unternehmen von dem Objekt begeistert. Autolärm und Umweltverschmutzung gehören der Vergangenheit an und die Bewohnenden genießen es, jeden Ort fußläufig erreichen zu können, weil es nebenbei die sozialen Kontakte fördert und damit das Gemeinschaftsleben stärkt.
Der Einsatz der BIM-Technologie ist jedoch erst der Anfang. Stellen Sie sich vor, Sie könnten einen virtuellen Rundgang durch Ihren Entwurf unternehmen und sich in aller Ruhe in der digitalen Welt umsehen, Notizen machen, Maße nehmen und ausprobieren, wie ihre Ideen funktionieren – genau wie in einem der neusten VR-Spiele. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie sich in einem Modell für ein ganzes Gewerbegebiet, einen Park oder ein ganzes Stadtviertel bewegen.
Klingt nach einer Art immersivem Sim City? Genau – auch das gibt es bereits: Die moderne Variante des Stadtplanungs-Simulators nennt sich Sustain-a-City und wurde von dem Ingenieurbüro für Infrastruktur WSP Opus und der Kreativagentur Method entwickelt – beides Unternehmen aus Neuseeland. Ziel des Spiels ist es, durch geschickte Stadtplanung Funktionen wie Wohnen, Gewerbe oder Energieversorgung so zu gestalten, dass die Stadt aufblüht.
Aus eigener Erfahrung weiß man bei WSP Opus, dass Stadtplanende die städtische Infrastruktur nach dem aktuellen Haushalt gestalten und in der Regel stückweise in Auftrag geben und errichten müssen, wobei das städtebauliche Gesamtgefüge schnell aus dem Blickfeld gerät. Sustain-a-City wurde geschaffen, um das Verständnis dafür zu fördern, was die Entwicklung nachhaltiger Stadträume im wirklichen Leben bedeutet. Die Spielenden müssen sich zu Themen wie Siedlungswasserwirtschaft, Verkehr und Gewerbeflächen Gedanken machen und auf ein ausgewogenes Verhältnis der einzelnen Elemente achten, sodass die Stadt nachhaltig wachsen kann. Damit sie bei dieser Aufgabe richtig tief in die Materie eintauchen können, setzen die Entwickelnden auf Virtual Reality.
Das Spiel ist nur ein Beispiel dafür, wie faszinierende Technologien wie VR und Augmented Reality (AR) eingesetzt werden können, um Stadtentwicklung für alle erlebbar zu machen, sodass sich mehr Menschen für diese Thematik begeistern und sich aktiv einbringen.
Darüber hinaus werden die Modelle der städtebaulichen Vorhaben durch die Einbindung in geografische Informationssysteme (GIS) effektiv in den Kontext der örtlichen Umgebung gestellt und können so mit umfassenderen Datensätzen mit raumbedeutsamen Informationen wie dem lokalen Klima, Straßenverkehr sowie den Energie- und Abfallströmen verknüpft werden. Dadurch haben die Planenden Zugriff auf noch mehr Informationen, mit denen sich Simulations- und Entwurfsprozesse in BIM-Modellen optimal gestalten lassen.
Ist das Idealbild der nachhaltigen Stadt möglich?
Der Mensch kann bisher nicht annähernd mit der Effizienz mithalten, mit der die Natur ihre Ressourcen wiederverwertet. Als Behelfsinstrument konzentrieren wir uns auf die Bilanzierung. So sollen Aufforstungs-Projekte dabei helfen, den Ausstoß von Treibhausgasen zum Beispiel für eine Flugreise zu kompensieren.
Um sich der Nachhaltigkeit anzunähern, müssen jedoch verschiedene weitere Aspekte zusammenspielen. Vor allem moderne Technologie kann uns unterstützen: Eine nachhaltige Stadtentwicklung lässt sich heute an digitalen Modellen modellieren und planen. Dabei können in kurzer Zeit viele Zwischenritte durchgeführt werden, bis das Ergebnis so nachhaltig wie möglich ist.
Ein vielleicht noch wichtigerer Faktor ist die Bereitschaft zur Veränderung. Ein gemeinwohlorientiertes Denken erfordert Opfer und Kompromisse bei der Umgestaltung, wobei öffentliche und private Mittel konsequent zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden.
Ein Blick zurück auf das Projekt Grove Central in Miami zeigt es: Kulturell schien einiges dagegen zu sprechen, dass ausgerechnet eine Stadt, in der der motorisierte Individualverkehr derart großspurig ausgelebt wurde, sich an ein derartiges Projekt zur Verkehrsberuhigung heranwagt. Aber wenn es dort so gut funktioniert hat, ist der Wandel vermutlich auch woanders möglich.
Dieser Artikel wurde aktualisiert. Er wurde ursprünglich im April 2019 veröffentlicht. Unter Mitwirkung von Taz Khatri und Rina Diane Caballar.