Wie digitale Lösungen eine nachhaltige Wasserwirtschaft fördern
- Was ist Wassermanagement?
- Was ist Wasserinfrastruktur?
- Warum ist eine nachhaltige Wasserwirtschaft wichtig?
- Aktuelle Herausforderungen für die Wasserwirtschaft
- 3 technologische Entwicklungen, die eine nachhaltige Wasserwirtschaft fördern können
- 5 Vorteile moderner Technologien in der Wasserwirtschaft und bei der Planung
- 5 Beispiele für eine digitale und nachhaltige Wasserwirtschaft
- Die Zukunft der Wasserwirtschaft
„California Water Wars – Die Kalifornischen Wasserkriege“ mag wie der neueste Science-Fiction-Blockbuster aus Hollywood klingen. Was hierzulande vielleicht weniger bekannt ist: Das von Natur aus aride Südkalifornien an der Westküste der USA kämpft schon seit mehr als 100 Jahren eine wahre Schlacht um das Lebenselixier. Erst durch Superlative des Siedlungswasserbaus wie den damals von William Mulholland gegen zahlreiche Widerstände durchgesetzten Los Angeles Aqueduct gelangte Wasser aus dem Owens Valley nach Los Angeles. Ohne den Aquädukt wäre die Entwicklung der Metropole im vergangenen Jahrhundert undenkbar. Das Projekt hatte jedoch auch verheerende Auswirkungen auf das Owens Valley, das weitestgehend unfruchtbar wurde. Auch die Rahmenhandlung des 1974 uraufgeführten filmischen Meisterwerks Chinatown basiert auf den skrupellosen Hintergründen der Beschaffung und Verknappung von Wasser. Bis heute kämpft die Siedlungswasserwirtschaft mit enormen Herausforderungen, um eine ökologische, wirtschaftliche und soziale Wasserversorgung sicherzustellen und die kritische Ressource zu schützen.
Täglich werden Milliarden Kubikmeter Wasser verschwendet. Vor dem Hintergrund zunehmender klimatischer Extreme, einer nach wie vor wachsenden Weltbevölkerung, der allgemeinen Umweltverschmutzung und einer ungerechten Verteilung des verfügbaren Wassers müssen dringend nachhaltige Konzepte für die Wasserwirtschaft gefunden werden.
Was muss passieren? Der Handlungsbedarf ist umfassend: Neben neuen politischen Initiativen und entsprechend großzügigen Investitionen in die Infrastruktur braucht es auch einen digitalen und datengestützten Ansatz für eine nachhaltige Wasserwirtschaft. Darüber hinaus ist ein nachhaltiges Wassermanagement aber auch eine Frage der Haltung. Auch wenn strenge Regulierungsmaßnahmen für die Bewirtschaftung der Wasserressourcen getroffen werden, hängt ihr Erfolg davon ab, dass ein Umdenken in der Bevölkerung einsetzt, und diese sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzt.
Was ist Wassermanagement?
Zu den Aufgaben der Siedlungswasserwirtschaft gehören die Planung, die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Wassergewinnung für die Versorgung von Siedlungen mit Wasser, sowie dessen Aufbereitung und Verteilung an die Endverbrauchenden, die Ableitung von Siedlungsabwässern und deren Behandlung, Entsorgung oder Wiederverwendung. Weitere Aufgaben sind die Sicherung der Wasserrechte, der Bau der Infrastruktur und die Festlegung von Maßnahmen zur Wassermengen- und Wassergütesteuerung.
Dabei nutzen Menschen Wasser für drei Hauptzwecke:
1. Landwirtschaft (70 %)
2. Industriewasserwirtschaft (19 %)
3. Häusliche bzw. kommunale Wasserwirtschaft (11 %)
Zu den siedlungswasserwirtschaftlichen Aufgaben gehören im Einzelnen:
- die Versorgung mit Trinkwasser von der Wasserfassung bis zur Zapfstelle
- die Sicherstellung einer sicheren und schadstofffreien Wasserqualität
- die Bewirtschaftung der Infrastruktur für die Gewinnung, den Transport und die Aufbereitung von Trinkwasser
- die Ableitung von Siedlungsabwässern
- die Umleitung von Wasser aus Wasserquellen wie Seen, Speicherbecken und Grundwasserleitern in die Siedlungen
- das Regenwassermanagement und das schadlose Ableiten von Extremniederschlägen
Wasser ist ein öffentliches Gut. In den Vereinigten Staaten liegt seine Bewirtschaftung in der Hand von mehr als 148.000 verschiedenen öffentlichen Wasserversorgungssystemen (Public Water Systems). In vielen Gebieten werden die unterschiedlichen Nutzungen von verschiedenen Organen verwaltet. So kann es sein, dass für die Regenwasserableitung und die Trinkwasserversorgung an einem Ort unterschiedliche Betriebe zuständig sind. Um die Siedlungswasserwirtschaft zu modernisieren, hat die US Water Alliance (USWA) die Initiative One Water ins Leben gerufen. Unter Koordinierung aller Beteiligten im ganzen Land wählt die USWA damit einen ganzheitlichen Ansatz, der durch die folgenden sieben Lösungsansätze gekennzeichnet ist:
1. Förderung der regionalen Zusammenarbeit in der Siedlungswasserwirtschaft
2. Vorantreiben von Partnerschaften zwischen Landwirtschaft und Wasserversorgern zur Verbesserung der Wasserqualität
3. Bereitstellung geeigneter Finanzmittel für die Wasserinfrastruktur
4. Bedarfsgerechte Bündelung von öffentlich-privaten Kompetenzen und Investitionen in die Wasserinfrastruktur
5. Neudefinition von Bezahlbarkeit für das 21. Jahrhundert
6. Reduktion von Gesundheitsrisiken durch Blei und Schutz der öffentlichen Gesundheit
7. Beschleunigte Einführung von Technologien zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Optimierung der Wasserversorgung
Diesen Ansatz verfolgen kleine Kommunen ebenso wie Großstädte wie New York. Durch die Betonung der gemeinsamen Ziele und durch ein vereintes Vorgehen sollen Silostrukturen abgebaut werden.
Was ist Wasserinfrastruktur?
Der Begriff Wasserinfrastruktur umfasst alle technischen Anlagen, die erforderlich sind, um Wasser zu fassen, zu fördern, aufzubereiten und an die Endverbraucher zu verteilen sowie die anfallenden Abwässer wieder abzuleiten, zu behandeln und wieder in die Umwelt zurückzuführen. Ein Teil dieser Anlagen dient der Trinkwasserversorgung und beinhaltet neben den für den Transport erforderlichen Rohrleitungen auch die Wasserwerke, in denen Rohwasser zu Trinkwasser aufbereitet wird. Das in den Siedlungen anfallende Abwasser wird ebenfalls in Kanalnetzen gesammelt und im Freigefälle oder in Druckrohrleitungen über entsprechende Abwasserpumpwerke zu den Kläranlagen geleitet, wo es vor Wiedereinleitung in die Gewässer mit physikalischen, chemischen und biologischen Verfahren gereinigt wird.
Zur Wasserinfrastruktur zählen:
- erdverlegte Rohrleitungen
- Kanäle und Aquädukte
- Stauanlagen
- Entwässerungssysteme
- Speicher
- Dämme
- Rückhaltebecken
- Wasserversorgungsleitungen
- Kläranlagen, Pumpstationen und Rohrleitungen
- Regenwasserkanäle und Hochwasserschutzanlagen
Allein in den Vereinigten Staaten werden täglich mehr als 1,3 Milliarden Kubikmeter Wasser für verschiedene Zwecke transportiert. Inzwischen sind unzählige Rohre, Aufbereitungsanlagen, Dämme und Abwasserkanäle, die seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Dienst verrichten, dringend sanierungsbedürftig. Damit sie in Zukunft nicht nur funktionieren, sondern auch moderne Anforderungen erfüllen können, braucht es Investitionen.
Warum ist eine nachhaltige Wasserwirtschaft wichtig?
Aus dem Weltraum ist unschwer zu begreifen, warum die Erde der „Blaue Planet“ genannt wird: 71 % der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Doch so grenzenlos es auch vorhanden zu sein scheint – Wasser ist eine begrenzte Ressource. Lediglich 0,5 % des Wassers auf der Erde ist in Form von Süßwasser für Menschen genießbar, wobei der Zugang zu diesen Reserven für Millionen von ihnen immer schwerer wird.
Während die Nachfrage nach Wasser steigt, wird das kostbare Gut gleichzeitig knapp. Im Jahr 2050 werden voraussichtlich 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Doch bereits heute haben weltweit 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 3,6 Milliarden fehlt es an hygienischen und umweltfreundlichen sanitären Anlagen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums steht zu befürchten, dass der Zugang zu Wasser immer ungerechter verteilt sein wird, und auch die Risiken für die öffentliche Gesundheit zunehmen.
Die sich ändernden Wettermuster führen zu immer heftigeren Starkregenereignissen, die sich mit ausgedehnten Dürreperioden abwechseln. Schon seit langem werden Investitionen in die Infrastruktur verschleppt. Viele Bestandsanlagen sind den wachsenden hydraulischen Belastungen am Ende ihrer Nutzungsdauer nicht mehr gewachsen, sodass sie zunehmend versagen.
Politische Maßnahmen können die Wasservorräte schützen und bewahren. Die Regierungen können Anreize für den Bau neuer Infrastrukturen schaffen und die Wasserbetriebe für eine gerechte Verteilung und gleichmäßige Güte des Wassers sorgen. All dies muss eine nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft leisten. Darüber hinaus sind innovative Strategien und Lösungen mehr denn je gefragt, um die neuen Herausforderungen zu meistern.
Aktuelle Herausforderungen für die Wasserwirtschaft
Manche Menschen brauchen nur den Wasserhahn aufzudrehen und schon fließt Trinkwasser in bester Qualität. Viele andere jedoch müssen weite Strecken zurücklegen, um die nächste Wasserquelle zu erreichen. Doch auch wenn die Versorgung der Menschen mit Wasser das dringendste Problem darstellt, hat die Wasserwirtschaft heute zusätzlich mit diversen anderen Herausforderungen zu kämpfen.
Zugang zur Wasserversorgung
In der Wasserwirtschaft stellt sich seit längerem das Problem der Verknappung der Wasservorräte, die sich aus einer negativen Wasserbilanz ergibt. Vielen Menschen scheint nicht klar zu sein, dass Wasser nicht unerschöpflich ist. Doch der Vorrat schwindet.
Die Prognosen für die Zukunft sind alarmierend:
- Wenn sich am gegenwärtigen Umgang mit Wasser nichts ändert, werden bis 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung mit Wasserknappheit konfrontiert sein.
- Im Jahr 2040 wird jedes vierte Kind in einem Gebiet leben, in dem extremer Wassermangel herrscht.
- Gegenwärtig verbraucht die landwirtschaftliche Produktion 70 % der Wasservorräte. Um auch die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, die 2050 auf 10 Milliarden Menschen ansteigen wird, muss die landwirtschaftliche Produktion auf bewässerten Flächen um 50 % gesteigert werden, wodurch der Wasserbedarf um 15 % ansteigen wird.
- Bereits 2030 wird der Wasserbedarf das Angebot um 40 % übersteigen.
Zwar beginnen die Regierungen mit der Regulierung der begrenzten Wasservorkommen, um diese zu schonen. Unter Beibehaltung der bisherigen wasserwirtschaftlichen Praxis ist es jedoch nicht möglich, eine weiter steigende Zahl von Menschen zu versorgen. Jeder einzelne Tropfen Wasser, der aufgefangen, gefördert, verbraucht und aufbereitet wird, muss besser geschützt werden.
Extremwetterereignisse
Klimawandel und Wasserkreislauf sind untrennbar miteinander verbunden. Die Vereinten Nationen beschreiben diesen Zusammenhang wie folgt: „Der Klimawandel ist in erster Linie eine Wasserkrise. Wir spüren die Auswirkungen durch zunehmende Überschwemmungen, steigende Meeresspiegel, schrumpfende Eisfelder, Waldbrände und Dürren.“ Zwischen 2001 und 2018 waren drei Viertel aller auftretenden Naturkatastrophen hydrologische Ereignisse. Dabei kommt es in Gebieten wie Kalifornien zu ausgedehnten Dürren und verheerenden Bränden, während Europa von schweren Überschwemmungen heimgesucht wird. Oft geraten Orte von einem Extrem ins andere: Im Jahr 2023 erlebt der US-Bundesstaat Kalifornien nach den trockensten drei Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen den niederschlagsreichsten Winter seit 70 Jahren.
Derartige hydrologische Extreme treffen viele Kommunen weltweit unvorbereitet. Die Folge: verlorene oder verminderte Ernten, zerstörte Lebensgrundlagen und eine geschwächte Wirtschaft. Der bei Extremregen erhöhte Eintrag von Schad- und Nährstoffen aus dem Oberflächenabfluss belastet die Gewässer. Nicht umsonst reagiert die Wasserwirtschaft mit ersten Maßnahmen, die uns für die Zukunft besser aufstellen sollen.
Marode Infrastruktur
Viele der heutigen siedlungswasserwirtschaftlichen Anlagen waren zu ihrer Entstehungszeit eine technische Meisterleistung. Gegenwärtig erreichen viele dieser gigantischen Netze das Ende ihrer Nutzungsdauer. Der Klimawandel beschleunigt diesen Alterungsprozess noch.
- In den Vereinigten Staaten sind 3,5 Millionen Kilometer Trinkwasserleitungen installiert. Alle zwei Minuten kommt es zum Rohrbruch in einer Hauptversorgungsleitung. Dadurch gehen jährlich 22 Millionen Kubikmeter an bereits aufbereitetem Trinkwasser verloren.
- In den USA gibt es 16.000 Kläranlagen, die im Schnitt zu 81 % ausgelastet sind, wobei der Abwasseranfall zumindest in Ballungsräumen weiter zunimmt.
- Zur Wasserinfrastruktur des Landes zählen mehr als 92.000 Dämme, die im Schnitt vor 61 Jahren errichtet wurden, wobei diese Bauwerke ihre Bemessungslebensdauer zu 85 % bereits überschritten haben.
Die Wasserinfrastruktur ist größtenteils überaltert und wird durch die häufigen Starkregenereignisse extrem belastet. Als 2017 die Hochwasserentlastungsanlagen am Oroville-Staudamm in Anspruch genommen werden mussten, versagten große Teile der Schussrinne, woraufhin tausende Menschen flussabwärts wegen der drohenden Flutkatastrophe evakuiert werden mussten. Bei diesem Ereignis wurden Menschenleben aufs Spiel gesetzt und Gewässer verunreinigt. Die Kosten der Havarie gingen in die Milliardenhöhe.
In der Stadt Jackson im US-Bundesstaat Mississippi häuften sich die Havarien an dem mehr als 100 Jahre alten Rohrleitungsnetz und einem seit 110 Jahren in Betrieb befindlichen Wasserwerk derart, dass die Wasserversorgung regelmäßig wochenlang unterbrochen werden musste, bis sie 2022 schließlich endgültig zusammenbrach. Ein Starkregen hatte den Fluss über die Ufer treten lassen und das Wasserwerk geflutet, sodass keine Wasseraufbereitung mehr möglich war. Während den Menschen in der Hauptstadt immer wieder mitgeteilt wurde, dass das Wasser wegen der anhaltenden Krise abzukochen sei, blieben Lösungen zur Finanzierung der dringenden Reparaturen aus. Dabei ist dies nur ein Beispiel zur Illustration eines landesweiten Problems.
Finanzierung
Die Frage der Finanzierung beschäftigt die Wasserwirtschaft seit langem: Es wird schon lange nicht genug Geld in Betriebsführung und Infrastruktur investiert. Aufgrund der dezentralen Struktur gleicht die Siedlungswasserinfrastruktur einem Flickenteppich, für den sich die Finanzierung entsprechend schwierig gestaltet. Die staatlichen Mittel sind knapp bemessen, sodass die Bundesstaaten, Gemeinden und die Menschen vor Ort auf sich gestellt sind, wenn es darum geht, Mittel für dringend benötigte Modernisierungsmaßnahmen aufzutreiben.
Wasserverschmutzung
Mit dem Oberflächenabfluss werden verstärkt Chemikalien, Abfälle, Schad- und Nährstoffe aus der Landwirtschaft und Mikroorganismen in die Gewässer eingetragen. Allein in Los Angeles fließen umgerechnet auf einen Tag fast 400.000 Kubikmeter verunreinigtes Wasser durch die Regenwasserkanäle. Mangelhafte wasserwirtschaftliche Ressourcen und Infrastrukturen können zu einer Kreuzkontamination zwischen Abwasser und Trinkwasser führen – ein Problem, das vor allem in Entwicklungsländern auftritt. Jedes Jahr sterben Millionen Menschen an den gesundheitlichen Folgen von verunreinigtem Wasser.
Arbeitskräftemangel
Ähnlich wie andere Branchen hat auch die Wasserwirtschaft mit einem Mangel an Arbeitskräften zu kämpfen. Innerhalb der nächsten 10 Jahre werden 30 % der 1,7 Millionen Beschäftigen in Rente gehen und den Betrieben damit viele der erfahrensten Mitarbeitenden fehlen. Bei den nächsten Generationen von Arbeitnehmenden kann die Branche mit ihren veralteten Praktiken kaum punkten, da bei jungen Menschen eher daten- und technologiebetonte Zukunftsberufe beliebt sind.
3 technologische Entwicklungen, die eine nachhaltige Wasserwirtschaft fördern können
Der Weg eines jeden einzelnen Wassertropfens lässt sich anhand von Daten beschreiben, die sich die Wasserwirtschaft vor allem zunutze machen könnte, um bessere Entscheidungen zu treffen. Dafür müssten die Betriebe diese Daten zuvor in konkrete Erkenntnisse umwandeln, was geeignete Softwarelösungen und eine entsprechende Cloud-Infrastruktur voraussetzt. Auch wenn die Branche vieles aufzuholen hat, ist sie prädestiniert für eine vollständige digitale Transformation.
Dabei hat man in der Wasserwirtschaft längst erkannt, welchen enormen Nutzen Daten haben können. So werden beispielsweise Sensoren und SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition) in den Betrieben schon viele Jahre eingesetzt, um die Funktion von erdverlegten Infrastrukturen oder Kläranlagen zu überwachen. Allerdings sind die verfügbaren Technologien nie zu einem zusammenhängenden Ökosystem vernetzt worden. Stattdessen sind überwiegend Silostrukturen entstanden und ein Übergang zu einem vollständig digitalen Betrieb findet nur langsam statt.
Während der COVID-19-Pandemie kam es in vielen Wasserversorgungssystemen zu betrieblichen Beeinträchtigungen. Die Mitarbeitenden in den Wasserbetrieben mussten sich untereinander vernetzen und waren zur Bewältigung ihrer Aufgaben auf entsprechend zuverlässige Systeme angewiesen. Das gab den Anstoß für Veränderungen. Inzwischen setzt die Branche verstärkt auf digitale Tools zur Verbesserung der Betriebsabläufe. 55 % der US-amerikanischen Wasserwirtschaftsunternehmen geben an, neue Technologien hauptsächlich für die Überwachung ihrer Anlagen und zur Analyse der Daten einzusetzen, was die Zukunft der Branche im Hinblick auf eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung vorantreiben werde.
Nachstehend folgen drei Technologien, die den Umgang mit Wasser in den Wasserwirtschaftsbetrieben verändern und langfristig für mehr Wasserresilienz sorgen werden.
1. Digitale Zwillinge
Sogenannte digitale Zwillinge sind in der Fertigungsindustrie und im Bauwesen kaum mehr wegzudenken. Inzwischen beginnt auch die Wasserwirtschaft deren Einsatzmöglichkeiten zu entdecken, beispielsweise zur Visualisierung unterirdischer Anlagen oder zur Überwachung des Betriebs. Für die Wasserwirtschaft sind digitale Zwillinge virtuelle Nachbildungen von physischen Anlagen (Wasserinfrastrukturnetzen), die mit Echtzeitdaten gespeist werden. Sie sammeln sämtliche Daten von Prozesssteuerungssystemen wie SCADA, IoT-Sensoren oder Zählern sowie sonstige Informationen über die Anlagenkomponenten. So kann in den Modellen hinterlegt sein, wann ein Rohr installiert wurde und aus welchem Material es besteht. Das Modell kann außerdem historische Daten und Echtzeitfunktionen zur Erstellung von Prognosen für die Systemfunktionen verarbeiten.
Durch die Alarme der eingebundenen Sensoren können die Betreiber anhand des digitalen Zwillings beispielsweise Druckschwankungen oder sonstige Veränderungen der Bedingungen nachverfolgen. Sie haben mühelos Zugriff auf den Wasserstand und den pH-Wert in Behältern. Kunden können bei Problemen mit der Wasserversorgung sofort präzise informiert werden, wobei die Dauer der Versorgungsunterbrechung minimiert wird. Anhand des Modells haben die Betreiberunternehmen alle Leistungsparameter mühelos im Blick. Digitale Zwillinge erleichtern auch die kontinuierliche Verbesserung von wasserwirtschaftlichen Anlagen, indem sie Schwachstellen identifizieren und helfen, Probleme zu beheben, bevor sie zu schwerwiegenden Störungen führen.
Digitale Zwillinge sind die perfekte Lösung für eine moderne Siedlungswasserwirtschaft. Auch in Jackson, wo das System jahrelang von Wasserrohrbrüchen geplagt wurde, haben die Ingenieure die auf 260 Quadratkilometer verteilte Wasserinfrastruktur der Stadt digital kartiert und ein virtuelles Modell mit Echtzeitdaten erstellt. Mit diesem Modell können sie Durchfluss und Druck überwachen und so eine ununterbrochene Wasserversorgung gewährleisten und die Wasserqualität für die 150.000 Einwohner der Stadt verbessern.
2. Zusammenarbeit in der Cloud
Die digitale Transformation beinhaltet mehr als nur den Kauf einer Software oder die Aufrüstung eines einzelnen Systems. Um den Mehrwert der neuen Technologien voll zu nutzen, geht es vielmehr darum, die richtigen Werkzeuge, Teams und Mitarbeiter zusammenzubringen. Dies erfordert die Zusammenarbeit in einer cloudbasierten Umgebung.
Die Vorteile der Cloud sind bekannt. Nicht umsonst wird die Arbeit bereits 2025 zu 95 % auf Cloud-Plattformen erledigt werden. In der Wasserwirtschaft wird das Potenzial dieser offenen Zusammenarbeit noch längst nicht ausgeschöpft, wenngleich immer mehr Prozesse in die Cloud verlagert werden. Wasserverteilungsnetze sind komplexe Systeme. Mithilfe der Cloud können alle Komponenten und Beteiligten zentralisiert werden, sodass eine Zusammenarbeit in Echtzeit möglich wird. In der Cloud sind auch die digitalen Zwillinge mit all ihren wertvollen Daten am besten aufgehoben, weil sie so an einem zentralen Ort zusammengeführt werden. Dadurch können die Verantwortlichen zur richtigen Zeit die Informationen abrufen, die sie für die Planung, die Auslegung, den Betrieb und die Instandhaltung benötigen, sodass die Silostrukturen der traditionellen Wasserwirtschaft aufgebrochen werden.
Durch die vollständige Transparenz einer Cloud-Umgebung werden Redundanzen beseitigt. So wird sichergestellt, dass alle Aufgaben auf der einzig richtigen Grundlage erfolgen können. Da die Daten in der Cloud zudem interoperabel sind und schnellere Simulationen ermöglichen, sind für die Bewältigung wasserwirtschaftlicher Aufgaben zahlreiche Verbesserungen zu erwarten.
3. Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) ist die Technologie der Stunde schlechthin und macht auch vor der Wasserwirtschaft nicht Halt. Bevor geeignete Technologien zur Verfügung standen, erkannte man Schäden am Rohrleitungsnetz erst dann, wenn sie sich an der Schadstellte durch Wasseraustritt bemerkbar machten. Mithilfe von KI kann das System Schäden vorhersagen, bevor sie eintreten. Über den gesamten Lebenszyklus der Infrastruktur betrachtet, lässt sich die Wasserverschwendung durch Undichtigkeiten damit erheblich reduzieren. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen können Unternehmen beliebige Szenarien simulieren, was besonders in einer Welt mit immer neuen meteorologischen Rekorden eine große Stärke dieser Technologien darstellt.
Die KI kann für mehr Effektivität in der Wasserwirtschaft sorgen. So werden in der Landwirtschaft beispielsweise 70 % der weltweiten Wasservorkommen eingesetzt, wovon bisher jedoch bis zu 60 % verschwendet werden. Sogenannte Smart-Farming-Technologien sollen dieses Problem lösen. Dabei kann die KI anhand von Sensordaten und Parametern der Bewässerungsanlage, Satellitenbildern und Wettervorhersagen für eine bedarfsgerechte Wasserversorgung der Kulturpflanzen sorgen.
Die Einsatzmöglichkeiten der KI in der Wasserwirtschaft sind vielfältig:
- Überwachen der Wasserstände und Vorhersagen für Durchflussspitzen zur Anpassung der Kapazitäten
- Bereitstellung von Informationen für die vorausschauende Instandhaltung zur Reduzierung ungeplanter Ausfallzeiten und Störungen
- Identifizierung von Mustern und Erkennung früherer Trends zur kontinuierlichen Optimierung von Risikobewertungen, um zu ermitteln, wann ein Ereignis oder eine Störung eintreten könnte
- Optimierung der bedarfsgerechten chemischen Behandlung von Wasser
- Einsatz von maschinellem Lernen für die betriebliche Leistungsoptimierung der Anlagen und Infrastrukturen
- Anpassung der Betriebszeiten von Pumpen zur Verbesserung der Energieeffizienz
Dabei wird deutlich, dass die KI in Zukunft nicht nur ein leistungsstarkes Werkzeug für wasserwirtschaftliche Betriebe sein wird, sondern auch für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit sorgen kann.
5 Vorteile moderner Technologien in der Wasserwirtschaft und bei der Planung
Während andere Branchen einen rapiden digitalen Wandel durchlaufen, war die Wasserwirtschaft lange Zeit in traditionellen Arbeitsabläufen gefangen. Dabei können digitale Technologien die Wasserwirtschaft durch den Einsatz datengestützter Werkzeuge regelrecht revolutionieren und für nachhaltige Wasserkreisläufe und effizientere Betriebsabläufe sorgen. Im Folgenden werden die wichtigsten Vorteile einer digitalen und nachhaltigen Wasserwirtschaft dargestellt.
1. Besser vorbereitet durch Simulationen und Modellierungen
Für die Auslegung neuer Projekte oder Maßnahmen an bestehenden Rohrleitungsnetzen können die Ingenieure auf moderne Methoden der hydraulischen Modellierung zurückgreifen und dabei alle relevanten Informationen des hydraulischen Systems digital zusammenführen. Diese Aufgaben wurden lange mit Tabellenkalkulationsprogrammen bewältigt. Die Berechnungsergebnisse waren dementsprechend statisch, ineffizient und schwer kollaborativ nutzbar. Im Rahmen der visuellen Modellierung eines Wasserversorgungsnetzes zeigen Simulationen die Reaktion des Systems auf verschiedene Szenarien. So lassen sich Schwachstellen aufdecken und Rückschlüsse auf erforderliche technische Maßnahmen ziehen, bevor einzelne Anlagenteile versagen. Die Qualität der Planung und Bemessung lässt sich dank der neuen Technologien erheblich steigern, sodass eventuelle Fehler kaum noch unentdeckt bleiben. Dadurch sind die angeschlossenen Siedlungen besser vorbereitet und im Ernstfall vor Überflutung und Zerstörung geschützt.
2. Echtzeit-Einblicke machen betriebliche Abläufe effizienter
Die betrieblichen Funktionen und Bedingungen wasserwirtschaftlicher Anlagen lassen sich heute mit den Daten von IoT-Sensoren im digitalen Zwilling in Echtzeit abbilden. Dabei können Parameter über die Wassergüte, die Auslastung, den Druck oder die Leistung überwacht werden. Ein großer Vorteil zu bisherigen Möglichkeiten: Wenn früher ein Leck in einem Teil der Anlage vermutet wurde, musste die Ortung visuell anhand des austretenden Wassers erfolgen. Bei dieser langwierigen Art der Leckortung kam es nicht nur zu erheblichen Beeinträchtigungen der Versorgung, sondern oft gingen bei einem einzigen Rohrbruch auch viele Millionen Liter Wasser verloren. Anhand von Echtzeitdaten können Betreiber Probleme dagegen schnell erkennen und beheben, was ihre betriebliche Leistungsfähigkeit und Effizienz stark verbessert.
3. Die Anlagenverfügbarkeit verbessert sich
Ein großer Teil des bewirtschafteten Wasserkreislaufs findet in unterirdischen Leitungssystemen und Behältern statt. Ein Problem wird oft erst dann erkannt, wenn das Wasser an seinem Bestimmungsort ankommt (oder auch nicht). Die Mitarbeitenden in den Wasserbetrieben können heute auf Modelle mit Echtzeitdaten zurückgreifen, um die Funktion der einzelnen Anlagenteile zu überwachen. Etwaige Probleme lassen sich durch georeferenzierte Sensoren räumlich exakt eingrenzen. Dies hilft den Teams, die betrieblichen Parameter besser zu verstehen und zukünftige Verbesserungen zu planen. Notwendige Investitionen lassen sich so nicht nur besser kalkulieren und begründen, die gute Datengrundlage ermöglich auch präzisere Kostenschätzungen.
4. Auch Bestandsanlagen können nachgerüstet werden
Es wäre vollkommen unrealistisch, alle bestehenden Leitungen und siedlungswasserwirtschaftlichen Anlagen kurzfristig durch moderne, digital betriebene Systeme zu ersetzen. Zur Zustandserfassung stehen den Betreibern seit vielen Jahren Kamerasysteme zur Verfügung, mit denen die Leitungen zur Inspektion befahren werden können. Aber auch für Bestandssysteme können cloudgestützte Hydraulikmodelle erstellt werden, die mit entsprechenden Echtzeitdaten zur Betriebsoptimierung beitragen. Anhand eines GIS-Modells mit georeferenzierten Sensoren gewinnen die Betreiber einen Überblick über ihr gesamtes System. Um die Funktion zu überwachen, kann es bereits helfen, wenn sie mit der Datenerfassung in einem kleinen Teil des Netzes beginnen. Durch die Erstellung eines digitalen Abbilds können die Bereiche mit akutem Sanierungsbedarf besser priorisiert werden. Die Ausstattung ganzer Anlagen mit Sensoren kann sehr kostspielig werden. Typischerweise kommt es jedoch nicht auf die Anzahl an, sondern auf geschickt gewählte Installationsorte, um an die wertvollsten Informationen zu kommen.
5. Nachhaltige und smarte Wasserwirtschaft
Wasser und Nachhaltigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Vom Wasserverbrauch, über das Hochwassermanagement bis hin zum Umgang mit Abwasser – bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele werden neue Technologien zum Gamechanger für Kommunen und Unternehmen. Auf die Wasser- und Abwasserwirtschaft entfallen 2 % des gesamten Energieverbrauchs in den Vereinigten Staaten. Dabei werden jährlich 45 Millionen Tonnen an Treibhausgasen ausgestoßen. In einer smarten Wasserwirtschaft mit digitalen Modellen kann der Stromverbrauch beim Erhitzen, Aufbereiten und Fördern von Wasser reduziert werden. Die Leistung von Anlagenkomponenten kann auf den aktuellen Bedarf abgestimmt werden, wodurch deren Energieverbrauch sinkt. Durch diese Maßnahmen wird die Wasserwirtschaft nachhaltiger. Ein Beispiel aus Neuseeland: Wellington Water konnte gemeinsam mit dem international bekannten Unternehmen Stantec und mithilfe von Autodesk Info360 Insight die Pumpenleistung genau überwachen und die Pumpenlaufzeiten exakt an die tatsächlichen Erfordernisse anpassen. Dieser digitale Ansatz sparte 20 % Strom ein und verlängerte die Lebensdauer der Anlagen.
5 Beispiele für eine digitale und nachhaltige Wasserwirtschaft
Die digitale Transformation der Wasserwirtschaft nimmt Fahrt auf. Wie sich die Betriebsabläufe in der Praxis verbessern und welche Vorteile eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen haben kann, zeigen die folgenden Beispiele.
1. Toledos Wassersystem wird im Eiltempo saniert
Im Nordwesten des US-Bundesstaates Ohio kam es infolge einer Algenblüte im angrenzenden Eriesee in der Stadt Toledo zu einer Unterbrechung der Trinkwasserversorgung von einer halben Million Menschen. Die 80 Jahre alte Trinkwasseraufbereitungsanlage war mit dem verunreinigten Rohwasser überfordert.
Daraufhin beauftragte die Stadt das Ingenieurbüro Arcadis mit der Modernisierung der bestehenden Infrastruktur und dem Bau zweier neuer Aufbereitungsbecken. Zunächst wurden die Bestandsanlagen anhand von 3D-Scans in ein digitales Modell übertragen. Die Fachplaner von Arcadis, die für Architektur, TGA, Elektrik, Tragwerksplanung und Maschinenbau zuständig waren, arbeiteten an gemeinsamen BIM-Modellen in der Cloud. Durch die neue Arbeitsweise konnten im Vergleich zur traditionellen Dateiübertragung rund 1.000 Planungsstunden eingespart werden, obwohl die Projektbeteiligten an den verschiedensten Orten arbeiteten. Nach Abschluss des Projekts wird Arcadis das BIM-Modell an die Stadtwerke von Toledo übergeben. Dann wird es dem Betrieb dazu dienen, Probleme frühzeitig zu erkennen und eine resiliente Wasserversorgung aufrecht zu erhalten.
2. Von antiker Handelsroute zum smarten Kanalsystem
Der 1790 erbaute Forth and Clyde Canal in Glasgow war einst eine viel befahrene Wasserstraße, auf der reger Handel betrieben wurde. Mit der Entwicklung des modernen Landverkehrs hatte die Gesellschaft keine Verwendung mehr für die Kanäle, sodass sie in den 1960er Jahren aufgegeben wurden und verwahrlosten. Die in Schottland für diese Wasserwege zuständige staatliche Behörde Scottish Canals, bemühte sich Anfang der 2000er Jahre um ihre Revitalisierung. Durch den Klimawandel und die immer extremeren Niederschlagsereignisse waren die Kanäle jedoch sehr anfällig für Hochwasser.
Diesem Problem wollte das Team durch eine Modernisierung der Managementmethoden begegnen. Dafür wurde ein digitaler Zwilling des Kanals erstellt, der mit Echtzeitdaten von Sensoren gespeist wurde, mit denen die Auswirkungen bevorstehender Regenfälle analysiert werden konnten. Auf der Grundlage dieser Informationen kann entschieden werden, welche Wehre zu öffnen und zu schließen sind, um das verfügbare Rückhaltevolumen des Kanals anzupassen. Heute ist der revitalisierte Kanal dank verbesserter Bewirtschaftung ein Refugium für Wildtiere und ein beliebtes Freizeitziel für Kajaktouren und das immer beliebtere Stand-Up-Paddling.
3. Renaissance der Wasserwirtschaft
Die italienische Stadt Florenz steckt voller Schönheit, Geschichte und Kultur. 1966 überschwemmte eine verheerende Flut die Wiege der Renaissance und erstickte sie in 600.000 Tonnen Schlamm, Schutt und Abwasser. Das furchtbare Ereignis forderte 100 Menschenleben und zerstörte viele wertvolle Kunstwerke.
Wasserbauingenieur Paolo Tamagnone will dazu beitragen, dass sich die Katastrophe nicht wiederholt. Er erstellte mit Autodesk Infoworks ICM ein Modell, das den Fluss Arno von der Quelle bis zur Stadt abbildet und alle überschwemmungsgefährdeten Gebiete identifizierte. Er modellierte die Wasser- und Abwassersysteme ebenso wie die städtische Bebauung und führte Simulationen durch, um vorherzusagen, was bei verschiedenen Überflutungsszenarien über und unter der Erde passiert. Auf den daraus entstandenen Karten wurden die am stärksten gefährdeten Gebiete detailliert ausgewiesen, sodass auf dieser Grundlage ein wirksamer Notfallplan erstellt werden konnte.
4. Mit digitalen Modelle zu schnelleren Reaktionszeiten
Im Januar 2018 kam es in der Stadt Livonia im US-Bundesstaat Michigan zum Ausfall eines wichtigen Messgeräts, der zu mehreren Wasserrohrbrüchen führte. Die Behörden musste die Bevölkerung anweisen, das Trinkwasser abzukochen, und die Sperrung einer wichtigen Schnellstraße veranlassen. Die Trinkwasserversorgung von Livonia stützt sich auf ein 800 Kilometer langes Netz an Wasserversorgungsleitungen, die in den 1920er Jahren installiert wurden. Die Abläufe des Wasserversorgungsbetriebs waren papierbasiert, und die Dokumentation wurde in Aktenordnern organisiert. Den entscheidenden Schritt in Richtung einer modernen Wasserwirtschaft machte die Stadt mit der Beauftragung des Architektur- und Ingenieurbüros OHM Advisors und der Erstellung von GIS-basierten Hydraulikmodellen. Die mit Autodesk InfowaterPro erstellten Modelle dienten der Simulation von über 40 Szenarien für planmäßige und außerplanmäßige Betriebsunterbrechungen. Damit sind nun alle Informationen in einem interaktiven digitalen Dashboard gespeichert, auf das alle Beteiligten zugreifen können. Die Abkehr von veralteten Prozessen ermöglichte auch die Erstellung eines Notfallplans, der auf digitalen Arbeitsabläufen basiert.
5. Brasiliens olympische Herausforderung
Nachdem Rio de Janeiro den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2016 erhalten hatte, stand die brasilianische Küstenstadt vor einer großen Aufgabe: der Einführung eines Trennsystems für Regen- und Schmutzwasser. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde beides über eine veraltete Mischentwässerung aus den 1850er Jahren direkt in die Vorfluter und Meere geleitet. Dabei gelangten jede Sekunde 8.200 Liter Abwasser in die malerische Bucht von Guanabara. Zur Entwicklung von Lösungen begannen die Ingenieure damit, die unterirdischen Leitungen manuell mit Autodesk Civil 3D zu kartieren. Anschließend erstellten sie mit der BIM-Methode ein zeitgemäßes Modell des jahrhundertealten Systems. Durch diese Art des digitalen Tiefbaus mit einem optimalen Kollisionsmanagement konnten nicht nur umgerechnet 14 Millionen Euro gespart, sondern auch die Voraussetzungen für eine sauberere Umwelt für die Olympiateilnehmer und die Einwohner von Rio de Janeiro geschaffen werden.
Die Zukunft der Wasserwirtschaft
Die Wasserwirtschaft ist zwar dezentral organisiert, aber die gesamte Branche steht vor den gleichen Herausforderungen. Prognosen zufolge wird der weltweite Wasserverbrauch bis 2050 um 20 bis 50 % steigen, was die immer knapper werdende Ressource weiter strapaziert. Die zunehmend komplexere Datenlage macht die dramatische Lage deutlich. Die Wasserwirtschaft insgesamt hat einen gewaltigen Handlungsbedarf, bei dem alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen, um gemeinsame Ziele zu erreichen und die Menschen in Zukunft nachhaltig mit Wasser zu versorgen. Zur Lösung dieser Probleme müssen die verfügbaren digitalen Technologien ausgeschöpft werden.
Staatliche Investitionen in die Wasserinfrastruktur steigen
Die Pandemie war ein Weckruf für die Regierungen, wieder mehr in die Siedlungswasserwirtschaft zu investieren. Plötzlich war die Wasserversorgung nicht mehr nur ein Infrastrukturproblem oder ein Problem der Verknappung, sondern ein unmittelbares Problem für die öffentliche Gesundheit.
In den USA hat dieses erneuerte Bewusstsein bisher gute Entwicklungen angestoßen.
- Für die Modernisierung der Wasserinfrastruktur im Westen des Landes will das US-Innenministerium umgerechnet 550 Millionen Euro in die Hand nehmen.
- Durch das Bipartisan Infrastructure Law werden umgerechnet 47 Mrd. Euro zur Stärkung der Wasserinfrastruktur und -systeme bereitgestellt.
- In den letzten Jahren haben 80 US-amerikanische Städte zusammen 9 Mrd. Euro in ihre kommunale Siedlungswasserwirtschaft investiert.
Dabei bedeuten diese Investitionen in die Infrastruktur mehr als einen Wiederaufbau der vorhandenen Anlagen. Für eine resiliente Zukunft muss die Wasserinfrastruktur gänzlich umgestaltet werden.
In Richmond im US-Bundesstaat Kalifornien modernisiert West County Wastewater (WCW) eine Kläranlage und verringert dabei gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck. Das Unternehmen ist für 400 km Abwasserkanäle, 17 Pumpstationen, knapp 10 km Druckleitungen und eine Aufbereitungsanlage mit einem täglichen Zufluss von fast 50.000 Kubikmetern verantwortlich.
Durch das Projekt mit dem Namen Clean & Green werden durch die Prozessverbesserungen und Nachrüstungen über die gesamte Lebensdauer der neuen Anlage umgerechnet 78 Mio. EUR eingespart und die Treibhausgasemissionen um 93 % reduziert. Die Klärschlamm aus der Anlage wird dann nicht mehr auf Deponien entsorgt, sondern ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft behandelt und als sogenannter Klärdünger der Klasse A in der Landwirtschaft wiederverwendet. Durch die Nachrüstung mit einer neuen KWK-Anlage kann schließlich auch Energie aus Faulschlamm erzeugt werden, die den betrieblichen Eigenbedarf von West County Wastewater zu fast 100 % deckt.
Für den leitenden Projektmanager bei WCW, Keith Reynolds Jr., konnte das Projekt Clean & Green eindrucksvoll unter Beweis stellen, was Unternehmen mit einem zielgerichteten Engagement für die Umwelt und die Gebührenzahler bewirken können. Er ist davon überzeugt, dass sich das Projekt als nachahmungswürdiges Modell für Energieeffizienz eignet, und verweist auf das Praktikumsprogramm bei WCW, das sich für eine moderne Ausbildung in der Wasserwirtschaft stark macht.
KI-Technologien revolutionieren die Wasserwirtschaft
Aus einer steigenden Nachfrage nach Wasser ergibt sich ein Zwang zur bestmöglichen Optimierung der Wasserkreisläufe und des Anlagenbetriebs. Eine Schlüsselrolle werden hierbei smarte Wassertechnologien als wesentlicher Treiber zukunftsfähiger Lösungen spielen. Bis 2030 werden die US-amerikanischen Wasserbetriebe voraussichtlich umgerechnet 6 Mrd. Euro in KI-Technologien investieren. Durch den Einsatz von KI und maschinellem Lernen können sie die Wassergüte sicherstellen, Leckagen und Wasserverschwendung reduzieren und den Energieverbrauch optimieren. Die Wasserwirtschaft hat erkannt, welche Auswirkungen der Verzicht auf Technologie hat, und will die entscheidende Wende herbeiführen. Es besteht kein Zweifel, dass KI-Technologien für eine datengestützte Wasserwirtschaft sorgen, die nachhaltiger und effizienter ist.
Wie dies funktioniert, zeigt das ostenglische Unternehmen Anglian Water bereits seit einigen Jahren mit dem Aufbau einer smarten Wasserstrategie auf der Grundlage von KI-Technologien. In den Werken von Wing Water Treatment Works setzte Anglian Water Produkte von Autodesk für den Anlagenbetrieb ein und erstellte damit 30 Modelle für das Wassermanagement, mit denen unvorstellbare Datenmengen zur Abbildung des Betriebs in Echtzeit analysiert werden können. Diese Modelle lernen ständig dazu, treffen präzise Vorhersagen und reagieren dynamisch auf auftretende Probleme im System. Mit diesen neuen Fähigkeiten kann das Betriebspersonal den Energie- und Chemikalienbedarf systemweit besser überwachen und minimieren. Auf diese Weise konnten mit dem Projekt umgerechnet bereits Kosten in Höhe von 173.000 Euro eingespart werden.
Die besten Arbeitskräfte anziehen
Wenn die Wasserwirtschaft zunehmend auf Technologie für die Planung und den Betrieb ihrer Systeme setzt, wird sie auch für Spitzentalente attraktiv. Die nächste Generation von Arbeitnehmern besteht aus „Digital Natives“, die mit Daten und Technologie aufgewachsen sind. Da außerdem Maschinen und Roboter immer mehr manuelle Aufgaben übernehmen, können menschliche Arbeitskräfte für andere Tätigkeiten weitergebildet werden, die für einen smarten Anlagenbetrieb und optimierte Systeme erforderlich sind.
Die Umstellung auf eine nachhaltige Wasserwirtschaft gehört weltweit zu den dringendsten Aufgaben. Um diese unschätzbare Ressource besser bewirtschaften zu können, muss die Branche auf datengestützte Lösungen setzen. Die Resilienz der Wasserversorgung für die kommenden Generationen kann nur gewährleistet werden, indem die gesamte Wasserwirtschaft zielgerichtet und gemeinsam den Wandel in eine digitale Zukunft vollzieht.