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Weltraum-3D-Druck mit Mondstaub: das Geheimrezept für Wohnen auf dem Mars

Image of what structures on Mars built with local materials might look like.

Science-Fiction-Liebhaber kennen sie zur Genüge: Szenarien von Weltraummissionen, in denen Astronauten nach dem Erkunden eines fremden Planeten am Tagesende zu einer kleinen Basisstation zurückkehren, die zum Großteil aus dem Raumschiff besteht, mit dem sie dort gelandet sind.

Doch sollten jemals längere Missionen unternommen werden, müsste die Infrastruktur bedeutend größer angelegt sein und unter anderem Habitate, Startrampen und Landeplätze, Explosionsschutzwände, Meteoritenschilde sowie Tanks für kryogene Treibstoffe und Oxidationsmittel umfassen.

In Wahrheit würde eine bemannte Mission zum Mars jedoch bedeuten, dass die Astronauten in auf der Marsoberfläche errichteten Bauwerken leben und arbeiten müssten. Doch woraus bestünden diese Bauwerke? Da die Menge an Werkstoffen, die von der Erde mitgenommen werden kann, begrenzt ist, müssten die Marsforscher lernen, mit auf dem Mars vorhandenen Materialien zu arbeiten. Im Vergleich zu dem Vorhaben, ein Astronautenteam auf den Mars zu schießen, scheint dieses Problem vielleicht banal, doch es gibt dabei eine ganze Reihe von Hürden zu überwinden. Genau daran arbeiten Wissenschaftler und Ingenieure der NASA im sogenannten Granular Mechanics and Regolith Operations (GMRO) Lab: Das am Kennedy Space Center an Floridas Weltraumbahnhof Cape Canaveral angesiedelte Speziallabor ist der Erforschung der Mechanik granularer Materie gewidmet.

Nathan Gelino from NASA's Swamp Works lab
Laut Nathan Gelino, Forschungsingenieur bei der NASA, ist additive Fertigung mit Regolith im Weltall grundsätzlich möglich. Hierzu gelte es jedoch zunächst, Näheres über die Tragfähigkeit und Festigkeit des Materials in Erfahrung zu bringen. Credit: NASA/Glenn Benson.

Um außerhalb der Erde Gebäude zu errichten, wird man sich höchstwahrscheinlich unter Einsatz eines großen 3D-Druckers der additiven Fertigung bedienen. Das meint zumindest Nathan Gelino, der als Forschungsingenieur bei der NASA arbeitet und im GMRO-Labor (auch „Swamp Works“ genannt) tätig ist. Additive Fertigungsverfahren haben sich auf der Erde bewährt, werden mittlerweile sogar routinemäßig eingesetzt. Außerhalb der Erde sind sie allerdings mit beträchtlichen technischen Herausforderungen verbunden, insbesondere, da Astronauten auf fremdartige Böden als Baustoffe angewiesen wären.

Gesteinskörper wie zum Beispiel Monde stehen unter beinahe pausenlosem Beschuss durch Asteroiden. So entstehen feine Partikel, die aufgewirbelt werden und sich anschließend auf der Oberfläche ablagern, wodurch sich im Laufe von Jahrtausenden eine dicke Schicht bildet. Diese Decke aus pulverisiertem Gestein wird in der Wissenschaft Regolith genannt.

Regolith unterscheidet sich in bedeutender Weise von Sand. Auf der Erde ist Sand konstanter Verwitterung ausgesetzt, unter anderem durch Wind, Regen und die Gezeiten. Dadurch werden die Sandkörner abgeschliffen und nehmen eine runde Form an. Da solche Kräfte auf dem Mond nicht existieren, sind Regolithkörner weitaus scharfkantiger, vergleichbar mit winzigen Glasscherben. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des GMRO-Labors vermuten, dass das Basaltgestein auf dem Mars ähnliche Eigenschaften aufweist wie das auf dem Mond. Aus diesem Grund experimentieren sie mit simuliertem Mondregolith, der aus auf der Erde vorhandenen Materialien gewonnen wird – obwohl sie in einem Tresor sogar echten Mondregolith aufbewahren. „Es handelt sich dabei um unglaublich seltene Proben“, erklärt Gelino. „Die verwendet man nicht, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.“

Die Arbeit mit diesem Material ist nicht ganz risikoarm. Wie jeder feinkörnige Gesteinsstaub kann Regolith die Atemwege schädigen. Dringt er in die Lunge ein, kann er eine ähnlich krebserregende Wirkung entfalten wie Asbest. Ein vom GMRO-Labor verwendetes Mondregolithsimulat – Black Point 1 (BP-1) – ist ein Abfallprodukt der Asphaltproduktion. Da es Siliciumdioxid enthält, müssen sich die Forscher vor einer Silikose in Acht nehmen und entsprechende Schutzanzüge tragen.

 

NASA’s Granular Mechanics and Regolith Operations (GMRO) Lab
Wissenschaftler und Ingenieure im GMRO-Labor (Granular Mechanics and Regolith Operations) der NASA erforschen Methoden, um auf anderen Planeten mit vor Ort gewonnenen Materialien Gebäude im 3D-Drucker entstehen zu lassen.


„Ein noch unmittelbareres Problem im Weltall ist allerdings Verschleiß“, fährt Gelino fort. „Weil die Körner kleinen Glasscherben ähneln, laden sie sich elektrostatisch auf und werden leicht aufgewirbelt. Schauen Sie sich nur mal Aufnahmen der Apollo-Missionen an, in denen sich Astronauten auf der Mondoberfläche bewegen – Sie werden sehen, dass die Astronauten in vielen von ihnen mit einer Schmutzschicht bedeckt sind. Die geladenen Teilchen setzen sich überall fest, auch auf Raumanzügen und Handschuhen. Es ist quasi so, als würden sich in den Falten eines Anzugs viele kleine Messerklingen sammeln. So verschleißen die äußeren Schichten sehr schnell. Die Astronauten im Apollo-Programm mussten nach kurzer Zeit feststellen, dass dadurch die Lebensdauer ihrer Anzüge und insbesondere ihrer Handschuhe erheblich eingeschränkt war.“

Und wenn schon Stoffe und Gewebe ein Problem sind, sind Maschinen erst recht eines. „Ingenieure müssen darauf achten, dass Regolithpartikel nicht in Drehdurchführungen oder auf Gleitflächen gelangen“, so Gelinos Kollege Brad Buckles. „Bei dem 3D-Drucker, den wir nutzen, hatten wir mit Verschleiß zu kämpfen. Der Regolith setzt der Schnecke, dem Zylinder und der Düse enorm zu, wenn er durch das System läuft.“

3D printing with regolith
Mischt man dem als Regolith bekannten pulverisierten Gestein eine geringe Menge Kunststoffabfall bei, lässt sich daraus ein Material für die additive Fertigung herstellen, das härter als Beton ist. Credit: NASA/Glenn Benson.

Buckles fügt hinzu, dass sich Regolith im Vergleich zu anderen in der additiven Fertigung verwendeten Materialien „schlicht und einfach merkwürdig verhält“. Er fließt nicht wie Sand in einer Sanduhr, sondern neigt zu Pfropfen-, Klumpen-, Brücken- und Schachtbildung. Um die für den 3D-Druck mit Regolith notwendigen Fließeigenschaften zu erzeugen, mussten sich die NASA-Ingenieure daher allerhand kreative Lösungen einfallen lassen. Dennoch besteht für dieselben Ingenieure kein Zweifel, dass die additive Fertigung mit Regolith funktionieren wird. Wer jedoch in extraterrestrischen Gefilden Infrastruktur bauen möchte, muss zunächst bestehende Infrastrukturkonzepte auf den Kopf stellen.

„Auf der Erde ist alles extrem schwer“, so Gelino. „Wir verwenden Stahl und Beton – diese Baustoffe bringen Tonnen auf die Waage. Wenn man 40 Säcke Beton auf den Mond schießen will, sind das mit Sicherheit die teuersten 40 Säcke Beton aller Zeiten. Hinzu kommt, dass die Nutzlastkapazität unserer Raketen begrenzt ist.“

Folglich muss sich das NASA-Team auf die „Verwendung von vor Ort verfügbaren Ressourcen“ konzentrieren und Weltraumforscher in die Lage versetzen, sich die natürlichen Bestände der jeweiligen Himmelskörper zunutze zu machen. Für die Ingenieure der NASA ist jeder Haufen Schmutz im Weltall eine wertvolle Ressource, aus der potenziell Wasserstoff und Sauerstoff für die Wasserherstellung oder gar die Grundelemente für die Produktion von Eisen-Silicium-basiertem Stahl gewonnen werden können. „Hat man sich einmal angewöhnt, alles durch diese Brille zu sehen, fallen einem plötzlich Tausende Verwendungsmöglichkeiten für einen Regolithhaufen ein, auf die man auf der Erde nie gekommen wäre“, merkt Gelino an.

Jeder, der schon einmal eine Sandburg gebaut oder mit Beton gearbeitet hat, mag sich an dieser Stelle eine grundlegende Frage stellen: Braucht man für 3D-Druck im Weltraum nicht Wasser?

Ja und Nein, wie Gelino zu verstehen gibt. Für bestimmte Betonarten ist Wasser tatsächlich unerlässlich. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang lautet, dass Wasser außerhalb der Erde keineswegs eine derart seltene Ressource darstellt wie gemeinhin angenommen. Sowohl auf dem Mars als auch im Schatten der tiefen Krater des Mondes gibt es Wassereis. Wasser kann außerdem chemisch hergestellt werden, indem man Wasserstoff und Sauerstoff miteinander reagieren lässt – und diese beiden Elemente gibt es in den hydratisierten Mineralien des Marsregoliths im Überfluss.

Auf der anderen Seite gibt es, wie Gelino anmerkt, jedoch auch Betonarten, die ohne Wasser auskommen. „Bei unseren Experimenten mit additiven Fertigungsverfahren haben wir Regolith mit Polymeren gemischt, die anderswo als Abfallprodukt angefallen waren“, erläutert er. „Polymere lassen sich zum Beispiel aus den Abfällen gewinnen, die Astronauten zurücklassen, oder auch aus Transportcontainern. Zusätzlich kann man sie auch synthetisch herstellen. Man kann sie als Bindemittel für Regolith verwenden, wobei die benötigte Menge im Verhältnis zum Regolith relativ gering ist. Der daraus gewonnene Stoff weist eine ähnliche Dichte wie Portlandzement und eine zwanzigmal größere Zugfestigkeit auf.“

Ingenieure der NASA haben Regolith außerdem gesintert, um daraus verschiedene Pflastersteine und Mauerziegel herzustellen. Der Prozess umfasst das Formgießen des Materials bei hoher Hitze und liefert ein Endprodukt, dessen Konsistenz Gelino zufolge an Sandstein erinnert. Um die dafür nötige Hitze zu erzeugen (etwa 1.200 Grad Celsius), muss eine Menge Energie aufgewendet werden – nach Gelinos Auffassung zwar eine Einschränkung, aber kein unüberwindbares Hindernis.

Letztlich wird es von der Nutzlastkapazität der Trägerraketen abhängen, in welchem Umfang Ausrüstung zum Mond oder Mars geschickt werden kann. Der 3D-Drucker, mit dem Gelinos Team derzeit arbeitet, besteht aus einem Extruder, der am Arm eines Industrieroboters befestigt ist – damit lassen sich Strukturen von bis zu 1,8 Meter Höhe und ca. 2,5 Meter Breite errichten. Das System steckt zurzeit noch in den Kinderschuhen: Zwar ist der Machbarkeitsnachweis bereits erbracht, zur Einsatzfähigkeit bedarf es jedoch zunächst eines leichteren Modells, das den Betrieb in extremer Kälte, bei Strahlung und im Vakuum ermöglicht.
 

NASA’s Swamp Works innovation lab simulates lunar regolith using Black Point 1, a waste product of asphalt production.
Das Innovationslabor „Swamp Works“ der NASA nutzt Black Point 1, ein Abfallprodukt der Asphaltproduktion, um lunaren Regolith zu simulieren. Credit: NASA/Glenn Benson.

„Im Idealfall wird das gesamte additive Fertigungsverfahren von Robotern übernommen“, so Gelino. Man könnte den Drucker sogar schon vor Ankunft der Astronauten an sein Ziel bringen, damit er bereits die notwendige Infrastruktur schafft.

Die NASA bewertet neue Technologien anhand ihres technologischen Reifegrades (Technology Readiness Level, kurz TRL). Dabei wird die Einsatzfähigkeit einer Innovation auf einer Skala von 0 bis 9 angegeben. Eine Innovation mit dem Grad TRL 1 hat demnach den Status eines Grundkonzepts bzw. eines noch nicht umgesetzten Entwurfs. „Eine Technologie mit dem Grad TRL 9 ist flugerprobt“, erklärt Gelino. „In der Regel arbeiten wir im GMRO-Labor an Innovationen, die zwischen TRL 1 und TRL 5 anzusiedeln sind, also an wirklich neuen Ideen, die zu einem grundsätzlichen Umdenken führen können.“

Die additive Fertigung auf fernen Himmelskörpern liegt Gelino zufolge zwischen TRL 2 und 3. „Wir haben bewiesen, dass das Konzept umsetzbar ist. Jetzt arbeiten wir daran, es weiterzuentwickeln und für den Einsatz im großen Stil zu optimieren.“ Und er fügt hinzu: „Wir müssen die Eigenschaften und das Verhalten von Regolith als Baustoff noch besser verstehen. Insbesondere über seine Tragfähigkeit und Festigkeit gibt es noch viel zu lernen.“