Umnutzung von Bürogebäuden: So hilft softwaregestützte Planung beim Umbau
- Hohe Leerstandsquoten für Bürogebäude in vielen Wirtschafts- und Finanzzentren zeigen einen möglichen Weg aus der Wohnungskrise auf
- Zur Bewältigung der Herausforderungen, die mit der Umnutzung von Bürogebäuden verbunden sind, hat das Planungsbüro Sasaki ein digitales Tool entwickelt, das die Kosteneffizienz unterschiedlicher Flächennutzungskonzepte schon in der Vorplanungsphase zuverlässig berechnet
- Office Shift Pro kann projektspezifisch konfiguriert werden und ermöglicht einen flexibleren, weniger präskriptiven Ansatz als eine rein KI- oder Machine-Learning-gestützte Lösung
Hinter den glitzernden Fassaden unzähliger Bürotürme in Finanz- und Wirtschaftszentren, die bis vor vier Jahren summenden Bienenkörben glichen, herrscht heute gähnende Leere – eine Langzeitfolge der Pandemie, die den Trend zu Homeoffice und Remote-Arbeit weltweit kräftig ankurbelte. Die Umnutzung dieser Prestigeimmobilien würde sich auf den ersten Blick als offensichtliche Lösung für die eklatante Wohnungsnot in vielen Großstädten anbieten, ist aber in der Praxis mit beträchtlichen Herausforderungen verbunden. Denn moderne Gewerbeimmobilien sind häufig als Großraumbüros ausgelegt und erfüllen nicht die Auflagen, die heute vielerorts in Bezug auf Zugang zu funktionsfähigen Fenstern, Tageslicht und Frischluft für Wohnungen gelten.
Als besser geeignet erweisen sich die schmaler geschnittenen Gebäude aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, als Geschäftsräume noch nicht mit Klimaanlagen und elektrischem Licht ausgestattet, sondern für ein gesundes Arbeitsklima ebenfalls auf Fenster mit ausreichendem Tageslichteinfall angewiesen waren. Dennoch sind zur wohngerechten Umgestaltung dieser Altbauten oft umfangreiche Sanierungsarbeiten erforderlich, etwa durch Einbau eines zentralen Lichtschachts, um die Räume mit zusätzlichen Fenstern zu versehen.
„Den meisten Menschen ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, wie kompliziert diese Umbauten sind – und was man alles entdeckt, wenn man einmal anfängt, einen Altbau zu entkernen“, meint Liz von Goeler vom Planungsbüro Sasaki.
Viele Argumente sprechen für Umnutzungen von Bürogebäuden
Im Zentrum von Chicago arbeiten Architekten und Bauunternehmen am Umbau leerstehender Bürogebäude. Insgesamt sollen hier 1.600 Wohnungen entstehen, davon 600 Sozialwohnungen für einkommensschwache Haushalte. In New York City sollen nach dem Willen von Bürgermeister Eric Adams und mit Unterstützung des Office Conversions Accelerator, eines eigens eingerichteten Gremiums zur Beschleunigung von Umbauprojekten, gleich 20.000 neue Wohnungen geschaffen werden.
Auf US-Bundesebene hat Präsident Biden den Umbau von Bürogebäuden ebenfalls zur Chefsache erklärt. Im November 2023 veröffentlichte seine Regierung ein Handbuch mit Informationen zu den einschlägigen staatlichen Förderprogrammen. Das zuständige Ministerium für Wohnungsbau stellt zusätzlich einen eigenen Ratgeber mit Hinweisen zur Beantragung von Mitteln für Umnutzungsprojekte bereit.
In den USA erreichte der Leerstand von Büroimmobilien im zweiten Quartal 2023 einen Rekordwert von 18,2 %; das Gesamtvolumen der Investitionen in Gewerbeimmobilien brach gegenüber dem Vorjahr um 64 % ein. Gleichzeitig fehlen landesweit fast vier Millionen Wohneinheiten, und 2021 wendete fast die Hälfte aller Miethaushalte über 30 % ihres Einkommens für Mietkosten auf. Durch Umnutzung von Bürogebäuden ließe sich diese Lücke im Wohnungsmarkt auf klimaschonende Weise schließen: Forschungserkenntnissen zufolge generieren sanierte Bestandsimmobilien 50–70 % weniger Kohlenstoffemissionen als Neubauten.
Softwaregestützte Planung zur Reduzierung von Risiken
Angesichts der wachsenden Nachfrage hat von Goeler zusammen mit ihrem Kollegen Ken Goulding, der bei Sasaki die Abteilung für Forschung und Entwicklung leitet, ein Tool entwickelt, das die Projektierung von Umnutzungen unterstützen und vereinfachen soll. Anhand eines Verfahrens, das an das Prinzip der parametrischen Modellierung angelehnt ist, werden die Grundrisse von Büroflächen analysiert und Optionen zu ihrer wohngerechten Umgestaltung aufgezeigt. Das Tool ist zur internen Verwendung gedacht und soll als Serviceleistung für Architekten und Bauträger angeboten werden.
Office Shift Pro wurde als Software für die Vorplanung konzipiert, die 2D-Baupläne für Umnutzungen generieren und projektspezifisch den optimalen Mix aus unterschiedlichen Einheiten berechnen und visualisieren kann, um eine möglichst kosteneffiziente Planung zu unterstützen. „Bauchgefühl“ und Intuition des Bauträgers bei der Entscheidung für oder gegen ein potenzielles Umnutzungsprojekt werden somit durch parametrische Stringenz ersetzt oder ergänzt, die zur Minimierung von Risiken beiträgt, indem die finanziellen Konsequenzen sämtlicher denkbaren Optionen präzise gegeneinander abgewogen werden.
Office Shift Pro wurde als Software für die Vorplanung konzipiert, die 2D-Baupläne für Umnutzungen generieren und projektspezifisch den optimalen Mix aus unterschiedlichen Einheiten berechnen und visualisieren kann, um eine möglichst kosteneffiziente Planung zu unterstützen. „Bauchgefühl“ und Intuition des Bauträgers bei der Entscheidung für oder gegen ein potenzielles Umnutzungsprojekt werden somit durch parametrische Stringenz ersetzt oder ergänzt, die zur Minimierung von Risiken beiträgt, indem die finanziellen Konsequenzen sämtlicher denkbaren Optionen präzise gegeneinander abgewogen werden.
Diese Projekte sind durchaus risikoreich“, erläutert von Goeler. „Angesichts hoher Baukosten und hoher Darlehenszinsen muss man die Grundrisse sehr präzise berechnen, damit sich die Investitionen tatsächlich lohnen. Beim Umbau von Bestandsimmobilien stößt man immer wieder auf Sachzwänge, für die eine architektonische Lösung gefunden werden muss.“
Projektspezifisch konfigurierbar
Office Shift Pro stellt eine übersichtliche Benutzeroberfläche bereit, über die zunächst der Grundriss einer Bürofläche hochgeladen wird. Im nächsten Schritt gibt man Wunschparameter für die Zimmeranzahl und Größe der zu planenden Wohneinheiten, Flurbreite, Fensteranordnung usw. sowie die veranschlagten Mieten und Umbaukosten ein. Anhand dieser Werte generiert die Engine dann mehrere tausend unterschiedlichen Optionen für die Raumaufteilung, die nach Flächeneffizienz sortiert werden. Mithilfe farbkodierter Schieberegler lässt sich der Mix aus verschiedenen Wohneinheiten (sprich: das Verhältnis zwischen Einzimmer- und größeren Wohnungen) verstellen.
Dadurch können Bauträger unterschiedliche Nutzungsszenarien im Vorfeld virtuell durchspielen, um zu sehen, ob sich die Investitionen in den Erwerb und Umbau der Immobilie überhaupt rechnen würden, bzw. ein möglichst wirtschaftliches Nutzungskonzept zu erstellen: Wäre ein Mix aus Ein- und Zweizimmerwohnungen mit Gemeinschaftsküchen, Aufenthaltsräumen und Fitnessstudio, der sich vor allem an junge Singles richtet, kosteneffizienter als ein klassisches Mehrfamilienhaus mit einem Lebensmittelgeschäft und einer Kita im Erdgeschoss? Wie Goulding erläutert, kann das Tool zu mehr Planungssicherheit beitragen, indem es Antworten auf hypothetische Fragen liefert wie: „Wäre ein Umbau mit 80 % Einzimmerwohnungen wirtschaftlich tragbar?“
Je mehr Variablen sich bereits in der Vorplanungsphase festnageln lassen, desto einfacher fällt die tatsächliche Umsetzung des Projekts. Wenn dem Bauträger von Anfang an eine Roadmap zur Rentabilität vorliegt, kann er auf dieser Basis zielführende Entscheidungen in Bezug auf die Auswahl einer geeigneten Immobilie und den richtigen Zeitpunkt für den Baubeginn treffen, meint von Goeler: „Welche Standorte kommen infrage, und welche Marktbedingungen müssen erfüllt sein, damit wir das erfolgreich durchziehen können?“
Das Tool visualisiert die Ergebnisse der parametrischen Streuung in einem zweiachsigen Liniendiagramm, in dem die verschiedenen Varianten nach Rentabilität gruppiert sind. Jede Variante wird als Punkt angezeigt und entspricht – ggf. mit geringfügigen Abweichungen – den allgemeinen Vorgaben, die die Anwendenden eingegeben haben. Größere Punkte stehen für einen spezifischen Einheitenmix mit zusätzlichen Optionen für die Platzierung der Einheiten auf der jeweiligen Grundfläche. Für die Zukunft sind potenzielle Erweiterungen wie die Integration mit Tageslichtmodellierung und 3D-Geometrie angedacht.
Im Vergleich zu rein KI- und Machine-Learning-basierten Tools ermöglicht Office Shift Pro einen flexibleren, weniger präskriptiven Ansatz. Die Konfiguration des Tools kann projektspezifisch angepasst werden, um die speziellen Vorstellungen der jeweiligen Planer und Bauträger zu berücksichtigen und beispielsweise Gewerbeflächen und Freizeitanlagen in die Planung einbeziehen. „Wir stellen jedem Auftraggeber ein Tool bereit, das speziell für den jeweiligen Markt und das betreffende Gebäude konfiguriert ist“, so Goulding. So könne ein Bauträger etwa im Vorfeld austesten, „wie viel Fläche innerhalb des Gebäudes maximal für Freizeiteinrichtungen geopfert werden kann, denn jeder Quadratmeter weniger geht ja auf Kosten der Einnahmen aus den Wohneinheiten“, präzisiert von Goeler.
Die Erforschung von Anwendungsfällen für Künstliche Intelligenz (KI) bei der Vorplanung von Umnutzungsprojekten läuft aktuell nicht nur in den USA auf Hochtouren. Schließlich sind hier komplexe Faktoren zu berücksichtigen, die beim Wohnungsbau auf unbebauten Flächen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. KI-gestützte Techniken zur Realitätserfassung können hier eine wertvolle Hilfestellung leisten, indem Fotos oder 3D-Scans der Bestandsimmobilie mithilfe von Fotogrammetrie-Engines ausgewertet werden, um Planern und Bauträgern wichtige Informationen und Metadaten zum potenziellen Baugelände zu liefern. Werden diese Methoden in Kombination mit Sensoren eingesetzt, kann die KI auch Echtzeit-Daten – etwa zu den klimatischen Bedingungen, dem Energieverbrauch und der CO2-Effizienz – in ihre Berechnungen einbeziehen.
Die wissenschaftliche Fachzeitschrift „Sustainability“ berichtete kürzlich über ein Forschungsprojekt in China, bei dem der Einsatz von KI zur Unterstützung der großflächigen Umnutzung stillgelegter Industrieanlagen in der 15-Millionen-Stadt Guangzhou geprüft wird. Konkret geht es um sogenannte Generative Adversarial Networks (GAN), also das Zusammenwirken zwischen zwei neuronalen Netzen, wobei das eine als „Generator“, das andere als „Diskriminator“ fungiert, der die vom Generator erzeugten Ergebnisse überprüft und ihn dadurch trainieren soll, seinen Output laufend zu optimieren. In diesem Fall will man das GAN-Konzept zum Erkennen und Klassifizieren unterschiedlicher Elemente auf dem Baugelände (Straßen, Fußwege, Grünflächen, verschiedene Arten von Gebäuden, Parkplätze usw.) sowie für Analysen von Umweltfolgen verwenden.
Als weiteren potenziellen Anwendungsfall für KI-Modelle untersucht das chinesische Forschungsteam die Sichtung und Auswertung relevanter Social-Media-Beiträge und anderer öffentlicher Meinungsäußerungen mithilfe von natürlicher Sprachverarbeitung. Davon verspricht man sich sowohl Anregungen für potenzielle Umnutzungsprojekte als auch besseren Einblick in die kulturelle Bedeutung und Bebauungsgeschichte einzelner Areale. Durch Erstellen und Verbreiten von Umfragen zu geplanten Projekten böte sich zudem die Möglichkeit, eine größtenteils automatische Feedbackschleife für öffentliche Konsultationen zu entwickeln.
Wie die bisherigen Erfahrungen mit Office Shift Pro gezeigt haben, liegt der Wert digitaler und KI-gestützter Tools für Umnutzungsprojekte vor allem in der Generierung und vergleichenden Bewertung unterschiedlicher Bebauungskonzepte. Der radikale Umbau einer Bestandsimmobilie kann sich als sehr viel kosteneffizienter erweisen als ein Neubau – oder eben auch nicht. Je umfangreicher und zuverlässiger die vorliegenden Datensätze und je effektiver die KI-gestützten Methoden zu ihrer Auswertung sind, desto präziser lässt sich die Rentabilität von Umnutzungsprojekten bereits in der Vorplanungsphase berechnen.
Von Goeler verweist in diesem Zusammenhang explizit auf die Beeinflussung durch Vorannahmen, die einer objektiven Analyse in vielen Fällen nicht standhielten: „Wenn man uns einen Grundriss vorlegt, den wir in unterschiedliche Wohneinheiten aufteilen sollen, fällt es uns oft schwer, uns von vorgefassten Meinungen zu befreien“, gibt sie zu bedenken. „Die Tools gehen vollkommen unvoreingenommen an die jeweils gestellte Aufgabe heran.“