In den letzten 40 Jahren hat sich die Plastikproduktion weltweit vervierfacht. Insgesamt haben sich rund um den Globus in den letzten 70 Jahren mehr als 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff angesammelt. Das liegt daran, dass der überwiegende Teil des jemals produzierten Plastiks noch immer auf dem Planeten existiert. Falls dieses Produktionsniveau anhält, gäbe es in 30 Jahren so viel Plastik, dass die Erde doppelt darin verpackt werden könnte, wie die Seite Harvard Business Review veranschaulicht.
Der Wille, Verpackungsmüll und Abfall zu vermeiden, hatte sich gerade zu einem Trend entwickelt, als die Corona-Krise ihm 2020 ein jähes Ende setzte. Die Pandemie führte weltweit dazu, dass die Herstellung bestimmter Einwegprodukte massiv hochgefahren wurde. Nachgefragt wurden vor allem Masken, Handschuhe, Verpackungen für Handdesinfektionsmittel, medizinische Schutzanzüge und Abstrich-Sets, aber auch Verpackungen für geliefertes Essen aus Restaurants.
In Bangkok verbrauchten die Menschen im April 2020 bis zu 62 Prozent mehr Plastik als noch 2019. Der Kunststoffmarkt rechnet auch für die kommenden Jahre mit einem beschleunigten Wachstum. Die gegenwärtigen Marktchancen für Kunststoffe sind zwar nur temporär den Sicherheitsbedürfnissen inmitten einer Pandemie geschuldet, doch die Konsequenzen werden weit darüber hinaus spürbar sein.
Das größte Problem entsteht, wenn Plastik zu Abfall wird: Schätzungen zufolge wird jedes Jahr Einwegplastik im Gegenwert von 100 Milliarden US-Dollar (PDF, S. 15 und 25) einfach weggeworfen. Zahlreiche Alltagsgegenständen aus Kunststoff werden lediglich für ein paar Minuten gebraucht und danach entsorgt. Noch immer beträgt der Anteil des wiederverwerteten Plastiks weltweit weniger als neun Prozent der Produktion. Der Rest wird bestenfalls thermisch verwertet oder landet direkt auf Deponien. Die Ozeane und die Lebewesen in ihnen leiden unter einer unübersehbaren Verschmutzung mit Kunststoffdreck.
Warum wird so wenig Plastik wiederverwertet?
Bisher war die Herstellung von Neuplastik im Vergleich zum Recycling schlicht billiger. Warum?
Neuplastik wird aus billigem Rohöl hergestellt. Waren die Rohstoffkosten davor bereits gefallen, brach der Rohölpreis 2020 regelrecht zusammen. Damit sank vorläufig auch der Preis für Neuplastik erheblich und machte das Material wirtschaftlich attraktiv. Im gleichen Zeitraum verharrte der Preis für Rezyklate auf einem hohen Niveau. Oft ist dies den unwirtschaftlichen Rückgewinnungssystemen geschuldet. Manche Hersteller stellen sogar wieder auf Neuware um, anstatt rezyklierte Stoffe einzusetzen, wodurch sich die Nachfrage erhöht.
Die Recycling-Infrastruktur ist überfordert und ineffizient. War es für Länder wie die USA oder Deutschland zuvor noch gang und gäbe, riesige Mengen ihrer Kunststoffabfälle nach China zu exportieren, hatte das Reich der Mitte 2018 buchstäblich genug davon. Chinas unvermittelter Einfuhrstopp überforderte die Recyclingindustrie in den Exportländern, sodass viele Abfälle seitdem auf Deponien landen oder in andere Länder abgeschoben werden. Unrühmliche Krönung dieser Misswirtschaft: Die USA sind inzwischen der größte Erzeuger von Plastikabfall weltweit; Deutschland ist in Europa Spitzenreiter. Die lokale Stoffstromwirtschaft muss leistungsfähiger werden, Recyclinganlagen müssten aufstocken.
Nicht standardisierte Plastikprodukte erschweren das Recycling. Mit den bisherigen mechanischen Recyclingverfahren ist es nicht möglich, gemischte Kunststoffabfälle zu verarbeiten. Sogar unterschiedliche Farben stellen ein Problem dar. Recyclingunternehmen müssen daher große Mengen an sortenreinem Kunststoff sammeln und zwischenlagern, bevor sich das Recycling für diese Plastikart lohnt. Zu dieser Kategorie zählt beispielsweise Plastikbesteck. Da es in der Praxis schwierig ist, genügend davon zu sammeln, wird Einwegbesteck aus Kunststoff normalerweise auch nicht recycelt.
Ein Lösungsansatz liegt in einer höheren Standardisierung. Wären alle Plastikgabeln aus demselben Material und hätten die gleiche Farbe, könnte deren Recycling wirtschaftlicher gestaltet werden. Diesen Weg schlagen Initiativen wie NextGen Cup und die Aktion „Beyond the Bag“ ein. Die Idee dahinter: Unternehmen auf einer vorwettbewerblichen Ebene zusammenbringen und Alltagsprodukte wie Papierbecher oder Plastiktüten gründlich überdenken. Das Ziel dabei ist die Standardisierung dieser Produkte, sodass diese vollständig wiederverwertet werden können – auch unabhängig von der Marke.