Obwohl in der Baubranche heutzutage das Schlagwort „BIM“ in aller Munde ist und viele Bauherrn sich wünschen, BIM-Methoden anzuwenden, sind laut den Basler Architekten vollständige digitale Zwillinge als virtuelle Version des realisierten Gebäudes noch immer die Ausnahme. Eine Hürde, die es auch für das Kern-Projekte-Team zu nehmen galt: Die Abstimmung darüber, wie der Datenaustausch erfolgt und wie sichergestellt wird, dass die Daten richtig ankommen. „Datenverluste sind eine große Gefahr“, so Jörg Keller. Hier zahle es sich aus, bereits in der Konzeptphase der Definition der Regeln genügend Zeit zu widmen. Die Architekten von Herzog & de Meuron, mit denen das Roche-Team zusammenarbeitet, betonen, dass die Technologie nur ein Teil-Aspekt sei: „Es reicht nicht, sich rein technologogisch auf eine Software, ein Dateiformat oder eine Austauschplattform zu einigen. Vielmehr müssen gemeinsame Ziele definiert, Konflikte gelöst und unterschiedliche Kapazitäten der Beteiligten aufeinander abgestimmt werden.“
Nicht zu vergessen: Auch die Sub-Unternehmer, die mit dem Bau der einzelnen Gewerke beauftragt sind, müssen mit BIM und dem digitalen Modell umgehen können. „Sie müssen in der Lage sein, nachträglich das Modell zu pflegen und anzupassen“, betont Keller und ergänzt: „Im Einzelfall unterstützte der Generalplaner die Firmen mit weniger BIM-Erfahrung bei der Modellierung von Änderungen.“
Gerade in der Anfangs- und Konzeptphase eines Bauprojekts, das BIM-Methoden anwendet, kommt es zu einem höheren Planungsaufwand. „Die höheren Kosten in der Planungsphase werden aber durch die höhere Produktivität und Qualität aufgewogen“, versichert Keller. Mit Hilfe des 3D-Modells werde der Aufwand an den Anfang des Projekts verlagert, doch alle am Bau Beteiligten und die künftigen Betreiber profitierten davon, wenn das Gebäude erst einmal virtuell am Rechner entstehe. Kellers Fazit: „Wir waren mit BIM schneller und besser unterwegs.“
Und nach Baufertigstellung? Kurz gesagt: Nach Inbetriebnahme spielt das virtuelle Modell erst so richtig seine Trümpfe aus.
3D-Modell als Wegbereiter für Smart Building
Der digitale Zwilling wird im Laufe des Bauprojekts mit immer mehr Informationen angereichert. Damit ebnet das 3D-Modell den Weg für einen effizienten und nachhaltigen Betrieb des Gebäudes. Für jedes Objekt lassen sich die zugehörigen technischen Daten hinterlegen, die zum Beispiel von Wartungsteams abgerufen werden. Die zugehörige App zum Gebäude hält so für die künftigen Mitarbeitenden in einem Gebäude nützliche Funktionen parat. So gibt es etwa eine Suchfunktion, mit der man jeden Mitarbeitenden orten kann – „ganz geschickt bei 3.400 Mitarbeitern, die über 41 Bürogeschosse verteilt sind“, so Keller. Auch den Reinigungsteams erleichtert die App die Arbeit, denn sie sehen, welche Büros tatsächlich belegt waren.
Der mit der Software von Autodesk erstellte Zwilling dient nach Inbetriebnahme des Gebäudes unter anderem für „Predictive Maintenance“, also die vorausschauende Wartung. Beispielsweise werden die Aufzüge mit Sensoren überwacht. Bemerkt das System eine Unregelmäßigkeit, wird eine Prüfung initiiert. Anhand der Live-Daten im virtuellen Modell kann beispielsweise auch der Energie- oder Trinkwasserverbrauch überwacht werden. Mit Hilfe des Energy Monitoring Systems will Roche den Beweis antreten, dass Bau 2 rund zehn Prozent weniger Energie verbrauchen wird als vergleichbare Gebäude in Europa.
Ansichten der drei Teilmodelle in 3D: das Tragwerksmodell (links), das Technikmodell (Mitte) und das Architekturmodell (rechts). Credit: Roche
Cradle-to-Cradle: früher auf Fischfang, jetzt strapazierfähiger Bodenbelag
Schon vor Baubeginn spielte Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle für Roche. Das Pharmaunternehmen hat über 900 Baustoffe auf mögliche Schadstoffe hin untersuchen lassen. Für jedes freigegebene Material, das verwendet wurde, wird es zukünftig einen Materialpass geben, an dem sich unter anderem ablesen lässt, wie viel davon recyclingfähig ist. Stand heute liege der Wert bei 58 Prozent. Herausragend in Sachen Nfdachhaltigkeit ist die Verwendung eines Teppichbodens aus recyceltem Material. Dafür wurden alte Fischernetze verarbeitet: ein Beispiel für das Cradle-to-Cradle-Prinzip – also das Konzept, bei dem ein Material wieder gleichwertig dem Wertstoffkreislauf zugeführt wird.
Der Roche Turm Basel wird nach Baufertigstellung nicht nur durch seine Höhe weithin sichtbar sein. Mit der Realisierung tritt der Bauherr den Beweis an, dass sich durch den Einsatz digitaler Tools Qualität und Produktivität während des Baus steigern lassen. Zugleich schafft das virtuelle Modell die Voraussetzungen für einen energiesparenden Betrieb. Auch in Sachen Nachhaltigkeit setzt der Roche Bau 2 Maßstäbe. Der Turm wird also noch lange Zeit als Leuchtturmprojekt gelten – auch dann, wenn er den Platz als „höchstes Gebäude der Schweiz“ an Bau 3 abgeben muss.