Schokolade aus dem 3D-Drucker – Technologie zum Dahinschmelzen
Eigentlich wollte Benedikt Daschner Physik studieren. Doch die Schokolade war verführerischer. Heute ist der 28-Jährige Konditormeister und Gründer des Start-ups „Chocolate hoch3“. Mit 3D-Druckern stellt Daschner in Ismaning bei München Schokolade her – als individuelles Geschenk oder Give-Away für Unternehmen. Ein Gespräch über die Idee, Genuss und Technik zu verschmelzen.
Redshift: Herr Daschner, Milchschokolade oder Zartbitter?
Benedikt Daschner: Zartbitter! Die schmeckt nicht nur besser, die lässt sich auch etwas leichter verarbeiten und wird schneller wieder fest. Dunkle Schokolade ist außerdem im Trend und sie ist die verträglichste für Menschen mit Laktoseintoleranz oder diejenigen, die sich vegan ernähren.
Wie kommt man auf die Idee, Schokolade mit einem 3D-Drucker herzustellen?
Die Idee ist vor acht Jahren während meiner Ausbildung zum Konditor entstanden. Vielleicht kamen noch zu viel Schnaps und Wein dazu. Mich hat der Gedanke interessiert, etwas zu erhitzen, weich werden zu lassen und die verrücktesten Gebilde daraus zu machen. Mit Schokolade. Aber damals kosteten 3D-Drucker noch zwischen 20.000 und 40.000 Euro. Ich ließ das also erstmal wieder fallen.
Wie ging es weiter?
Von Oktober 2017 bis Januar 2018 arbeitete ich in Graz bei einer Konditorei, die zuckerfreie Pralinen herstellte. Das ging nicht lange gut, ich kam wieder zurück nach München, war auf der Suche nach einem Job und nutzte die freie Zeit, um mir einen Drucker zu kaufen, ein bisschen auszuprobieren, rumzubauen und Teile zu modellieren, die die herkömmlichen Drucker nicht hatten.
Was hatten sie denn nicht?
Normale FDM-Drucker (Fused Deposition Modeling, Anm. d. Redaktion) funktionieren mit einem langen Kunststofffaden, der in der Düse geschmolzen und extrudiert wird. Da Schokolade aber als Faden brechen würde und Schokolade nicht einfach nur geschmolzen werden kann, mussten wir einen eigenen beheizten Pastenextruder entwickeln. Derzeit geht es uns darum, den Schokoladendruck zu perfektionieren und möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Dabei wird es über kurz oder lang sicher mehrere Locations geben, in denen unser Drucker zu finden ist. Wie genau das aussehen wird, ist aktuell in Planung.
Wie weiß der Drucker, was er kreieren soll?
Für den Entwurf benutze ich Adobe Illustrator. In Autodesk Fusion wird dieser Entwurf zu einem 3D-Modell. Die Datei exportiere ich, am Ende habe ich einen G-Code, der den Fahrplan für die Drucker diktiert.
Wie lange dauert es, ein Motiv zu drucken?
Das ist abhängig von seiner Höhe. Für drei Millimeter rechne ich mit etwa sechs Minuten. Ein Becher kann auch mal bis zu sechs Stunden dauern. Wenn ich Firmenlogos als Datei geschickt bekomme, die eine viel zu geringe Auflösung haben, muss ich sie oft erst nachzeichnen, bevor ich loslegen kann.
Was kann der Drucker, was Hände nicht können?
Fragile Produkte, wie ich sie anbiete, gelingen nur schwer mit der Hand. Wenn Schokolade kristallisiert, zieht sie sich zusammen, sie bricht also stellenweise bei gewissen Formen. Mit den Druckern kann ich in einem relativ überschaubaren Aufwand Einzelstücke herstellen, die moderne und individualisierte Möglichkeiten öffnen. Firmenlogos in hoher Stückzahl zum Beispiel mache ich häufig. So etwas von Hand umzusetzen, ist fast unmöglich. Die Schichten, die das Produkt braucht, um eigenständig stehen zu können und nicht nur Garnitur auf einer Torte zu sein, lässt sich nur mit dem Drucker realisieren.
Will man die Schokolade denn überhaupt essen, wenn sie so hübsch aussieht?
Es stimmt, wir verkaufen Emotionen, nicht nur Schokolade des Genusses wegen. Aber natürlich ist sie immer noch zum Essen gedacht. Ich sage es immer so: Stell dir die Schokolade irgendwohin, freu dich darüber, dass sie schön aussieht, esse sie, und freu dich noch mehr darüber, dass sie auch schmeckt.
Wenn man zu lange wartet, wäre sie ohnehin ungenießbar, oder nicht?
Wir geben unseren Produkten etwa sechs Wochen. Die Schokolade im Einkauf hat eine Mindesthaltbarkeit von zwei Jahren. Zur optimalen Aufbewahrung braucht es allerdings einen Raum mit 16 bis 18 Grad Celsius, er sollte nicht zu feucht sein, lichtgeschützt, frei von Fremdgerüchen. Da das zu Hause kaum jemand dauerhaft sicherstellen kann, sollte man sie lieber zeitnah essen, bevor sie am Ende im Müll landet.
Welche Schokolade verwenden Sie?
Eine Schweizer Zartbitterschokolade mit 65 Prozent Kakaoanteil und Kakao aus Venezuela: Maracaibo Classificado 65. Die Schokolade wird direkt gehandelt und nachhaltig angebaut. Mit Schokolade ist es ähnlich wie mit Wein und Kaffee – jede Bohne und jedes Anbaugebiet hat eigene Charakteristika. Und genau das wollen wir an unsere Kunden weitergeben.
Wollten Sie nicht eigentlich Physik studieren?
Ich habe sogar angefangen damit. Ein Semester lang. Im Studium fehlte mir aber der Praxisbezug und die Perspektive. Ich hatte dann an ein Duales Studium gedacht, in Richtung Verfahrenstechnik oder Maschinenbau, aber dafür war ich zu spät dran. Ich stolperte über eine offene Stelle beim Bayerischen Hof als Konditor, meine Ausbildung machte ich aber letztlich bei einem anderen Münchner Konditor. Danach war ich eine Zeitlang in der Schokoladenmanufaktur am Starnberger See, machte meinen Meister und arbeitete in einem Hotel.
Was begeisterte Sie an dem Beruf des Konditors?
Wahrscheinlich ist meine Oma daran schuld. Ich war als Kind viel in der Küche und habe früh angefangen, Kuchen zu backen. Ich war sehr perfektionistisch. Mein Papa hat mir damals ein Heftchen mit Pralinenrezepten geschenkt. Nach dem Heftchen kam irgendwann ein Profi-Pralinenbuch, in dem auf zehn Seiten das Temperieren von Schokolade und Seitenlang das Aufschlagen von Sahne beschrieben wurde. In der 11. Klasse war ich dann in Irland und habe neben der Schule in einer Chocolaterie gearbeitet.
Aber Sie backen nicht nur, sondern tüfteln offenbar immer noch gern?
Das ist die Verbindung aus beiden Interessen, aus meiner Schokoladenleidenschaft und der Technik und Innovation, die mir sonst immer gefehlt hat. Natürlich hätten ein Maschinenbaustudium oder Programmierkurse einiges erleichtert.
Vermissen Sie nicht manchmal das Handwerk, bei all der Technik?
Doch, ja. Die Familie meiner Freundin hat einen Kilometer weiter von meinem Showroom eine Konditorei. Ich helfe manchmal aus, immer dann, wenn der Chef mich anruft und ankündigt, dass übermorgen Pralinen überzogen werden. Manchmal klingelt auch um drei Uhr morgens mein Telefon, weil jemand krank ist und ausfällt. Dann springe ich ein.
Können Sie sich vorstellen, dass man sich irgendwann nicht mehr Schokolade kauft, sondern einen Drucker, mit dem jeder seine eigene Schokolade herstellen kann?
Das gibt es sogar bereits, nicht speziell für Schokolade, aber einen Drucker mit Fettglasuren. Gelandet ist das bei semi-professionellen Tortendekorateuren und Foodbloggern, kostet etwa 300 Euro. Das Problem dabei ist, dass man am Ende des Tages erstmal sieben Versuche braucht, bis es funktioniert, dann fünfmal druckt, bald schon wieder neue Kartuschen benötigt, und irgendwann landet das Gerät in der Ecke und verstaubt. Spannend wird es, wenn wir einen einfach zu handhabenden Multimaterialdrucker haben, in den man praktisch jedes pastöse Lebensmittel füllen kann.
Das benötigt allerdings noch Zeit vermutlich?
Das dauert noch, ja. Vor allem weil der Hype, der vor ein paar Jahren um 3D-Drucker unter Laien entstanden ist, bereits wieder abflaut. Weil es doch nicht so einfach ist, wie es aussieht.
Was war denn das schönste Motiv, das Sie bislang gedruckt haben?
Ein Verlobungsring.
Schmilzt der nicht am Finger?
Ich weiß nicht, was am Ende des Tages damit passiert ist. Vielleicht hat die Verlobte ihn gegessen. Aber was ich weiß, ist, dass sie Ja gesagt hat.