Bee happy – mit vernetzten Bienenstöcken gegen Klimawandel und Artensterben
Imker und Schüler stellen derzeit europaweit sogenannte HighTech-Bienenstöcke mit Sensoren, Videokameras und Wetterstation auf. Das Projekt heißt „we4bee“. Der Bienenexperte Professor Dr. Jürgen Tautz und sein Team wollen damit herausfinden, inwiefern die Honigbiene auf den Klimawandel reagiert – und was das für die Menschen bedeutet.
Die Bienen sind ein sensibles Völkchen. Nicht nur Monokulturen, der Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft und die Urbanisierung machen den Bienenvölkern zu schaffen – auch Klimakatastrophen strapazieren die kleinen Wesen. Und zwar oft weit bevor überhaupt der Mensch eine spürbare Änderung wahrnimmt: So haben Imker bereits ein paar Tage vor der Erdbebenkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 ein merkwürdiges Verhalten ihrer Bienen beobachten können.
Warum spüren Bienen solche bevorstehenden Veränderungen so früh? Über diese hochkomplexen Zusammenhänge weiß der Mensch bislang viel zu wenig. Prof. Dr. Jürgen Tautz von der Universität Würzburg will das nun ändern. Er ist einer der weltweit bekanntesten Bienenforscher und emeritierter Biologieprofessor: Mit dem Projekt „we4bee“ hat sein Forschungsteam zusammen mit Bildungseinrichtungen und lokalen Imkervereinen 100 sogenannte „HighTech-Bienenstöcke“ aufgestellt. Sie sind ausgestattet mit modernster Technologie. Das Ziel: Sie wollen herausfinden, inwiefern der Klimawandel und die Umwelt ganz allgemein auf die Bienenvölker wirken.
Die Biene als Klima- und Bildungsbotschafter
„Die Honigbiene kann verschiedenste Wissenschaften miteinander vernetzen: Ihr Wesen ist Biologie, ihr Flug Physik, ihr Verhalten ist Soziologie, ihr Wabenbau geniale Architektur“, sagt Tautz. Die Biene ist demnach das perfekte Lebewesen, um Wissen in den verschiedenen Fächern zu vermitteln. Über 300 Schulen, Hochschulen oder Museen haben sich deswegen Anfang 2019 mit einer Videobotschaft beworben, um Teil des Projekts we4bee zu sein. „Wir hatten sogar Anfragen aus einem Tierpark im US-Bundesstaat Neumexiko sowie eine Nachricht eines Imkervereins in Russland aus dem hintersten Sibirien“, beschreibt Tautz das Interesse an den Bienen.
Die HighTech-Bienenstöcke stehen nun auf insgesamt 100 Dächern, Balkons, in Biotopen und Gärten von Bildungsinstitutionen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Liechtenstein und Luxemburg, um gemeinsam mit einem ortsansässigen Imker die Stöcke zu pflegen und die Daten zu sammeln. Ziel ist es, das Projekt weltweit auszurollen, um eben auch Bienenstöcke in Neumexiko oder Russland zu haben. Schließlich betreffen Klimawandel und das Artensterben alle. „Die gleichen Schüler, die sich im Rahmen der Streik-Bewegung Fridays For Future für den Klimaschutz einsetzen, bekommen durch die Bienen nun ein Werkzeug an die Hand, um selbst Daten für die eigenen Ziele zu gewinnen“, findet Tautz.
Statt Honig, Daten sammeln
Bei we4bee ginge es weniger um den Honig. „Statt Honig, wollen wir vor allem Daten gewinnen“, sagt der Bienenexperte Tautz. Deswegen ist der HighTech-Bienenstock auch wie ein Trapez gebaut, damit die Waben nicht an den Außenwänden kleben bleiben. Ursprünglich konstruierte man solche Stöcke für afrikanische Dorfbewohner, die keine Honigschleudern besitzen.
Professor Tautz und sein Team statteten den HighTech-Bienenstock noch mit Kameras, einer Wetterstation, einem Mini-Computer und mehreren Sensoren in und an dem Bienenstock aus. Sie sollen Daten sammeln zu Temperatur, Feuchte, Feinstaub, Akustik oder Wind.
Die Schaltpläne für die drei Platinen mit den Sensoren wurden von dem Ingenieur Hans Neumayr mit Hilfe der Autodesk-Software Eagle gezeichnet. „Wenn es um Platinen geht, kommt man an Autodesk nicht vorbei“, weiß Neumayr. Er hat mit einem der Eagle-Entwickler eng zusammengearbeitet und die ersten Prototypen für Eagle – eine deutsche Erfindung – mit getestet.
Um die Temperatursensoren in kleinen Edelstahlröhrchen zu fixieren, musste Neumayr zudem 3D-gedruckte Kunststoffhülsen einsetzen, um ein maßgeschneidertes Ergebnis zu erzielen. „Dafür haben wir die Autodesk-Lösung Fusion genutzt“, erzählt der Ingenieur.
Daten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz auswerten
Die gewonnenen Daten werden im Sekundentakt an das Rechenzentrum der Universität Würzburg geschickt. Sind genug Daten vorhanden, wertet sie das Forschungsteam um we4bee gemeinsam mit dem Data Science Spezialisten und Informatiker Prof. Dr. Andreas Hotho durch Künstliche Intelligenz in einer Cloud aus. Als Kooperationspartner steht ihm dabei Microsoft zur Seite.
„Bis ich Mitte 40 war, hatte ich keine Ahnung, was für ein wunderbares Insekt die Biene ist und was man alles von ihr lernen kann. Bis mir ein Kollege ein Bienenvolk geschenkt hat“, erzählt Professor Tautz. Sein Schwerpunktthema, die Gehirnforschung, änderte sich damals: Er gründete den Verein „Bienenforschung Würzburg“, publizierte Fachbücher über die Biene in 19 Sprachen, gründete HOBOS – eine Internetplattform zur Erforschung der Bienenvölker – und schließlich we4bee. Der Bienen-Fachmann Tautz versteht die Biene als Klima-Botschafter. Sie ist eines der wichtigsten Nutztiere des Menschen. Tautz ist überzeugt: Was den Bienen hilft, hilft auch den anderen gefährdeten Lebewesen wie dem Igel, der Schwalbe, den Schmetterlingen und schließlich dem Menschen.