Der Weg eines jeden einzelnen Wassertropfens lässt sich anhand von Daten beschreiben, die sich die Wasserwirtschaft vor allem zunutze machen könnte, um bessere Entscheidungen zu treffen. Dafür müssten die Betriebe diese Daten zuvor in konkrete Erkenntnisse umwandeln, was geeignete Softwarelösungen und eine entsprechende Cloud-Infrastruktur voraussetzt. Auch wenn die Branche vieles aufzuholen hat, ist sie prädestiniert für eine vollständige digitale Transformation.
Dabei hat man in der Wasserwirtschaft längst erkannt, welchen enormen Nutzen Daten haben können. So werden beispielsweise Sensoren und SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition) in den Betrieben schon viele Jahre eingesetzt, um die Funktion von erdverlegten Infrastrukturen oder Kläranlagen zu überwachen. Allerdings sind die verfügbaren Technologien nie zu einem zusammenhängenden Ökosystem vernetzt worden. Stattdessen sind überwiegend Silostrukturen entstanden und ein Übergang zu einem vollständig digitalen Betrieb findet nur langsam statt.
Während der COVID-19-Pandemie kam es in vielen Wasserversorgungssystemen zu betrieblichen Beeinträchtigungen. Die Mitarbeitenden in den Wasserbetrieben mussten sich untereinander vernetzen und waren zur Bewältigung ihrer Aufgaben auf entsprechend zuverlässige Systeme angewiesen. Das gab den Anstoß für Veränderungen. Inzwischen setzt die Branche verstärkt auf digitale Tools zur Verbesserung der Betriebsabläufe. 55 % der US-amerikanischen Wasserwirtschaftsunternehmen geben an, neue Technologien hauptsächlich für die Überwachung ihrer Anlagen und zur Analyse der Daten einzusetzen, was die Zukunft der Branche im Hinblick auf eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung vorantreiben werde.
Nachstehend folgen drei Technologien, die den Umgang mit Wasser in den Wasserwirtschaftsbetrieben verändern und langfristig für mehr Wasserresilienz sorgen werden.
1. Digitale Zwillinge
Sogenannte digitale Zwillinge sind in der Fertigungsindustrie und im Bauwesen kaum mehr wegzudenken. Inzwischen beginnt auch die Wasserwirtschaft deren Einsatzmöglichkeiten zu entdecken, beispielsweise zur Visualisierung unterirdischer Anlagen oder zur Überwachung des Betriebs. Für die Wasserwirtschaft sind digitale Zwillinge virtuelle Nachbildungen von physischen Anlagen (Wasserinfrastrukturnetzen), die mit Echtzeitdaten gespeist werden. Sie sammeln sämtliche Daten von Prozesssteuerungssystemen wie SCADA, IoT-Sensoren oder Zählern sowie sonstige Informationen über die Anlagenkomponenten. So kann in den Modellen hinterlegt sein, wann ein Rohr installiert wurde und aus welchem Material es besteht. Das Modell kann außerdem historische Daten und Echtzeitfunktionen zur Erstellung von Prognosen für die Systemfunktionen verarbeiten.
Durch die Alarme der eingebundenen Sensoren können die Betreiber anhand des digitalen Zwillings beispielsweise Druckschwankungen oder sonstige Veränderungen der Bedingungen nachverfolgen. Sie haben mühelos Zugriff auf den Wasserstand und den pH-Wert in Behältern. Kunden können bei Problemen mit der Wasserversorgung sofort präzise informiert werden, wobei die Dauer der Versorgungsunterbrechung minimiert wird. Anhand des Modells haben die Betreiberunternehmen alle Leistungsparameter mühelos im Blick. Digitale Zwillinge erleichtern auch die kontinuierliche Verbesserung von wasserwirtschaftlichen Anlagen, indem sie Schwachstellen identifizieren und helfen, Probleme zu beheben, bevor sie zu schwerwiegenden Störungen führen.
Digitale Zwillinge sind die perfekte Lösung für eine moderne Siedlungswasserwirtschaft. Auch in Jackson, wo das System jahrelang von Wasserrohrbrüchen geplagt wurde, haben die Ingenieure die auf 260 Quadratkilometer verteilte Wasserinfrastruktur der Stadt digital kartiert und ein virtuelles Modell mit Echtzeitdaten erstellt. Mit diesem Modell können sie Durchfluss und Druck überwachen und so eine ununterbrochene Wasserversorgung gewährleisten und die Wasserqualität für die 150.000 Einwohner der Stadt verbessern.
2. Zusammenarbeit in der Cloud
Die digitale Transformation beinhaltet mehr als nur den Kauf einer Software oder die Aufrüstung eines einzelnen Systems. Um den Mehrwert der neuen Technologien voll zu nutzen, geht es vielmehr darum, die richtigen Werkzeuge, Teams und Mitarbeiter zusammenzubringen. Dies erfordert die Zusammenarbeit in einer cloudbasierten Umgebung.
Die Vorteile der Cloud sind bekannt. Nicht umsonst wird die Arbeit bereits 2025 zu 95 % auf Cloud-Plattformen erledigt werden. In der Wasserwirtschaft wird das Potenzial dieser offenen Zusammenarbeit noch längst nicht ausgeschöpft, wenngleich immer mehr Prozesse in die Cloud verlagert werden. Wasserverteilungsnetze sind komplexe Systeme. Mithilfe der Cloud können alle Komponenten und Beteiligten zentralisiert werden, sodass eine Zusammenarbeit in Echtzeit möglich wird. In der Cloud sind auch die digitalen Zwillinge mit all ihren wertvollen Daten am besten aufgehoben, weil sie so an einem zentralen Ort zusammengeführt werden. Dadurch können die Verantwortlichen zur richtigen Zeit die Informationen abrufen, die sie für die Planung, die Auslegung, den Betrieb und die Instandhaltung benötigen, sodass die Silostrukturen der traditionellen Wasserwirtschaft aufgebrochen werden.
Durch die vollständige Transparenz einer Cloud-Umgebung werden Redundanzen beseitigt. So wird sichergestellt, dass alle Aufgaben auf der einzig richtigen Grundlage erfolgen können. Da die Daten in der Cloud zudem interoperabel sind und schnellere Simulationen ermöglichen, sind für die Bewältigung wasserwirtschaftlicher Aufgaben zahlreiche Verbesserungen zu erwarten.
3. Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) ist die Technologie der Stunde schlechthin und macht auch vor der Wasserwirtschaft nicht Halt. Bevor geeignete Technologien zur Verfügung standen, erkannte man Schäden am Rohrleitungsnetz erst dann, wenn sie sich an der Schadstellte durch Wasseraustritt bemerkbar machten. Mithilfe von KI kann das System Schäden vorhersagen, bevor sie eintreten. Über den gesamten Lebenszyklus der Infrastruktur betrachtet, lässt sich die Wasserverschwendung durch Undichtigkeiten damit erheblich reduzieren. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen können Unternehmen beliebige Szenarien simulieren, was besonders in einer Welt mit immer neuen meteorologischen Rekorden eine große Stärke dieser Technologien darstellt.
Die KI kann für mehr Effektivität in der Wasserwirtschaft sorgen. So werden in der Landwirtschaft beispielsweise 70 % der weltweiten Wasservorkommen eingesetzt, wovon bisher jedoch bis zu 60 %verschwendet werden. Sogenannte Smart-Farming-Technologien sollen dieses Problem lösen. Dabei kann die KI anhand von Sensordaten und Parametern der Bewässerungsanlage, Satellitenbildern und Wettervorhersagen für eine bedarfsgerechte Wasserversorgung der Kulturpflanzen sorgen.
Die Einsatzmöglichkeiten der KI in der Wasserwirtschaft sind vielfältig:
Überwachen der Wasserstände und Vorhersagen für Durchflussspitzen zur Anpassung der Kapazitäten
Bereitstellung von Informationen für die vorausschauende Instandhaltung zur Reduzierung ungeplanter Ausfallzeiten und Störungen
Identifizierung von Mustern und Erkennung früherer Trends zur kontinuierlichen Optimierung von Risikobewertungen, um zu ermitteln, wann ein Ereignis oder eine Störung eintreten könnte
Optimierung der bedarfsgerechten chemischen Behandlung von Wasser
Einsatz von maschinellem Lernen für die betriebliche Leistungsoptimierung der Anlagen und Infrastrukturen
Anpassung der Betriebszeiten von Pumpen zur Verbesserung der Energieeffizienz
Dabei wird deutlich, dass die KI in Zukunft nicht nur ein leistungsstarkes Werkzeug für wasserwirtschaftliche Betriebe sein wird, sondern auch für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit sorgen kann.