VR-Bauplanung verbindet Ärzte, Pfleger und Bauingenieure
Bei Operationssälen oder Notaufnahmen handelt es sich um komplexe Strukturen. Daher müssen zunächst vor Baubeginn Testläufe durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass wichtige lebenserhaltende Systeme auf engstem Raum effizient funktionieren. Allerdings ist das Erstellen physischer Versuchsmodelle zeitaufwendig und kostspielig. Eine Alternative sehen viele Experten in der Virtual Reality (VR).
Als Layton Construction damit begann, den Bauplan für eine Klinik mit einer Fläche von ca. 45.000 Quadratmetern und 280 Betten zu entwerfen, die in Florence im US-amerikanischen Bundesstaat Alabama gebaut werden sollte, bediente sich das Unternehmen der virtuellen Realität (VR). Mithilfe dieser Technologie entstanden während der Planungsphase sowie an wichtigen Meilensteinen im Bauprozess 3D-Simulationen.
Hätte man stattdessen auf physische Versuchsmodelle zurückgegriffen, hätte die Klinik in einem angemieteten Lagerhaus 20 Räume errichten müssen, was voraussichtlich 250.000 US-Dollar (ca. 231.000 Euro) gekostet hätte. Die Einarbeitung nachträglicher Änderungen wäre darüber hinaus langwierig und arbeitsaufwendig gewesen.
Layton hatte allerdings längst an einer Lösung gearbeitet, mit der sich die geplanten Zimmer besser erkunden ließen. Das Unternehmen erschuf dazu wirklichkeitsgetreue 3D-Modelle der Krankenhausräumlichkeiten und bat Klinikinhaber und Endnutzer, sich VR-Brillen aufzusetzen und mit der virtuellen Umgebung zu interagieren. Dadurch sollte erreicht werden, dass sich diese Personen schon vor Baubeginn einen Eindruck davon verschaffen konnten, wie sich die Räume in der realen Welt anfühlen würden, um so potenzielle Änderungsaufträge und andere Verzögerungen zu vermeiden.
Laytons Ansatz war ein voller Erfolg: Zum einen konnte die Klinik die Kosten für die Modellerstellung um 90 % senken. Zum anderen ergaben sich aus den Rückmeldungen zum Visualisierungserlebnis viele Möglichkeiten für die Vorfertigung von Bauteilen und Bauplananpassungen, die den Genehmigungs- und Bauprozess erheblich beschleunigten. Das Team konnte sein Vorfertigungskonzept bereits zwei Monate vor dem geplanten Termin vorlegen.
„Hätten wir hier mit physischen Modellen gearbeitet, wären wir gezwungen gewesen, Lagerhausflächen anzumieten und Mitarbeiter extra für die Modellerstellung abzustellen. Und dann hätten wir Versuchsmodelle aus Pappe oder ähnlichen Materialien gebaut“, so Jon Ferguson, Corporate Manager of Visualization bei Layton Construction. Die Bandbreite physischer Modelle kann laut Ferguson vom Pappmodell bis hin zum Zimmer in Originalgröße (ohne die großen, teuren medizinischen Geräte) reichen. Doch dank der VR-Technologie konnte das Team bereits ab dem ersten Tag in eine lebensechte Simulation der Räumlichkeiten eintauchen. „Ironischerweise sahen die Modelle im virtuellen Raum realistischer aus und waren von größerem Nutzen.“
Der Trend im Bau geht hin zu VR
„Wir wissen, dass der Trend im Bauwesen hin zur VR geht, und haben schon eine ganze Weile mit der entsprechenden Ausrüstung und Software gearbeitet“, erklärt Ferguson. „Wir haben gewissermaßen auf einen konkreten Anwendungsfall gewartet und dieses neue Krankenhaus war optimal, denn die Inhaber sind technisch versiert und offen für neue Ideen.“
Ferguson ist dafür zuständig, Laytons Erschließung neuer Geschäftsfelder kreativ zu begleiten und zu beaufsichtigen. „Immer, wenn es um visuelle Darstellungen geht, bin ich mit von der Partie“, sagt er. „Renderings, Modelle, VR – überall dort, wo Bilder mehr sagen als Worte.“ Er bediente sich auch visueller Hilfsmittel, als er seine Idee für VR-Simulationen vorstellte, und führte die Technologie vor, indem er kurzerhand einen ansprechend gestalteten virtuellen Raum kreierte. „Ich habe eine ‚Simulation der Simulation‘ erstellt und diese zum Treffen mit den Eigentümern der Klinik mitgenommen. Sie waren begeistert, deswegen haben wir die Idee umgesetzt.“
Für die Erstellung der 20 benötigten Simulationen arbeitete Ferguson mit Laytons BIM Coordinator zusammen, um bereits in Autodesk Revit erstellte Entwurfsmodelle zu identifizieren. „Wir haben diese von den Architekten erhalten“, führt er aus und fügt hinzu, dass das Team zunächst Revit und dann 3ds Max verwendete. „Später haben wir die Architekten zu uns eingeladen und ihnen die Möglichkeit gegeben, Änderungen vorzunehmen. Sie haben dann die gesamte neue Entwurfsplanung, also für den physischen Raum, in Revit gemacht.“
Den Grundmodellen, die von den Architekten zur Verfügung gestellt worden waren, wurden Oberflächen und Texturen hinzugefügt. Anschließend wurden Modelle der für jedes Zimmer vorgesehenen Ausstattung und Möblierung erstellt oder importiert.
„Wo immer möglich, haben wir uns Modelle von den Herstellern besorgt“, so Ferguson. „STERIS hat uns zum Beispiel Zugriff auf die betriebsinterne 3D-Bibliothek gegeben, was uns sehr weitergeholfen hat. Wenn das nicht möglich war, haben wir auf Grundlage des Datenblatts unsere eigenen Modelle geschaffen. Wir haben uns bei jeder Simulation um detailgetreue, fotorealistische Umgebungen bemüht.“
Nutzererlebnis vor Baubeginn
Für den Praxiseinsatz der VR-Simulationen holte Layton sowohl die Endnutzer – z. B. Krankenpfleger, Chirurgen und Gebäudeverwalter – als auch die Krankenhausleitung in große, offene Räume, in denen sie sich frei bewegen und mit der virtuellen Welt interagieren konnten. Bei der verwendeten Hardware handelte es sich um das VR-System VIVE von HTC. Letztendlich konnten sich etwa 200 Personen in der virtuellen Umgebung umsehen, einige von ihnen sogar bis zu fünf Mal. „Wir haben sie im Vorfeld über die unserer Meinung nach besonders wichtigen Zimmerbereiche in Kenntnis gesetzt“, erklärt Ferguson. „Aber wir haben auch jede einzelne Interaktion aufgezeichnet, damit uns nichts von dem entgeht, was den Nutzern auffällt.“
Abgesehen von kleineren Anfangsschwierigkeiten gewöhnten sich die Nutzer schnell an das VR-Umfeld. „Nach einer kurzen Einweisung hatten es die meisten sofort raus. Es gab auch niemanden, der nicht mit der Technologie zurechtkam“, merkt Ferguson an. „Trotzdem fiel es manchen Personen leichter als anderen. Das scheint aber nichts mit dem Alter oder anderen offensichtlichen Faktoren zu tun zu haben, sondern damit, wie manche Gehirne gepolt sind.“
Wie sich herausstellte, waren die VR-Simulationen höchst effektiv. Das Feedback der Nutzer war so gut, dass die erprobten Zimmer effizienter und zweckmäßiger gestaltet werden konnten. Einmal stellten die Nutzer zum Beispiel fest, dass Sauerstoffflaschen in Kreißsälen so platziert waren, dass sie den Zugang zu den Auslässen in den Wandversorgungseinheiten blockierten. Weil das Problem schon im virtuellen Raum erkannt wurde, konnte das Team das Modell im Handumdrehen aktualisieren, bevor der Bau begann.
„Hiervon wären bestehende Geräte und Ausrüstungen betroffen gewesen, die in der Folge nicht mehr richtig funktioniert hätten“, so Ferguson. „Zum Glück konnten wir die Anordnung ändern und sogar die Sauerstoffleitungen viel früher als erwartet vorfertigen, wodurch wir Materialien und zwei Monate Zeit gespart haben.“
Dieses Pilotprojekt war so erfolgreich, dass sich Layton Construction mittlerweile vollkommen der VR verschrieben hat. Das Unternehmen setzt die Technologie nunmehr ungefähr einmal pro Woche ein, und mit jedem Mal wird sie ein Stück besser. „In Alabama haben wir Großartiges geleistet. Aber die Technik entwickelt sich so schnell weiter, dass wir dranbleiben und hart arbeiten müssen, um sie weiter zu verbessern“, führt Ferguson aus. „Seit damals haben der Detailgrad und die Größe unserer virtuellen Räume exponentiell zugenommen.“
In Simulationen der jüngsten Vergangenheit – dazu zählen große Studentenwohnheime und Außenanlagen von Gewerbeimmobilien – kamen auch akustische Signale zum Einsatz, wo dies angebracht war. Zudem ist es mittlerweile möglich, gemeinschaftliche Entwurfsprüfungen mit mehreren Personen durchzuführen: So können zum Beispiel OP-Teams einen Operationssaal in Vollbesetzung „erleben“.
Dieser Artikel wurde aktualisiert. Die ursprüngliche Veröffentlichung war im Februar 2018.