Wie würden Sie den Stuhl beschreiben, den Sie mit Generativem Design entworfen haben?
Ich habe schon Dutzende von Entwürfen für Stühle konzipiert, die einigermaßen gut gelungen, intelligent und abwechslungsreich sind. Nach all diesen Jahren ist mir jedoch klar, dass diese Entwürfe alle demselben Gehirn entstammen – einem Gehirn, das derselben Tierart angehört wie alle anderen menschlichen Gehirne und daher an jedes Problem mit derselben Intelligenz und Logik herangeht. Anders ausgedrückt: Selbst wenn ich mein Gehirn in alle Richtungen drehen und wenden würde – selbst wenn alle Menschen das täten –, käme immer mehr oder weniger das gleiche Ergebnis heraus, selbst wenn wir alle Genies und großartige Designer wären. Das liegt daran, dass unsere DNS, unser „Hintergrund“, unsere Struktur nicht zulässt, dass wir es anders angehen. Mir wurde das langweilig, aber ich setze große Hoffnungen in KI als Ausweg aus dieser kreativen Sackgasse.
Früher habe ich davon geträumt, die Niederlage des Schachgroßmeisters Garri Kasparow zu erleben, der von einem Computer geschlagen wurde. Genau an diesem Punkt befinden wir uns heute: Kasparow wurde unter bestimmten Voraussetzungen geschlagen; ich habe unter bestimmten Voraussetzungen gekämpft. Der Stuhl A.I. steht am Anfang einer großen Freiheit – einer umwälzenden Veränderung, wie sie menschgemachte Revolutionen gar nicht mehr bewirken könnten.
In welchem Verhältnis steht der Stuhl „A.I.“ zu Ihrem persönlichen Ethos eines „demokratischen Designs“?
Demokratisches Design ist kein Designstil. Es ist eine humanistische Weltanschauung, die ihr Ziel darin sieht, die Qualität auf allen Gebieten – Kultur, Technik usw. – zu steigern, dabei die Preise zu senken und möglichst viele Menschen teilhaben zu lassen. Durch Künstliche Intelligenz müssten sich alle Parameter des demokratischen Designs optimieren lassen. Und da es nicht mehr aus meinem Gehirn entspringt, wird es nicht mehr nur solchen Menschen gefallen, deren Gehirn dem meinen gleicht, sondern auch jenen mit einer Art Universalgehirn.
Was war die ungewöhnlichste Herausforderung, die Sie als Designer je zu bewältigen hatten?
Das kulturelle Gedächtnis der Programmierer. Es dauerte mehrere Jahre, bis ich sämtliche menschlichen Restelemente in den Denkprozessen der Künstlichen Intelligenz ausgemerzt hatte und das menschliche Denken endlich einem vegetabilen Denken wich, das ich zwar nicht als wesentlich befriedigender empfinde, das aber nichtsdestotrotz einen entscheidenden Neuanfang bedeutet.
Sie haben an der Gestaltung von Gebäuden und Innenräumen mitgewirkt. Würden Sie die Generative-Design-Technologie beispielsweise bei einem Hotelbauprojekt einsetzen?
Das ist ein interessanter Gedanke, wäre aber unglaublich kompliziert. Bei einem Hotel wird die Form von der Funktion diktiert, die aber einfach zu begreifen ist. Das eigentlich Wichtige ist die menschliche und emotionale Funktion, die schon für einen Menschen schwer einschätzbar ist und die Generative-Design-Intelligenz offensichtlich immer noch vor Schwierigkeiten stellt. Ich sehe diese Frage jedoch als Herausforderung – warum versuchen wir es nicht einfach?