KI in der Automobilbranche: Yamaha entwirft E-Nutzfahrzeug mit generativer KI
- Yamaha Motor und Final Aim haben sich für die Entwicklung eines neuen elektrischen Nutzfahrzeug-Prototyps zusammengetan Derzeit entwickelt Final Aim die Plattform Final Design, mit der Entwürfe, Verträge und geistige Eigentumsrechte zentral auf einer Blockchain verwaltet und so Datenauthentizität sichergestellt werden soll
- Im Rahmen des Projekts Concept 451 entstand auf Basis einer kompakten E-Plattform für den Low-Speed-Personentransport ein Elektrofahrzeug, dessen einzigartiges Design leichte Arbeiten in unwegsamem Agrargelände ermöglichen soll
- Generative KI spielt sowohl in der Automobilindustrie als auch in der Produktentwicklung eine zunehmend zentrale Rolle und verbessert die Kommunikation zwischen Auftraggebern und Entwicklungsteams. Im iterativen Prozess der Designkonvergenz werden neue Möglichkeiten erschlossen und Einfallsreichtum honoriert
Längst ist generative KI dank ihrem verheißungsvollen Potenzial in den Fokus von Unternehmen und Privatanwendern gerückt. Der Aufschwung der neuen Technologie – mit ChatGPT als ihrem wohl prominentesten Beispiel – wirft allerdings auch rechtliche Fragen auf. Produktentwicklung und digitale Innovation gehen heute Hand in Hand, doch der technologische Fortschritt stellt die Branche vor neue Herausforderungen: Kann generative KI auf sichere und kreative Weise in Gestaltungsprozesse einbezogen werden?
Mit seinem Concept 451, der auf dem diesjährigen Tokyo Auto Salon erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, beantwortet Yamaha Motor diese Frage nicht nur mit Ja, sondern demonstriert auch das ganze Potenzial der Technologie. Der Prototyp für ein elektrisches Nutzfahrzeug zeichnet sich durch seine einzigartige Architektur aus, die auf leichte Arbeiten in unwegsamem Agrargelände ausgelegt ist. Den Unterbau bildet das Yamaha Motor Platform Concept, eine derzeit in der Entwicklung befindliche kompakte E-Plattform für Kleinfahrzeuge zum Personentransport bei geringen Geschwindigkeiten. Final Aim, das für dieses Projekt beauftragte Industriedesign- und Technologieunternehmen, griff bereits ab der Konzeptphase umfassend auf KI zurück und stand dabei in ständigem Austausch mit Yamaha Motor.
Anhand KI-gestützter Interaktion wurden dabei etwa Managementkonzepte, Produktstrategien und Spezifikationen rund um die erforderliche E-Fahrzeug-Hardware weiterentwickelt, die man zuvor intern bei Yamaha erarbeitet hatte.
Generative KI in der Automobilbranche bringt Prototyp ins Rollen
Yasuhide Yokoi ist Mitbegründer sowie Chief Design Officer von Final Aim und Teil des Entwicklerteams rund um den Concept 451. Zu Beginn experimentierte er mit verschiedenen generativen Text-to-Text-Modellen, um sich ein grundsätzliches Bild von den Perspektiven und künftigen Herausforderungen in der Landwirtschaft zu verschaffen – ein wichtiger erster Schritt, um die funktionalen Anforderungen des Produkts zu verstehen.
„Ich ließ die KI nicht nur konkrete Entwürfe wie beispielsweise für einen wendigen Traktor generieren, sondern erfragte auch Hintergründe zum japanischen Agrarsektor, die mir als Laie in dem Bereich fehlten“, berichtet Yokoi. „Dazu gehören aktuelle Fragestellungen wie die alternde landwirtschaftliche Bevölkerung und die Klärung der Betriebsnachfolge.“
Als Nächstes fanden die funktionalen Anforderungen Eingang in den KI-gestützten Visualisierungsprozess. Durch kontinuierliche Anpassung der Prompts lenkte Yokoi den Entwurf dabei immer weiter in Richtung der finalen Version. „Einige der ausgegebenen Optionen waren anfangs zu unkonventionell“, erklärt er, betont aber auch die innovativen Ansätze einzelner Elemente, auf die ein menschlicher Entwickler wohl kaum gekommen wäre. „Innerhalb weniger Wochen kamen so mehr als 2.000 Ideen zustande, wobei die KI die typischen Phasen von Konvergenz und Divergenz durchlief, die man von Entwicklerteams kennt – und das alles bei extrem hoher Bildqualität. Das zu erleben, war überaus spannend.“
Das Ergebnis der KI-Kollaboration: ein einzigartiges asymmetrisches Design mit sechs Scheinwerfern gemäß Produktkonfiguration und einem Gitterkorb mit Rohrkonstruktion, der die für den Einsatzzweck geforderte Ladekapazität gewährleistet. Auch die praktische Anwendbarkeit des Konzepts floss in die Überlegungen ein. „Das Design verzichtet zur besseren Sicht vorn auf Überrollbügel, und die Art der Konstruktion wäre aus baulicher Hinsicht normalerweise nicht infrage gekommen“, so Yokoi. „Nach der Simulation entschieden wir uns jedoch bei diesem Projekt trotzdem dafür – in der Hoffnung, dass man uns das gerade noch so durchgehen lassen würde.“
Die 3D-Daten erstellte das Team mit Autodesk Fusion. Während des Entwicklungsprozesses hielt man regelmäßig Rücksprache mit Yamaha Motor. „In den frühen Entwicklungsphasen kommunizierte man traditionell über handgezeichnete Skizzen und konnte Informationen dabei ausschließlich über Farben und Schattierungen vermitteln“, so Yokoi. „Um die Vorstellungen aufeinander abzustimmen, muss die Kommunikation zwischen Kunden- und Entwicklerseite funktionieren. Hier kann KI helfen: Jetzt können wir früh Entwürfe mit hohem Ausarbeitungsgrad vorlegen.“
Neue Techniken zum Schutz geistigen Eigentums
Final Aim wirkt nicht nur an der Entwicklung von Produkten mit, sondern setzt sich auch für die Einführung von Blockchain- und Smart-Contract-Technologie in der Fertigungsbranche ein. Vor diesem Hintergrund entsteht derzeit die Plattform Final Design, die als zentrales Verwaltungssystem wichtiger Daten fungieren soll: Entwürfe, Verträge und Informationen zu geistigem Eigentum werden hierbei auf einer Blockchain hinterlegt, um die Echtheit sicherzustellen.
Durch die Zusammenarbeit an Concept 451 wurde Yamaha Motor zu einem der ersten Nutzer der Plattform. Der Umgang mit finalen Entwürfen, Fertigungsdaten und Produktentwicklungsverträgen kann schnell zur hochkomplexen Angelegenheit werden – und ein Verlust dieser Daten zu einem schwerwiegenden Problem. Bei Final Design, so führt Yokoi aus, komme Blockchain-Technologie zum Einsatz, um die Daten zusammenzuführen und zu verwalten.
Wo Generatives Design zur Produktentwicklung eingesetzt wird, muss über das Thema Urheberrecht gesprochen werden. Auch Final Aim erreichen dazu Anfragen. Das Amt für kulturelle Angelegenheiten des japanischen Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie legt in diesem Zusammenhang Folgendes fest: „Wird eine KI im Sinne eines Werkzeugs gebraucht, das dem persönlichen kreativen Ausdruck von Gedanken und Gefühlen dient, gilt die Schöpfung als urheberrechtlich geschütztes Werk und die Urheberschaft liegt bei der Person, die die KI verwendet.“ Um die Echtheit und Unverfälschtheit von Entwürfen zu gewährleisten, geht Final Design den Weg über die Blockchain.
In der Branche wird man zunehmend auf Final Design aufmerksam, und auch Unternehmen verwandter Tätigkeitsfelder wie dem Bauwesen, die in irgendeiner Art mit Produkt- und Planungsdaten zu tun haben, zeigen Interesse an der Plattform. „Wenn Designdaten an Subunternehmer oder Händler übermittelt werden, birgt das Risiken: Daten könnten unerlaubt vervielfältigt werden oder sind vielleicht nicht mehr zuverlässig rückverfolgbar“, erläutert Yokoi. „Wir werden oft gefragt, wie Blockchain-Technologie hier Abhilfe schaffen kann und welche Möglichkeiten es gibt, bei der Planung mit generativer KI die Authentizität des Entwurfs zu schützen.“ Für die Darstellung von 3D-Entwurfsdaten setzt Final Design auf die Integration von Autodesk Platform Services.
Innovation muss sich lohnen
Für Yokoi war insbesondere die Offenheit und Flexibilität, mit der Yamaha Motor sich auf das Projekt Concept 451 eingelassen hat, entscheidend für das Gelingen der KI-gestützten Zusammenarbeit. „In der Produktentwicklung muss man heute breit aufgestellt sein: Wer mit der Blockchain, kryptografischen Ressourcen und Datenbanken arbeitet, muss sich auch mit Finanzen auseinandersetzen, und wer generative KI einsetzt, kommt um das Thema geistiges Eigentum nicht herum.“
„Technologie hat den kreativen Schaffensprozess deutlich vereinfacht. Umso wichtiger ist es, sie kritisch zu prüfen“, so Yokoi. „Bei all den neuen Kenntnissen und Fertigkeiten, die zunehmend erforderlich sind, verfolgen wir eigentlich ein recht einfaches Ziel: die Gestaltung einer Welt, in der Produktentwickler, -ingenieure und andere kreative Köpfe für ihre Ideen belohnt werden, die verdiente Aufmerksamkeit und Wertschätzung bekommen und sicher sein können, dass ihr Werk so verwahrt wird, dass niemand daran Änderungen vornimmt.“