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Adaptive Umnutzung: Der Quay Quarter Tower in Sydney überragt alle Vergleichsprojekte

Credit: Adam Mørk.
  • Mit der adaptiven Umnutzung eines Hochhauses aus den 1970er Jahren zum zukunftsweisenden Prestigeprojekt setzte das australische Ingenieurbüro BG&E neue Maßstäbe im Bereich der nachhaltigen Infrastruktursanierung
  • Um die Tragfähigkeit und Zugfestigkeit des Quay Quarter Tower in Sydney zu gewährleisten, setzte die Firma auf technologische Innovationen wie digitale Zwillinge und Cloud-basierte Zusammenarbeit
  • Mit einem Anteil von 70 % wiederverwerteter Baustoffe aus dem teilweisen Abriss des Bestandsgebäudes erzielte das Projekt eine hervorragende CO2-Bilanz und wurde vom Green Building Council of Australia mit sechs Sternen bewertet – in Zusammenarbeit mit Autodesk gelang es BG&E also, ein zukunftsweisendes Meisterwerk der grünen Bautechnik zu errichten

Im Rahmen der nachhaltigen Sanierung baufälliger Infrastruktur ist das Upcycling von Bestandsgebäuden durchaus üblich. Mit einem Anteil von 70 % wiederverwerteter Werkstoffe, die aus dem partiellen Abriss eines Altbaus auf demselben Areal gewonnen wurden, ragt der Quay Quarter Tower am Circular Quay in Sydney jedoch als Meisterwerk ingenieurtechnischer Brillanz und Musterbeispiel für adaptive Umnutzung turmhoch über alle bisherigen Vergleichsprojekte hinaus.

Verantwortlich für die zukunftsweisende Transformation eines denkmalgeschützten Hochhauses aus den 1970er Jahren in der Bridge Street – mit 188 Metern damals das höchste Gebäude in der Skyline von Sydney – zeichnet das 1970 in Perth gegründete australische Ingenieurbüro BG&E, das sich mit 17 Standorten eine weltweite Präsenz als Spezialist für Nachhaltigkeit aufgebaut hat. Bei dem Projekt, das 2015 anlief und 2022 in Rekordzeit erfolgreich abgeschlossen werden konnte, wurde mit technologischen Innovationen wie digitalen Zwillingen und Cloud-basierten Kooperationstools gearbeitet.

Baustatische Bewertung der vorhandenen Betonteile und Bewehrungselemente

Durch adaptive Umnutzung vorhandener Strukturen und Baustoffe lassen sich sowohl die Betriebskosten als auch die grauen Emissionen von Bauprojekten reduzieren. In diesem konkreten Fall ergaben sich Herausforderungen, insbesondere aufgrund des Alters des Bestandsgebäudes.

So stand das Team zunächst vor dem Problem, die Zugfestigkeit und Tragfähigkeit der aus dem Abriss gewonnenen Komponenten für weitere 50 Jahre zu gewährleisten. Dies setzte eine sorgfältige Prüfung sämtlicher beweglichen und unbeweglichen Teile voraus. Insgesamt wurden über 1.500 zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen zur Bewertung der vorhandenen Betonteile und Bewehrungselemente durchgeführt.

Leonardo Ambrogi, Associate Engineer bei BG&E, weist auf die Notwendigkeit einer präzisen Prognose und Überwachung der Schwingungen und Erschütterungen hin, denen ein Hochhaus in einer stark frequentierten Umgebung wie dem Circular Quay, einem beliebten Einkaufs- und Vergnügungsviertel im Stadtzentrum, ausgesetzt ist. „An der Gebäudespitze wurden signifikante Bewegungen um mehrere Millimeter verzeichnet“, berichtet er.

Zur Messung der Gebäudeschwingungen wurden unterschiedliche Techniken eingesetzt. Sensoren maßen die Neigung des Gebäudes rund um die Uhr, und Schwingungsmesser im oberen Bereich ermittelten die Häufigkeit der Verschiebungen während des Baus. Ergänzend kam ein Gerät zum Einsatz, das heute gerne als archaisches Werkzeug abgetan wird, sich bei diesem Projekt jedoch als zuverlässigstes Messinstrument erwies: „Das Senklot lieferte uns präzisere Messwerte, als wir sie mit einem anderen System hätten ermitteln können“, meint Ambrogi. „Dabei war es buchstäblich ein Stück Schnur mit einem fetten Gewicht am Ende.“

Zustandstests anhand von digitalen Zwillingen

Quay Quarter Towerはオーストラリア・グリーンビルディング協会から持続可能性格付けで6つ星を獲得した
1.000 Tonnen Stahl wurden als provisorische Bewehrung installiert und anschließend entfernt, um den Abriss und Wiederaufbau zu unterstützen.

In der nächsten Projektphase sahen sich die Bauingenieure mit der Frage konfrontiert, wie sich der Abriss derjenigen Teile der bestehenden Struktur, die als nicht mehr tragfähig bewertet wurden, strategisch minimieren ließ. Das Team nutzte digitales Twinning, um während der gesamten Bauausführung komplexe Tests und Zustandsbewertungen durchzuführen. Dies lieferte wertvolle Erkenntnisse darüber, welche Elemente effektiv wiederverwendet werden konnten. Als Ergebnis dieser ersten Bewertung wurden 1.000 Tonnen Stahl als provisorische Bewehrung installiert und anschließend entfernt, um den Abriss und Wiederaufbau zu unterstützen. Im Wesentlichen entstand ein völlig neues Gebäude, das an einen Altbau angebaut wurde.  

Zur Gewährleistung der baustatischen Stabilität und Sicherheit des Hochhauses wurde ein 380 Tonnen schwerer Stahlklotz als Schwingungstilger in einem der obersten Stockwerke positioniert. 

„Ein Gebäude ist eine lebendige Struktur“, findet Ambrogi. „Es bewegt sich, und der darin verbaute Beton schrumpft, staucht und verzieht sich mit der Zeit. Wir hatten ein Bestandsgebäude, das bereits einen ganzen Lebenszyklus hinter sich hatte. Und dann bauten wir ein neues Gebäude direkt daneben, das sich erst noch setzen musste, um sein eigenes Gewicht zu tragen.“

Ehrgeizige Emissionsziele

Der Quay Quarter Tower erhielt eine 6-Sterne-Bewertung für Nachhaltigkeit vom Green Building Council of Australia.Credit: Adam Mørk.

Als Netzwerk von Fachleuten aus dem britischen Bausektor hat die London Energy Transformation Initiative (LETI) Zielvorgaben formuliert, um die Verpflichtung der Europäischen Union umzusetzen, bis 2050 kohlenstoffneutral zu wirtschaften. Dazu zählt u. a. die Reduzierung der CO2-Emissionen auf 228 kg pro Quadratmeter bewohnbarer Fläche, die auch beim Bau des Quay Quarter Tower erfüllt werden sollte. 

„Wir legen großen Wert darauf, Bauträger und Projektbeteiligte bereits in der Entwurfsphase über die Reduzierung der CO₂-Emissionen aufzuklären“, erläutert Araj Lal, der leitende BIM-Beauftragte von BG&E. „In Zusammenarbeit mit dem Projektteam legen wir klare Nachhaltigkeitsziele fest, führen Lebenszyklusanalysen durch und weisen auf mögliche finanzielle Anreize für umweltfreundliches Bauen hin.“

Zu den beachtlichsten Erfolgen dieses Projekts zählt die erhebliche Reduzierung der grauen Emissionen, die sich durch die Entscheidung für eine Umnutzung des Hochhauses in der 50 Bridge Street anstelle eines Komplettabrisses und Neubaus erzielen ließ.

„Von Gesetzes wegen sind wir verpflichtet, die baustatische Integrität für eine Lebensdauer von 50 Jahren zu gewährleisten. Eigentlich sollten wir Gebäude aber als Strukturen betrachten, die über diesen Zeitraum hinaus so lange wie möglich halten“, meint Ambrogi. „Und wir sollten alles tun, was in unseren Kräften steht, um dies zu erreichen.“

Mit 226 kg CO₂-Äquivalent pro Quadratmeter hat der Quay Quarter Tower das Emissionsziel der LETI bereits 2022 – also acht Jahre früher als geplant – um zwei Kilo übertroffen. Insgesamt wurden die Emissionseinsparungen auf 12.000 Tonnen gebundenen Kohlenstoff berechnet, was in etwa 12.000 Hin- und Rückflügen von London nach New York entspricht. Für diesen Erfolg wurde das Gebäude vom Green Building Council of Australia mit einer 6-Sterne-Bewertung für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. 

Vom manuellen Bauplan zur 2D-Bestandsvermessung

Die standortübergreifende Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen hinweg stellte die Projektbeteiligten vor allem in der Anfangsphase vor große Herausforderungen, denen der Funktionsumfang von Autodesk Revit nur bedingt gewachsen war. Mit der Einführung von BIM 360 in der ersten Version der Construction Cloud von Autodesk erschlossen sich neue Möglichkeiten, die vor allem die Vernetzung mit Standorten in Großbritannien und Nahost beträchtlich vereinfachten.

„Unseren zentralen Hub haben wir hier in Sydney gehostet“, erzählt Lal. „Aber in der Cloud-Umgebung konnten wir auch mit Kollegen im Nahen Osten und in ganz Australien zusammenarbeiten und die 39 Modellierer zusammenbringen, die für ein Projekt dieser Größenordnung erforderlich waren.“  

Da sich das Bestandsgebäude in hervorragendem baulichem Zustand befand, konnte es zu großen Teilen saniert bzw. umgenutzt werden. Lals Team standen jedoch nur begrenzte Referenzmaterialien für die Umgestaltung zur Verfügung – schließlich wurde im Baujahr 1970 noch mit manuellen Zeichnungen gearbeitet.

Vorstellung des Projekts bei der Autodesk University.

Nachträgliche Änderungen, die im Laufe des Gebäudelebenszyklus vorgenommen wurden, waren in den vorhandenen Bauplänen – gescannte Kopien der Originale – nicht verzeichnet. Daher kam den fotografischen Aufnahmen des Altbaus entscheidende Bedeutung zu. Und da die Technik der 3D-Vermessung mit Punktwolken in den 2010er Jahren noch in den Kinderschuhen steckte, arbeiteten die Teammitglieder ausgiebig mit 2D-Vermessungen. „Wir hatten einen Vermessungstechniker, der oben auf einem Aufzug saß und Stockwerk für Stockwerk den Erschließungskern des Gebäudes vermaß“, berichtet Lal. „Aufgrund der Komplexität und der leichten Drehungen der Struktur spielten 2D-Vermessungen eine große Rolle. Wir hatten Tausende davon.“ 

Das Team arbeitete mit Autodesk ReCap zur Dateiverwaltung und Datenüberprüfung sowie Navisworks für die Kollisionserkennung. Angesichts der Herausforderungen, die mit der Sanierung und Umnutzung eines denkmalgeschützten Altbaus verbunden waren, mussten die Abläufe der einzelnen Ausführungsphasen präzise abgestimmt werden. Revit wurde in dieser Phase intensiv eingesetzt, um eine effektive Lastübertragung für ein Gebäude mit derart ungewöhnlichen Proportionen zu gewährleisten.

Neue Maßstäbe und Möglichkeiten der adaptiven Umnutzung

Als weltweit höchster durch Upcycling entstandener Wolkenkratzer hat der Quay Quarter Tower von BG&E nicht nur in Fachkreisen internationales Aufsehen erregt und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u. a. dem World Architecture Festival Award for Building of the Year 2022 und dem International High-Rise Award für 2022/2023. Der Fachverband Engineers Australia kürte ihn zum Projekt des Jahres. „Wir sind sehr stolz auf die Stadt, in der wir leben“, bekräftigt Lal. „Und wir sind sehr stolz darauf, Angehörigen oder Freunden, die aus dem Ausland zu Besuch kommen, unser Projekt präsentieren zu können.“

Der Quay Quarter Tower veränderte eine der markantesten Skylines der Welt und eröffnete neue Möglichkeiten der adaptiven Umnutzung in der Architektur. BG&E konnte die Herausforderungen der standortübergreifenden Zusammenarbeit mit Hilfe von BIM erfolgreich meistern und gleichzeitig den Ruf des Unternehmens als Spezialist für nachhaltige Bautechnik festigen. Die Ergebnisse – die das Team auch in einer Sonderveranstaltung der Autodesk University vorstellte – können sich sehen lassen: Insgesamt wurden 13 Monate Arbeit eingespart, 70 % der Werkstoffe wiederverwendet, die Kosten erheblich gesenkt und ein neues architektonisches Meisterwerk im Herzen Sydneys geschaffen.

Lal ist überzeugt, dass sich aus Projekten wie dem Quay Quarter Tower Erkenntnisse und Prinzipien der adaptiven Umnutzung, des Upcyclings und der Reduzierung der grauen Gebäudeemissionen gewinnen lassen, die die Arbeitsabläufe in der Architektur grundlegend verändern werden. „Und zwar insbesondere die Integration nachhaltiger Praktiken in sämtlichen Planungs- und Projektphasen, ein wachsendes Interesse an zirkulären Wertschöpfungskonzepten und deutlich mehr Innovation in Bezug auf Werkstoffe und Technologien. Diese Prinzipien können gemeinschaftsorientierte Bauplanung, das Engagement für strenge Nachhaltigkeitsvorschriften und eine globale Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Umweltproblemen fördern.“