Office Shift Pro stellt eine übersichtliche Benutzeroberfläche bereit, über die zunächst der Grundriss einer Bürofläche hochgeladen wird. Im nächsten Schritt gibt man Wunschparameter für die Zimmeranzahl und Größe der zu planenden Wohneinheiten, Flurbreite, Fensteranordnung usw. sowie die veranschlagten Mieten und Umbaukosten ein. Anhand dieser Werte generiert die Engine dann mehrere tausend unterschiedlichen Optionen für die Raumaufteilung, die nach Flächeneffizienz sortiert werden. Mithilfe farbkodierter Schieberegler lässt sich der Mix aus verschiedenen Wohneinheiten (sprich: das Verhältnis zwischen Einzimmer- und größeren Wohnungen) verstellen.
Dadurch können Bauträger unterschiedliche Nutzungsszenarien im Vorfeld virtuell durchspielen, um zu sehen, ob sich die Investitionen in den Erwerb und Umbau der Immobilie überhaupt rechnen würden, bzw. ein möglichst wirtschaftliches Nutzungskonzept zu erstellen: Wäre ein Mix aus Ein- und Zweizimmerwohnungen mit Gemeinschaftsküchen, Aufenthaltsräumen und Fitnessstudio, der sich vor allem an junge Singles richtet, kosteneffizienter als ein klassisches Mehrfamilienhaus mit einem Lebensmittelgeschäft und einer Kita im Erdgeschoss? Wie Goulding erläutert, kann das Tool zu mehr Planungssicherheit beitragen, indem es Antworten auf hypothetische Fragen liefert wie: „Wäre ein Umbau mit 80 % Einzimmerwohnungen wirtschaftlich tragbar?“
Je mehr Variablen sich bereits in der Vorplanungsphase festnageln lassen, desto einfacher fällt die tatsächliche Umsetzung des Projekts. Wenn dem Bauträger von Anfang an eine Roadmap zur Rentabilität vorliegt, kann er auf dieser Basis zielführende Entscheidungen in Bezug auf die Auswahl einer geeigneten Immobilie und den richtigen Zeitpunkt für den Baubeginn treffen, meint von Goeler: „Welche Standorte kommen infrage, und welche Marktbedingungen müssen erfüllt sein, damit wir das erfolgreich durchziehen können?“
Das Tool visualisiert die Ergebnisse der parametrischen Streuung in einem zweiachsigen Liniendiagramm, in dem die verschiedenen Varianten nach Rentabilität gruppiert sind. Jede Variante wird als Punkt angezeigt und entspricht – ggf. mit geringfügigen Abweichungen – den allgemeinen Vorgaben, die die Anwendenden eingegeben haben. Größere Punkte stehen für einen spezifischen Einheitenmix mit zusätzlichen Optionen für die Platzierung der Einheiten auf der jeweiligen Grundfläche. Für die Zukunft sind potenzielle Erweiterungen wie die Integration mit Tageslichtmodellierung und 3D-Geometrie angedacht.
Im Vergleich zu rein KI- und Machine-Learning-basierten Tools ermöglicht Office Shift Pro einen flexibleren, weniger präskriptiven Ansatz. Die Konfiguration des Tools kann projektspezifisch angepasst werden, um die speziellen Vorstellungen der jeweiligen Planer und Bauträger zu berücksichtigen und beispielsweise Gewerbeflächen und Freizeitanlagen in die Planung einbeziehen. „Wir stellen jedem Auftraggeber ein Tool bereit, das speziell für den jeweiligen Markt und das betreffende Gebäude konfiguriert ist“, so Goulding. So könne ein Bauträger etwa im Vorfeld austesten, „wie viel Fläche innerhalb des Gebäudes maximal für Freizeiteinrichtungen geopfert werden kann, denn jeder Quadratmeter weniger geht ja auf Kosten der Einnahmen aus den Wohneinheiten“, präzisiert von Goeler.
Die Erforschung von Anwendungsfällen für Künstliche Intelligenz (KI) bei der Vorplanung von Umnutzungsprojekten läuft aktuell nicht nur in den USA auf Hochtouren. Schließlich sind hier komplexe Faktoren zu berücksichtigen, die beim Wohnungsbau auf unbebauten Flächen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. KI-gestützte Techniken zur Realitätserfassung können hier eine wertvolle Hilfestellung leisten, indem Fotos oder 3D-Scans der Bestandsimmobilie mithilfe von Fotogrammetrie-Engines ausgewertet werden, um Planern und Bauträgern wichtige Informationen und Metadaten zum potenziellen Baugelände zu liefern. Werden diese Methoden in Kombination mit Sensoren eingesetzt, kann die KI auch Echtzeit-Daten – etwa zu den klimatischen Bedingungen, dem Energieverbrauch und der CO2-Effizienz – in ihre Berechnungen einbeziehen.
Die wissenschaftliche Fachzeitschrift „Sustainability“ berichtete kürzlich über ein Forschungsprojekt in China, bei dem der Einsatz von KI zur Unterstützung der großflächigen Umnutzung stillgelegter Industrieanlagen in der 15-Millionen-Stadt Guangzhou geprüft wird. Konkret geht es um sogenannte Generative Adversarial Networks (GAN), also das Zusammenwirken zwischen zwei neuronalen Netzen, wobei das eine als „Generator“, das andere als „Diskriminator“ fungiert, der die vom Generator erzeugten Ergebnisse überprüft und ihn dadurch trainieren soll, seinen Output laufend zu optimieren. In diesem Fall will man das GAN-Konzept zum Erkennen und Klassifizieren unterschiedlicher Elemente auf dem Baugelände (Straßen, Fußwege, Grünflächen, verschiedene Arten von Gebäuden, Parkplätze usw.) sowie für Analysen von Umweltfolgen verwenden.
Als weiteren potenziellen Anwendungsfall für KI-Modelle untersucht das chinesische Forschungsteam die Sichtung und Auswertung relevanter Social-Media-Beiträge und anderer öffentlicher Meinungsäußerungen mithilfe von natürlicher Sprachverarbeitung. Davon verspricht man sich sowohl Anregungen für potenzielle Umnutzungsprojekte als auch besseren Einblick in die kulturelle Bedeutung und Bebauungsgeschichte einzelner Areale. Durch Erstellen und Verbreiten von Umfragen zu geplanten Projekten böte sich zudem die Möglichkeit, eine größtenteils automatische Feedbackschleife für öffentliche Konsultationen zu entwickeln.
Wie die bisherigen Erfahrungen mit Office Shift Pro gezeigt haben, liegt der Wert digitaler und KI-gestützter Tools für Umnutzungsprojekte vor allem in der Generierung und vergleichenden Bewertung unterschiedlicher Bebauungskonzepte. Der radikale Umbau einer Bestandsimmobilie kann sich als sehr viel kosteneffizienter erweisen als ein Neubau – oder eben auch nicht. Je umfangreicher und zuverlässiger die vorliegenden Datensätze und je effektiver die KI-gestützten Methoden zu ihrer Auswertung sind, desto präziser lässt sich die Rentabilität von Umnutzungsprojekten bereits in der Vorplanungsphase berechnen.
Von Goeler verweist in diesem Zusammenhang explizit auf die Beeinflussung durch Vorannahmen, die einer objektiven Analyse in vielen Fällen nicht standhielten: „Wenn man uns einen Grundriss vorlegt, den wir in unterschiedliche Wohneinheiten aufteilen sollen, fällt es uns oft schwer, uns von vorgefassten Meinungen zu befreien“, gibt sie zu bedenken. „Die Tools gehen vollkommen unvoreingenommen an die jeweils gestellte Aufgabe heran.“