Digitalisierungsprojekt in der Wasserwirtschaft bringt den Biber in die Cloud
- Die LEW Wasserkraft GmbH ist einer der führenden Betreiber von Wasserkraftwerken in Bayern und digitaler Vorreiter in der Wasserwirtschaft.
- Statt mit einem Zettel dokumentieren die Mitarbeitenden Dammschäden künftig mit einem Smartphone bzw. Tablet in der Cloud und sparen so bis zu fünf Arbeitstage im Monat.
- Das digitale Datenmanagement erleichtert den internen und externen Austausch mit Stakeholdern wie mit Biberschutzbeauftragten enorm.
Umgefallene Bäume, Biberschäden, Nass- und Rutschstellen, Totwurzelmaterial, Pegelstände – Wasserkraftbetreibende müssen den Zustand von Dämmen regelmäßig dokumentieren und etwaige Schäden beseitigen. So auch die LEW Wasserkraft GmbH – einer der führenden Betreibenden von Wasserkraftwerken in Bayern und zugehörig zum Energiekonzern E.ON.
Christian Beer, Projektleiter der LEW Wasserkraft GmbH, und seine Kollegen laufen dafür alle vier Wochen kilometerlang die Dämme ab, alle zwei Wochen die verzweigten Entwässerungsgräben daneben. 36 Wasserkraftwerke betreibt LEW Wasserkraft im Süden von Deutschland an den Flüssen Donau, Günz, Lech, Wertach und dem Iller Lechkanal.
Bislang wurden die Schäden in kleine Bücher geschrieben, die dann händisch und recht mühsam im Sekretariat in eine Excel-Tabelle übertragen wurden. Diese Mängelliste ging später an die Ingenieure per Mail raus – die gemachten Fotos vor Ort wurden separat versendet. „Dieser komplexe Prozess ist natürlich fehleranfällig“, berichtet Beer. Eine verlässliche Quelle, eine sogenannte Single Source of Truth, gab es nicht.
Automatisiert und digital statt manuell und papierbasiert
Mit der Digitalisierungsstrategie von LEW Wasserkraft wollte man das ändern und rief vor zwei Jahren ein Pilotprojekt ins Leben, um den Prozess der Dammbesichtigungen in die Cloud zu übertragen und damit eine einfache Datenbank zu schaffen. Hierfür entschieden sich Beer und sein Team für die Kollaborationsplattform Autodesk BIM 360 Field. „Uns ging es in erster Linie darum, eine einzige zuverlässige sowie transparente Informationsquelle zu haben, die sowohl von derzeitigen Mitarbeitenden als auch von zukünftigen Kollegen ohne Probleme abgerufen werden kann“, erzählt Beer.
Mit dem neuen Tool gehen die Mitarbeitenden von LEW Wasserkraft nun mit dem Smartphone statt einem Büchlein in der Hand die Dämme ab und können Fotos sowie Details zum Schaden direkt in der Cloud an einem Ort hinterlegen – hierfür gibt es eine hinterlegte Checkliste, welche abgearbeitet wird, sowie eine To-Do-Liste zur Mängelbeseitigung mit Prioritätsangabe. Ebenso ist es möglich Informationen zu hinterlegen, welches Material oder Gerät zur Beseitigung des Schadens nötig ist. In Echtzeit werden alle im Team über den Schaden informiert und können Maßnahmen sofort einleiten.
Der Mangel kann direkt dem Foto und dem Standort zugeordnet werden. Und falls die Informationen aus Versehen überschrieben oder gelöscht werden, kann man auf historische Daten einwandfrei zurückgreifen – noch Monate später.
Vorreiter im Wassermanagement in Deutschland
„Bis zu fünf Arbeitstage im Monat sparen wir mit dieser Digitalisierungsmaßnahme“, erzählt der Projektleiter. Das doppelte Dokumentieren fällt weg, ebenso der Versand von Mails und das Einscannen von Dokumenten. Damit ist die LEW Wasserkraft Vorreiter in ihrer Branche – denn eigentlich kommt diese Art der digitalen Schadensdokumentation aus der Bauwirtschaft, weniger aus der Wasserwirtschaft. Es lohnt sich also, den Blick manchmal zu weiten und von anderen Branchen zu lernen – ganz im Sinne der Idee von Konvergenz.
Jetzt endet das Pilotprojekt bei der LEW Wasserkraft. Die meisten Flussketten werden „scharf geschaltet“ und das Büchlein durch das Smartphone bzw. Tablet ausgetauscht. Die Daten sollen perspektivisch sogar in den jährlichen Sicherheitsbericht einfließen, um Auffälligkeiten in den Werksanlagen zu beobachten und etwaige Probleme frühzeitig erkennen zu können. „Das ist ungemein wichtig für die langfristige Maßnahmen- und Finanzplanung“, betont Beer. Aber auch, um anbahnende Probleme frühzeitig erkennen zu können, diese vorzubeugen und damit Zeit sowie Kosten zu sparen.
Dass sich bei einem 120-jährigen Unternehmen wie der LEW-Gruppe – welches mit ihrem Wassermanagement-System zudem als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet ist – Tradition und Moderne ergänzen können, weiß auch Michael Bohlinger, Geschäftsführer von LEW Wasserkraft:
„Digitalisierung spielt auch für die Wasserkraft, eine der ältesten erneuerbaren Energien, eine entscheidende Rolle. Wir nutzen deshalb in vielen Bereichen die Vorteile digitaler Lösungen – zum Beispiel bei der umfassenden Modernisierung der Wasserkraftwerke am unteren Lech: Alle Kraftwerksfunktionen lassen sich inzwischen von unserer Zentralwarte in Gersthofen aus kontrollieren und bedienen. Wir können mögliche Störungen präzise analysieren und wo möglich über eine Fernwartung beseitigen. Die Dammbegehung mit Smartphone und Tablet ist nun ein weiterer wichtiger Schritt. Mit digitalen Anwendungen wie diesen können wir Prozesse schneller, leistungsfähiger und einheitlicher gestalten.“
Um verschiedene Digitalisierungsinitiativen zu verbinden und zu koordinieren, hat die LEW Wasserkraft auch einen eigenen Referenten für Digitalisierung angestellt. So wurden bereits Bauwerks- und Messstellenverzeichnisse des Traditionsunternehmens digitalisiert. Oder 360-Grad-Aufnahmen der Wasserkraftwerke per Kamera und Drohne angefertigt. Das bietet sich vor allem bei Flüssen wie der Iller an, die sich durch das Tal schlängeln und schwer begehbar sind.
In diese Liste reiht sich auch das Digitalisierungsprojekt der LEW Wasserkraft im Bereich der Dammüberwachungen ein. Neben der Zeitersparnis erleichtert das Projekt zudem die Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern wie mit Biberschutzbeauftragten enorm – das zentrale Datensystem unterstützt bei der Argumentation und kann helfen, gemeinsame Lösungen zu finden, um gegebenenfalls Überschwemmungen zu verhindern.