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Mehr Klimaschutz und Produktivität dank BIM-gestützter TGA-Planung

TGA-Planung: Zwei Personen betrachten das 3D-Modell eines Bauplans
Technologiegestützte Planung – wie hier mit Augmented Reality – macht TGA fit für die Zukunft.
  • Produktivität und Attraktivität der Arbeit im Bausektor, zu dem auch die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) gehört, müssen steigen
  • BIM-Software entlastet Fachkräfte und spart Ressourcen sowie Material
  • Neue Simulationsmöglichkeiten verbessern die Klimabilanz über den gesamten Lebenszyklus

Sie fehlen allerorten und die Mangellage wird sich in den kommenden zehn Jahren noch einmal deutlich verschärfen: Fachkräfte im Bereich des Handwerks, und hier insbesondere im Bausektor, zu dem auch die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) gehört. Aber was bedeutet TGA konkret? Unter diesen Oberbegriff fallen Gewerke wie Heizungstechnik, Lüftungstechnik, Gebäudeautomation, Klimatechnik und Sanitärtechnik, aber auch die Herstellung von Kommunikations- und Datenverbindungen sowie Elektrotechnik.  

Ende 2022 klagten neun von zehn Unternehmen in Deutschland und Frankreich darüber, nicht ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. Allein in Österreich summierte sich der Fachkräftemangel auf mehr als 250.000 unbesetzte Stellen. Weltweit, so eine Studie des Korn Ferry Instituts, wird dieser Trend bis 2030 weiter zunehmen. Dann dürften laut Prognosen des Instituts global 85 Millionen Fachkräfte fehlen.  

Fachkräftemangel und demografischer Wandel 

In den USA ist die Situation ähnlich: Laut einer Studie von Stanley Black & Decker fehlen aktuell allein in den USA mehr als 650.000 Facharbeitende im Bauhandwerk. Das Problem hat sich seit der Corona-Pandemie noch einmal deutlich verschärft. In deren Verlauf zogen sich laut Angaben der US-amerikanischen Handelskammer ca. 47 Millionen Arbeitnehmende entweder vom Arbeitsmarkt zurück oder wechselten in andere Branchen. Hinzu kommt der demografische Faktor als weiterer Bottleneck bei der Fachkräfteversorgung: Da die Generation der gut ausgebildeten und zahlreich im Handwerk vertretenen Babyboomer in den kommenden Jahren in Rente geht bzw. diesen Schritt bereits vollzogen hat, herrscht zusätzlicher Bedarf an neuen Kollegen im Handwerks- und TGA-Bereich. Bereits im Jahr 2017 hatte die US-Statistikbehörde festgestellt, dass 43 % aller im Handwerk tätigen Arbeitnehmenden älter als 45 Jahre sind, während die 16- bis 24-Jährigen gerade einmal 10 % ausmachten. 

Doch es geht nicht nur darum, die knapp gewordene menschliche Arbeitskraft optimal zu nutzen. Auch in ökologischer Hinsicht ist der Einsatz innovativer Technologien unabdingbar. Gerade die Bauwirtschaft gehört aufgrund ihres naturgemäß hohen Materialbedarfs bei der Erstellung neuer Büro-, Wohn-, Industrie- und Infrastrukturprojekten zu den größten Klimasündern des Planeten: 38 % aller CO2-Emissionen gehen auf ihr Konto. Zudem produziert der Bausektor allein in Deutschland jährlich mehr als 230 Millionen Tonnen Abfall und ist damit für mehr als 50 % der gesamten Müllmenge verantwortlich.

Auch energietechnische Anlagen profitieren von BIM-gestützter TGA-Planung.
Der österreichische TGA-Spezialist IGO Industries nutzt die Cloud, um Gebäude- und Anlagentechnik effektiv und teamübergreifend zu planen. Credits: IGO Industries.

Integriertes Daten- und Projektmanagement 

Die wachsenden Anforderungen an die Effizienz und das Projektmanagement im Baugeschäft allgemein und die Anlagen- und Gebäudetechnik im Besonderen waren der Startschuss für ein Pilotprojekt des österreichischen Technologiespezialisten IGO Industries, einem international tätigen Spezialisten für TGA und industriellen Anlagenbau, und Autodesk. Mit Autodesk Construction Cloud (ACC) bündelt das österreichische Unternehmen IGO die Vorteile eines cloudbasierten Managementtools für Großbauprojekte und schafft damit eine einheitliche Datenbasis von der Planung bis zum Betrieb für sich und seine Partner. „Die Lösung verbindet auf einer sicheren technologischen Grundlage mehrere Stakeholder zu einem großen Netzwerk“, erläutert Michael Mair, CAD- und IT-Administrator mit dem Schwerpunkt Software-Weiterentwicklung beim IGO-Verbundunternehmen Ortner Anlagen. 

ACC baut auf bestehenden Programmen wie Assemble, BuildingConnected, BIM 360 und PlanGrid auf. Diese werden durch neue Funktionen ergänzt und erhalten eine Cloud, in der alle Daten, Teilnehmende und Projekte zusammenfinden. Das erleichtert nicht nur die Planung, sondern auch die Projektausführung erheblich und trägt damit zu einer effizienten Ressourcennutzung von Personal und Material bei. Die im Rahmen der Planungs- und Bauphase entstehenden Daten können auch für den laufenden Betrieb genutzt werden und helfen dabei, die hierbei entstehenden Aufwendungen für Energie und andere Ressourcen zu optimieren und dadurch CO2 einzusparen. „Die zusätzlichen Daten bringen IGO Industries einen wertvollen Wissensvorsprung, der dabei hilft, unsere führende Stellung im Bereich der Gebäude- und Anlagentechnik zu erhalten und auszubauen“, so Mair. 

TGA-Planung in der Umsetzung: Zwei Fachkräfte in Schutzkleidung auf einer Baustelle.
In BIM-gestützter TGA-Planung liegt großes Potenzial in der Verringerung des  Fachkräftemangels.

Baupläne sind stets up to date 

Bei PH Electric aus Plaistow im US-Bundesstaat New Hampshire schätzt Corey Coleman, Leiter der Abteilung Virtual Design Construction (VDC), vor allen Dingen den deutlich verbesserten Datenfluss zwischen Backoffice und Baustelle dank neuer Technologien.

PH Electric bietet Elektroinstallationen aller Art (Strom, Beleuchtung, Feueralarmsysteme, Telekommunikation, Energieerzeugung, Aufzugsservice): „Früher hatten wir oft das Problem, dass unsere Mitarbeitenden mit einem veralteten Satz von Zeichnungen arbeiteten. Diese Dateien upzudaten, war ein mühsames Unterfangen und hat viel Zeit und Ressourcen gekostet. Heute hingegen arbeiten wir mit BIM360, das über eine Dateiversionierungsfunktion verfügt, die sicherstellt, dass der Vorarbeiter immer die neueste Version hat, wenn er die Datei öffnet.“ Dies vereinfacht den Datenfluss, spart Zeit und verhindert Planungsfehler aufgrund veralteter Informationen. Zudem können sich die Handwerker vor Ort verstärkt um ihre eigentlichen Aufgaben, die Installation der elektrischen Anlagen, kümmern. 

BIM-gestützte TGA-Planung verhindert Redundanzen auch bei Neubauprojekten.
Wenn jeder mit dem gleichen Modell plant und auf BIM-gestützte TGA-Planung setzt, entstehen bei der Umsetzung von Bauprojekten weniger Redundanzen. Credit: PH Electric

Optimierte Material- und Personalplanung 

„Auch die Abstimmung mit den anderen Handwerkern auf der Baustelle ist viel einfacher geworden, da wir nun die Informationen miteinander teilen und alle mit über BIM360 Glue oder BIM Collaborate arbeiten. So plant jeder immer mit dem aktuellsten Modell.“ Dadurch, so Coleman, gebe es weniger Redundanzen und Planänderungen. Früher hätte sich jeder nur auf sein Gewerk konzentriert, sodass oft ineffiziente Kabel- und Leitungswege entstanden seien. Dies werde durch die gemeinsame Arbeit am Bauentwurf nun vermieden, was zu erheblichen Arbeits- und Materialeinsparungen führt. „Dank des Einsatzes von Revit konnten wir nachträgliche Änderungen minimieren bzw. vereinfachen. Zudem können wir die benötigten Teile jetzt bereits im Vorfeld fertigen und exakt zuschneiden lassen. Das macht den Handwerkern vor Ort die Arbeit erheblich einfacher“, so Coleman. 

Da die Teile nun perfekt zueinander passen und kein „Trial and Error“ mehr angewendet werden muss, verbrauchen die Mitarbeitenden auf der Baustelle deutlich weniger Material. Das Unternehmen konnte dank BIM seine Materialeffizienz auf über 90 % steigern, nachdem zuvor teilweise 50 % Verschnitt angefallen waren. „Diese Effizienzgewinne senken nicht nur unsere Kosten, sondern machen das Bauen auch für unsere Auftraggebenden billiger. Zudem können wir unsere Leistungen am Markt günstiger anbieten und gewinnen dadurch enorm an Wettbewerbsfähigkeit“, so Coleman.  

Energiesparpotenziale leichter erkennen 

PH Electric nutzt Revit, um die Energieeffizienz der Gebäude bereits im Vorfeld zu überprüfen und Optimierungspotenziale zu ermitteln. So können eine Art Heatmap des Gebäudes erstellt und Energieverbräuche simuliert werden. „Das 3D-Modell ermöglicht uns damit solide Kostenanalysen, die unseren Kunden beim energieeffizienten Betrieb des Gebäudes unterstützen und dadurch auch zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen“, erklärt Coleman. Aufgrund dieser Vorteile ist die Arbeit mit Revit bereits seit mehreren Jahren fester Bestandteil des Unternehmens und hat sich als Standard-Planungstool fest etabliert. 

Parkplatzbeleuchtung: Dank BIM-gestützter TGA-Planung zukunftsfit
Eine Beleuchtungsanalyse eines Parkplatzes soll feststellen, ob die staatlichen Energievorschriften eingehalten und ob die Tier- und Pflanzenwelt im benachbarten Feuchtgebiet vom Licht nicht beeinträchtigt werden. Möglich ist diese Analyse dank neuster Technologie. Credit: PH Electric

Auch die Takasago Thermal Engineering Group setzt in der Bauphase ihrer Projekte zunehmend auf BIM-gestützte Prozesse. Das in Japan ansässige Unternehmen ist einer der großen Player im Bereich Klimatechnik und sieht aufgrund demografischer Faktoren des Arbeitsumfelds und der Arbeitsweise in der Branche einen hohen Bedarf nach Lösungen, welche die Arbeitsbelastung verringern und die Produktivität steigern. „Wir glauben, dass die Herausforderung darin besteht, die Produktivität zu verbessern und auch die Attraktivität der Bauindustrie insgesamt zu erhöhen“, erklärt Motokazu Furuya, Chief Executive Officer der DX Management Hauptverwaltung. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen als erster einheimischer Baumaschinenhersteller 2022 eine strategische Partnerschaft mit Autodesk ins Leben gerufen, um die praktische Anwendung und Förderung von BIM-Systemen in der TGA-Branche voranzutreiben. 

TGA-Branche setzt zunehmend auf BIM-Software 

Allein die Ankündigung, zukünftig auf BIM statt traditionelle CAD-Systeme zu setzen, animierte viele der Zulieferer von Takasago dazu, die Lösung bei der Konstruktionsplanung einzusetzen. Bei der Umgestaltung der Workflows befinde man sich jedoch noch am Anfang, so Furuya: „Die Änderung von Arbeitsabläufen braucht Zeit. Wenn wir nur die Zeichnungserstellung betrachten, ist es schneller, für diese Funktion spezialisiertes CAD zu verwenden, aber BIM hat große Vorteile, wenn man den gesamten Prozess betrachtet, einschließlich der Änderungen am gesamten Prozess und der Verwaltung des Fortschritts sowie anderer Vorgänge. Um diese Vorteile erkennbar zu machen, versuchen wir derzeit, die Zahl der Projekte, bei denen BIM zum Einsatz kommt, schrittweise zu erhöhen und gleichzeitig spezifische Produktivitätsverbesserungen zu quantifizieren und zu unseren Partnern zu demonstrieren.“ 

CO2-Abdruck für den gesamten Lebenszyklus simulieren 

Er ist davon überzeugt, dass die Informationen im 3D-Modell während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, einschließlich des Betriebs, genutzt werden können und einen Mehrwert darstellen, der über die herkömmlichen Bauzeichnungen hinausgeht. „Unser Ziel ist es, ein ,Schöpfer einer Lebensumwelt’ zu sein, und BIM-basierte Projekte sind die Grundlage dafür. Takasago Thermal Engineering ist bestrebt, ein Unternehmen zu sein, das umfassende Lösungen anbieten kann, indem es bei der Betrachtung des Lebenszyklus eines Gebäudes sowohl den CO2-Abdruck des Gebäudebaus und -abbruchs als auch die im Rahmen des Gebäudebetriebs anfallenden Kohlenstoffdioxidmengen berücksichtigt.“ Hierzu will das Unternehmen seinen Kunden die durch den Bau entstehende CO2-Menge sowie die während des Lebenszyklus‘ anfallenden Treibhausgase mithilfe von Simulationen bereits vor dem Bau aufzeigen, so dass sie entsprechend ihren Bedürfnissen aus verschiedenen Varianten wählen können. 

Cloud-basierte BIM-Tools bieten im Bereich der TGA-Planung nicht nur handfeste ökonomische Vorteile, sondern können auch die Performance in der Ressourceneffizienz und im Klimaschutz erheblich verbessern. Dies könnte vor allem jüngere Menschen davon überzeugen, sich wieder verstärkt als wertvolle Fachkräfte in der Bauwirtschaft zu engagieren.

Über den Autor

Nach einem Studium der Internationalen Beziehungen und der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft an der Universität zu Köln absolvierte Harald Henkel ein Volontariat bei dem auf die Immobilienwirtschaft spezialisierten inmedia Verlag. Seit 2009 ist er als Journalist, Redakteur und PR-Berater für Fachverlage aus dem B2B-Bereich sowie KMU und international operierende Unternehmen tätig. Seine Themenschwerpunkte sind die Bereiche Wirtschaft und Finanzen, Immobilien, Technik und Software.

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